Geschichten von musikalischen Muscheln und giftigen Schnecken

Muschelmuseum Hooksiel
Hermann Wilken ist einer der Betreuer des Hooksieler Muschelmuseums. Gern erläutert er den Besuchern unter andrem die Unterschiede zwischen Muscheln und Schnecken. Foto: hol

Hooksiel (9. 4. 2024) – Am Hooksieler Strand findet man mit etwas Glück auch einige schöne Exemplare: Miesmuscheln, Herzmuscheln oder auch Schalen der Pazifischen Auster. Aber die Vielfalt der maritimen Weichtier-Welt erschließt sich einem erst im Ort selbst. Im Hooksieler Muschelmuseum.

Das Kleinod im ehemaligen Rathaus an der Lange Straße gehört zu den Sehenswürdigkeiten des Sielortes, die häufig unterschätzt werden. Mit 10.000 bis 12.000 Besuchern im Jahr rechnet das Naturkundemuseum. „Zumindest war das vor der Corona-Pandemie so“, sagt Hermann Wilken, der zusammen mit seiner Kollegin Gudrun Reith die Einrichtung der Gemeinde Wangerland betreut, die von April bis Oktober täglich von 11 bis 17 Uhr geöffnet hat. Wilken ist zuversichtlich, dass man bald wieder an die alten Besucherzahlen anknüpfen kann.Wünschen würde er sich aber, wenn sich noch mindestens eine weitere Teilzeitkraft für die Betreuung des Museums findet.

Naturschützer weltweit als Sammler unterwegs

Eine Gemeinde, die ein Muschelmuseum betreibt? Das dürfte es in Deutschland nicht allzu oft geben. Der Hintergrund ist schnell erklärt: Bis 2010 führte der Naturschützer Georg Hempfling aus Jever am Alten Hafen in Hooksiel ein privates Muschelmuseum, das er 1994 eröffnet hatte. Als der Fregattenkapitän a. D. sich aus Altersgründen zurückzog, verkaufte er seine Sammlung an die Gemeinde Wangerland, die dafür im ehemals zum Künstlerhaus gehörenden alten Rathaus eine neue Ausstellung einrichtete. Sie wurde am 1. April 2012 eröffnet. Wilken schloss sich wenige Wochen später dem Muschelmuseum-Team um die damalige Museumsleiterin Heide Schneider an. 

Der Besuch im Muschelmuseum erweitert den Horizont – in mehrfacher Hinsicht. So gibt es im Muschelmuseum keineswegs nur Muscheln zu bewundern. Bei rund zwei Drittel der Exponate handelt es sich um Schnecken. Auch in der Natur gibt es weit mehr Schnecken- als Muschelarten. Der wesentliche Unterschied besteht darin, so Wilken, dass Schnecken ein Haus haben, das sie mit sich herumtragen, und Muscheln sich mit zwei Klappen schützen.

Im Museum werden Muscheln und Schnecken aus der ganzen Welt präsentiert. Aus der Nordsee und dem Atlantik ebenso wie aus dem Pazifik. Viele der Tiere stehen heute unter Artenschutz, den es zu den Zeiten, als der Marineoffizier Hempfling sie von seinen Reisen über die Weltmeere mit nach Hause brachte, in der Form noch nicht gab. Zur Eröffnung des Museums hatte die Gemeinde prüfen lassen, ob gegen die Ausstellung artenschutzrechtliche Bedenken bestehen. Sie bestanden nicht. 

Riesige Schildkröte als Gast im Museum

„Aber über die Jahre hatten wir immer wieder Besuch von Zöllnern, die nach dem Rechten geschaut haben“, schildert Wilken. Ihr Interesse dürfte vor allem den vielen exotisch anmutenden Muschel- und Schneckenarten gegolten haben; aber auch der Handelsware. Das Museum verkauft Muscheln als Souvenirs. „Das sind alles Naturprodukte, aber reine Handelsware“, beteuert Hermann Wilken. „Wir sind da völlig sauber.“ Die Handelsware sei aber wichtig für die Finanzierung des Museums. Der Eintritt (2 Euro/ Kinder 1 Euro) allein reiche dafür nicht aus. 

Wie sehr die für die Kontrolle der Einfuhr exotischer Tiere zuständigen Ordnungsbehörden dem Museum vertrauen, bezeugt eine riesige Schildkröte, die die Besucher im Obergeschoss überrascht. Das Tier sei irgendwann einmal illegal importiert und vom Zoll beschlagnahmt worden, so Wilken. „Wir haben es dann zu treuen Händen als Dauerleihgabe erhalten.“

Zu den Hinguckern des Museums zählt ein Korallenriff, das Georg Hempfling einst nachgebaut und koloriert hat. Koloriert? Tote Korallen verlieren ihre Färbung. Das vor einer Weltkarte ausgestellte Riff soll durch seine Farbigkeit einen Eindruck von der natürlichen Schönheit der Riffe vermitteln, deren Bestand nicht zuletzt durch den Klimawandel stark bedroht ist.

Schneckenhaus als Nebelhorn

Im Museum sind Tausende Exponate zu bewundern. Einige sind nur wenige Zentimeter groß. Aber es werden auch wunderschön glänzende Schnecken wie der „Ritterhelm“ gezeigt, die bis zu einem halben Meter groß sind. In einige Kulturen werden und wurden Schnecken-Gehäuse als Schmuck oder auch als Musikinstrumente verwendet. So etwa diente im pazifischen Raum die leicht präparierte „Große Sturmhaube“ als Nebelhorn. 

Wilken kann zu vielen der ausgestellten Exponate kleine Geschichten erzählen. Etwa die von der Kegelschnecke, die mit einem Stachel ein extrem wirksames Nervengift einsetzt, um ihre Beute zu erlegen. Selbst für Menschen kann sie gefährlich werden. Oder die Geschichte vom Meeresrauschen, das man hört, wenn man ein Schneckenhaus an sein Ohr legt. „Tatsächlich wird das Geräusch vom eigenen Blutdruck erzeugt.“

Muschelschalen und Schneckenhäuser können sehr gute Resonanzkörper sein. Das wird im Muschelmuseum in der Sonderausstellung „Trompetenschnecken aus hinduistischen und buddhistischen Klöstern“ verdeutlich. Die hier ausgestellten, künstlerisch gestalteten „Musikinstrumente“ sind eine Leihgabe eines privaten Sammlers aus dem Bergischen Land. Ein weiteres Nebenthema im Museum: Eine Wand mit historsichen Ortsansichten von Hooksiel.