Kreispfarrer: Kirche muss das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen

Kreispfarrer Scheuer bei Hooksieler Frauen
Kreispfarrer Christian Scheuer fühlte sich im Kreise der Hooksieler Landfrauen und des Frauenkreises der Kirchengemeinde Wangerland ausgesprochen wohl. Foto: hol

Hooksiel (20. 11. 2024) – Die Kirche hat einen schweren Stand, auch im Kirchenkreis Wilhelmshaven/Friesland. Der demographische Wandel, Wegzüge aus dem ländlichen Raum in Ballungsgebiete, die allgemeine Säkularisierung der Gesellschaft, aber auch handfeste Skandale hätten schon seit Jahren zu sinkenden Mitgliederzahlen geführt, sagte Kreispfarrer Christian Scheuer bei einer Stippvisite in Hooksiel. „Es wurde aber lange versäumt, die Kirche den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.“

Fusion im Wangerland

Scheuer ließ bei seinem Besuch einer Teetafel des Landfrauenvereins Hooksiel und des Frauenkreises der ev.-luth- Kirchengemeinde Wangerland im Restaurant „Zum Schwarzen Bären“ keinen Zweifel daran, dass sich das ändert wird. Ändern muss. Auch im Wangerland. Von den ehemals neun eigenständigen Kirchengemeinden im Gemeindegebiet hätten sich bereits sieben zur ev.-luth. Kirchengemeinde Wangerland zusammengeschlossen. Scheuer zeigte sich zuversichtlich, dass die noch selbstständigen Gemeinden Minsen und Wiarden 2026 folgen werden.

Allerdings: Zur Betreuung der insgesamt unter 5000 Christen werde es nur noch 2,5 Pastorenstellen geben. Trotz der weiten Wege, der historischen Gotteshäuser und der vielen Kirchengebäude in der Gemeinde. In der Vergangenheit wurde das Gebiet von der Oldenburgischen Landeskirche mit 4 bis 4,5 Pastorenstellen bedacht.

Kirchenkreis als Mittelinstanz

Als von der Kreissynode, also den Vertretern der Gemeinden, gewählter Kreispfarrer ist Scheuer das Bindeglied zur Oldenburgischen Landeskirche in Oldenburg. Sein Büro hat er in der Gemeinde Sande. Der 56-Jährige ist gebürtiger Wilhelmshavener. Der Kirchenkreis arbeitet für 25 selbstständige Kirchengemeinden, 9 in Wilhelmshaven und 16 in Friesland. Darüber hinaus ist er verantwortlich für das Diakonische Werk Wilhelmshaven-Friesland mit über hundert Mitarbeitenden, die Ev. Familienbildungsstätte und den Trägerverbund für 15 christliche Kindergärten im Kirchenkreis mit rund 350 Mitarbeitenden und einem jährlichen Umsatz von um die 20 Millionen Euro.

Die Verwaltungsstrukturen innerhalb der Oldenburgischen Landeskirche sind selbst vielen langjährigen Kirchengliedern nicht geläufig. So hatte Landfrauenvereins-Vorsitzende Anita Eden zu dem Vortrag in Hooksiel eigentlich eine Frau einladen wollen, die Regionalbischöfin aus dem Harlingerland. Hier erhielt sie aber eine deutliche Absage: „Falsche Kirche!“ Ostfriesland gehört zur Landeskirche Hannover.

Belastung für Pastoren steigt

Wichtiger als Organisationsstrukturen seien ihm die direkten Kontakte zu Menschen, sagte Scheuer, der zu Beginn seiner Seelsorger-Laufbahn zwölf Jahre Gemeindepfarrer in Zetel-Neuenburg war. Aktuell nehme die Arbeitsbelastung vieler Pfarrerinnen und Pfarrer deutlich zu. Die Stellen ausscheidender Kollegen würden nicht und nur teilweise ersetzt. Zu seinen Aufgaben als Kirchen-“Manager“ gehöre es auch, als eine Art „Seelsorger der Amtsbrüder“ mit darauf zu achten, dass die rund 50 Geistlichen in seinem Zuständigkeitsbereich ihren Aufgaben noch gerecht werden können und sich gegebenenfalls auch mal Auszeiten gönnen.

Denn, so betonte der Kreispfarrer, Pastoren sind Diener ihrer Gemeinden. Als ganz normale Menschen seien auch sie anfällig für Fehler und Schwächen. Das habe man in den Kirchen früher nicht immer so wahrhaben wollen. Entsprechend habe man etwa auf Vorwürfe von sexuellem Missbrauch reagiert. Bestenfalls wurde Schuldige versetzt. Aber die Landeskirche zu Oldenburg habe dazugelernt. Heute würden Täter bedingungslos außer Dienst gestellt. Opfer erhielten Entschädigungen.

Kein Pardon bei Missbrauch

Man wisse längst, so Scheuer, dass sexueller Missbrauch nicht nur ein Problem der katholischen Kirche war und ist. Bei einer von der Landeskirche eingerichteten Meldestelle hätten sich 30 bis 40 Betroffene gemeldet, zum Teil Jahrzehnte nach den Taten. Alle Kirchenmitarbeiter würden jetzt in Schulungen für das richtige Verhältnis von Distanz und Nähe sensibilisiert. Selbst von Kirchenältesten werde heute ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt. 

„Die Schutzregeln werden 1:1 umgesetzt. Da gibt es keine Kompromisse, auch wenn das manchmal anstrengend ist“, versicherte Scheuer während der lebhaften Diskussion mit den Frauen in Hooksiel. Ein Pastor, der ein 13-jähriges Mädchen nach dem Konfirmations-Unterricht in seinem Auto schnell nach Hause bringt, weil ihr Fahrrad kaputt ist? „Nein, das gibt es heute nicht mehr“, sagte der Kreispfarrer. „Wir müssen das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.“