Friesland/Wangerland (27. 4. 2024) – Hohe Naturschutz- und Tierwohlauflagen hier, Wettbewerbsverzerrungen und massiver Bürokratie-Ballast dort. Hat die die deutsche Landwirtschaft noch eine Zukunft? Darum sorgt sich die CDU-Landtagsabgeordnete Katharina Jensen aus dem Wangerland. Eine ihrer Erkenntnisse nach einer Expedition mit dem Agrarausschuss des niedersächsichen Landtags nach Spanien: „Die Politik steht da viel geschlossener hinter ihren Landwirten, auch die linken und grünen Parteien.“
Gebühren-Regelung ein Unding
Szenenwechsel: Auf einer Weide in Schortens kalbt eine Kuh. Das Tier liegt auf dem Boden, das Kälbchen bahnt sich seinen Weg in die Welt. Ein Passant kommt vorbei, erlebt die Geburt – und alarmiert das Veterinäramt. Mitarbeiter der um das Tierwohl besorgten Behörde besuchen den Landwirt, der inzwischen seine Kuh in den Stall geholt hat. Das Fazit der Kontrolleure: „Alles in Ordnung.“ Aber die Rechnung für ihren Besuch muss der Landwirt zahlen.
„Ein Unding“, sagt Hilmar Beenken, selbst Landwirt in Jever und als Stimme der Milcherzeuger Mitglied im Vorstand Kreislandvolk-Verbandes Friesland. „Das ist so, als würde mein Nachbar die Feuerwehr zu mir schicken und ich müsste dann die Kosten für den Fehlalarm übernehmen.“ Die Gebühren-Regelung ist Landessache und zeugt aus Sicht von Beenken und Jensen davon, dass es nicht nur auf Bundes- und EU-Ebene Handlungsmöglichkeiten gibt, die den Bauern in Niedersachsen das Leben erleichtern würden.
Erst kürzlich hat die CDU-Fraktion im Landtag eine Liste mit 17 Entbürokratisierungs-Vorschlägen vorgelegt. Sie enthält Regelungen, die nach Ansicht von Landwirten und Christdemokraten einfach gestrichen oder doch deutlich erleichtert werden könnten, sowie Vorschläge bestehende Antrags-, Aufzeichnungs- oder Nachweisverpflichtungen zu lockern. „Es ist zum Beispiel doch völlig sinnlos, wenn ein Landwirt für mehrere Behörden dieselben Daten zusammen stellen muss“, sagt Katharina Jensen, die als Frau eines Schweinehalters Einblick in die Praxis hat. „Wen der Bauer mehr Zeit im Büro als bei seinen Tieren verbringen muss, ist da etwas nicht in Ordnung.“
Nitratprobleme auch in Spanien
Zurück nach Spanien. Der Agrarausschuss tauschte sich in Spanien mit Vertretern der Zentralregierung in Madrid, mit Agrarpolitikern in Katalonien sowie mit Vertretern mehrerer Bauernverbände aus. Dabei ging es unter anderem um die Agrarproduktion, aber auch um das vor allem in Südspanien schwierige Wassermanagement. „Das Wasser ist knapp und da stehen Tourismus und Landwirtschaft bei der Wasserversorgung im Wettbewerb.“
Ein wichtiger Produktionszweig der spanischen Landwirtschaft ist die Schweinehaltung. Häufig stünden die Stallanlagen in kargem Umfeld ohne Pflanzen, die die von den Tieren ausgeschiedene Gülle verwerten könnten. „Spanien hat ein Nitratproblem“, sagt Katharina Jensen. Ähnlich dem im Großraum Vechta in Niedersachsen. Die EU drohe mit Strafzahlungen. Aber niemand in der spanischen Politik komme auf die Idee, deshalb die Produktionsbedingungen für die Landwirte durch Auflagen zu verändern.
Handel gibt Kosten nicht weiter
Oder beim Tierwohl. „Das ist praktisch in Spanien kein Thema“, so die CDU-Politkern. Zeitgleich werde in Deutschland über Sonderabgaben wie den „Tierwohl-Cent“ oder eine Anpassung des Mehrwertsteuer-Satzes diskutiert, um die Kosten etwa für Investitionen in tiergerechtere Stallanlagen finanzieren zu können. Das Problem dabei, so Beenken: „Die Kosten bleiben letztlich bei den Landwirten hängen.“
Der Handel sei nicht bereit, zusätzliche Abgaben an seinen Kassen weiterzugeben. Hinzu komme, dass nach seiner Einschätzung nur ein Bruchteil der Kunden bereit ist, für gehobene Tierwohl-Standards mehr Geld auszugeben. Das sei ein Nischenmarkt. In den Supermärkten werde überwiegend nach den günstigen Produkten gegriffen. Marktkonform lasse sich das Problem kaum lösen. Bei den Verhandlungen etwa über die Preise für Milch und Milchprodukte, so Beenken, stünden 80 Molkereien nur vier Lebensmittelkonzerne gegenüber.
Eigenversorgung ist nachhaltig
Wer mehr Tierwohl-gerechte Ställe wolle, so Katharina Jensen, sollte ein Programm für einfache und unbürokratische Investitionsförderung auflegen. Allein jedenfalls könne die Landwirtschaft die Kosten auf keinen Fall stemmen. Auch auf EU-Ebene verschiebe sich aktuell die Grenze zwischen Ökonomie und Ökologie in der Landwirtschaft zu Gunsten der Wirtschaftlichkeit. Zum einen liege das wohl an den massiven Protesten vor allem französischer Landwirte, so Beenken, zum anderen habe man auch in Brüssel angesichts der verschiedenen globalen Krisen erkannt, dass man bei Lebensmitteln nicht in Abhängigkeit geraten sollte.
Insofern sei auch für Deutschland die Eigenversorgung wichtig – und auch ökologisch nachhaltig. Beenken: „Es macht keinen Sinn, Lebensmittel, die man vor Ort produzieren kann, Tausende Kilometer durch die Welt zu fahren.“