Energiedrehscheibe in der Nachbarschaft

Kommunale Grenzen sind das eine. Räumliche Nähe das andere. Die Hafen- und Marinestadt Wilhelmshaven spielt eine Schlüsselrolle für das Gelingen der Energiewende in Deutschland. Die Transformation vom Import von Kohle, Öl und Pipelinegas hin zu Offshore-Strom, Flüssigerdgas und Wasserstoff spielt sich dabei zum Großteil in unmittelbarer Nähe zur Ortsgrenze zum Wangerland ab – in Blickweite von Hooksiel. 

Das Projekt „Energiedrehscheibe 2.0“ in Wilhelmshaven (Energy-Hub) ist vielschichtig. Verschiedene Projekte und Vorhaben wurden unter dem Begriff gebündelt, die die industrielle Zukunft der Stadt auch nach dem Ausstieg aus der Kohleverstromung sichern sollen. Dann kam der Angriff der russischen Streitkräfte auf die Ukraine im Februar 2022 – und damit das Ende des Glaubens daran, dass billiges Pipeline-Erdgas aus dem Osten den Umstieg der Energieversorgung in Deutschland von fossilen auf regenerative Energieträger absichern könnte. Dennoch bleibt Erdgas zumindest für eine gewisse Zeit unverzichtbar. Es soll künftig zunehmend in verflüssigter Form, als so genanntes LNG, per Schiff importiert werden – auch und vor allem über Wilhelmshaven. 

Wir wollen hier auf „Hooksiel-life“ den Versuch unternehmen, die verschiedenen mit der Energiewende zusammenhängenden Projekte in Wilhelmshaven zu sortieren und zu begleiten. Einen guten Gesamtüberblick über die Fülle im Energy-Hub geplanten Investitionen hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wilhelmshaven mbH zusammengestellt. Einige der Vorhaben haben mehr oder weniger große Auswirkungen auf Hooksiel. Erfreuliche und weniger erfreuliche.

Baustelle LNG Pipeline Wilhelmshaven
Der Bau der LNG-Pipeline von Wilhelmshaven nach Etzel erfolgte in rasanter Geschwindigkeit. Seit der Jahreswende 2022/23 strömt am LNG-Terminal angelandetes Erdgas zu dem 27 Kilometer entfernten Kavernenfeld. Foto: hlo

Nationale Beachtung fand dabei in 2022 insbesondere der Bau einer Pipeline von Wilhelmshaven nach Etzel (Gemeinde Friedeburg) in der „neuen Deutschland-Geschwindigkeit“. Das Tempo für Genehmigung und Bau waren rekordverdächtig. Mitte Dezember war die Leitung vom ebenfalls Ende des Jahres in Betrieb genommenen LNG-Terminal Wilhelmshaven zum Gasspeicher-Kaverenenfeld in Etzel fertig. Die Wilhelmshavener Anbindungsleitung (WAL) ist Voraussetzung dafür, dass per Schiff importiertes Gas ins nationale Gasnetz eingespeist werden kann und so die durch den Ausfall von russischem Pipelinegas drohende Energie-Lücke möglichst klein bleibt. Realisiert wird das Projekt vom Fernleitungsnetzbetreiber OGE.

Die Leitung, die komplett unterirdisch verläuft, ist rund 27 Kilometer lang, hat einen Durchmesser von etwa einem Meter und soll zunächst eine jährliche Kapazität von zehn Milliarden Kubikmeter Gas bewältigen. Endpunkt ist die Fernleitung NETRA in der Nähe des Gasspeichers in Etzel. Mit dem Anschluss an die NETRA können Gasmengen von der Nordseeküste in den Süden und Osten des Landes transportiert werden. „Die Leitung wird so errichtet, dass sie zukünftig auf Wasserstoff umgestellt werden kann“, sagt Dr. Thomas Hüwener, Technischer Geschäftsführer der OGE.

Pipeline zu TES
Sind Juli 2023: An der Pipeline von der WAL zum TES-Gelände wird mit Hochdruck gearbeitet. Foto: hol

Neben dem WAL-Neubau sind weitere Investitionen in die Gasinfrastruktur der Region geplant. Durch weitere Neu- und Ausbaumaßnahmen können die neu geschaffenen Kapazitäten zum Weitertransport von Gas aus Wilhelmshaven innerhalb der nächsten Jahre auf bis zu 28 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erweitert werden. Im Oktober 2023 etwa wurde die Verlegung der „Anbindungspipelne“ von der WAL entlang der Straße Am tiefen Fahrwasser zum TES-Gelände (neben der HES-Tankfarm) abgeschlossen. TES will zunächst, voraussichtlich ab April 2024, LNG und fünf Jahre später Wasserstoff-Derivate über ein neu angelegtes Terminal in der Jade importieren.

Auch der Oldenburger Energieversorger EWE will sich am Ausbau des Pipeline-Netzes beteiligen. Über Abzweiger von der WAL (im Bereich der Gemeinden Sande bzw. Westerstede) soll Gas in die EWE-Kavernen Nüttermoor bei Leer und Huntdorf gepumpt werden. Im April 2023 hat das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) die Zulässigkeit der „EWE-Zukunftsleitung“ festgestellt. Damit dürfen die Bauarbeiten an der Leitung für den Weitertransport von Erdgas aus regasifiziertem LNG aus Wilhelmshaven starten.

Der Bau der rund 70 Kilometer langen Leitung beginnt von Westerstede ausgehend in Richtung Norden und Westen. Kurzfristig liegt der Fokus bei der Gasanbindung Wilhelmshaven-Leer (GWL) auf der Versorgungssicherheit mit Erdgas. Aber noch in diesem Jahrzehnt, so EWE, soll grüner, klimaneutraler Wasserstoff über die Gasleitung transportiert werden. EWE investiert rund 200 Millionen Euro in das Vorhaben. Die Leitung soll bis Ende 2023 fertig sein.