Muschelfischer sehen noch keinen Grund für Entwarnung auf der Jade

Hooksiel (28. 8. 2023) – Ob und inwieweit Chlor-Rückstände im Wasser die Muschelaufzucht in der Jade beeinträchtigen, ist noch nicht absehbar. „Bislang haben wir noch keine Auswirkungen auf die Muschelkollektoren festgestellt“, sagte Manuela Melle, Sprecherin der Niedersächsischen Muschelfischer GbR, gegenüber der Netzzeitung „hooksiel-life.de“. 

Aber Grund zur Entwarnung gibt es noch keineswegs. Das seit Ende 2022 am LNG-Terminal Wilhelmshaven vor Hooksiel liegende schwimmende Regasifizierungsschiff „Höegh Esperanza“ arbeitet erst seit Anfang August im so genannten „offenen Kreislauf“. Das heißt: Meerwasser aus der Jade wird angesaugt, um über ein Rohrsystem das mit minus 162 Grad angelieferte Flüssigerdgas (LNG) zu erwärmen und dadurch zu regasifizieren. 

Janne Yerseke
Das Arbeitsschiff „Janne“ an den Muschel-Kollektoren in der Jade. Archiv-Foto: Dietmar Bökhaus

Das Rohrsystem an Bord wird über eine Elektrochlorierung vor dem Befall von Muscheln, Algen oder Seepocken freigehalten. Von den dabei über das Abwasser ins Meer zurückgeleiteten Chloriden befürchten Umweltschützer und Fischer negative Auswirkungen auf Flora und Fauna im Umfeld des Schiffes und im nahe gelegenen Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.

Erst vor wenigen Tagen hatte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) einen ersten offiziellen Messbericht zur Gewässerbelastung veröffentlich. Die Botschaft: Alle zulässigen Schadstoff-Werte wurden eingehalten. Allerdings: Im Zeitraum der Messungen (bis Ende Juni) war noch gar kein Meerwasser für die Erwärmung des LNG verwendet worden. 

Chlor-Rückstände könnten die Muschelsaat belasten

Spannend werden erst die Messwerte der nächsten Monate. Laut Betriebsgenehmigung dürfen über das Prozesswasser der „Höegh Esperanza“ bis zu 35 Tonnen (!) Chlor im Jahr in die Jade eingeleitet werden. Und: In einem Abstand von nur 450 Metern befinden sich die ersten Landleinen-Kulturen von Miesmuscheln, über deren Kollektoren die Muschelfischer Saatmuscheln gewinnen. Die Kollektoren dienen zum Ansiedeln der Jungmuscheln als umweltverträgliche nachhaltige Nutzung und wurden in einer Pilotstudie mit Unterstützung von Umweltministerium erforscht. Die Saatmuscheln werden geerntet und dann auf entfernten Brutflächen ausgebracht.

Die größte Sorge der Muschelfischer: Die Chlorrückstände könnten auch die Saatmuscheln abtöten oder sich als Schadstoff in der Muschel ansammeln. Für beide Szenarien gibt es bislang keine Belege. Aber beruhigt ist Manuela Melle noch keineswegs. „Wir werden Muschelproben nehmen und diese auf Schadstoffe untersuchen lassen.“

Keine Kompensation für wirtschaftlichen Schaden

Die Muschelfischer GbR, die die Interessen der nur noch vier niedersächsischen Muschelfischer-Betriebe vertritt, hatte frühzeitig ihre Bedenken gegen den Betrieb der „Höegh Esperanza“ angemeldet und das Gespräch mit Politik und Behörden gesucht. „Unsere Bedenken wurde im Hinblick auf die nationalen Interessen abgebügelt“, sagt Manuela Melle. Der Tonfall in den Gesprächen sei freundlich und verständnisvoll gewesen. Eine Kompensation für mögliche wirtschaftliche Schäden habe man den Muschelfischern aber nicht in Aussicht gestellt. LNG gilt als unverzichtbarer Ersatz für russisches Pipelinegas, das bekanntlich nicht mehr nach Deutschland fließt. 

Die Muschelfischer verzichteten auf einen Klage, legten aber Widerspruch gegen den Genehmigungsbescheid für die „Höegh Esperanza“ ein. Bislang habe man dazu noch nichts wieder gehört, so Manuela Melle. Derzeit warte man gespannt darauf, mit welchem technischen Verfahren künftig die Chlor-Einträge de LNG-Fabrikschiffes verringert werden soll. Vorschläge zum „Minimierungsgebot“ sollen bis Ende August vorliegen. Gegen eine Stoßchlorierung, die als Alternative zur Prozesswasser-Behandlung untersucht wurde, habe man noch größere Bedenken, da dabei in kurzen Zeiträumen noch mehr Chlor und Chlor-Nebenproduke ins Wasser gelangen, sagt Manuela Melle. „Die Ultraschall-Methode würden wir befürworten.“

Ob schon die Chlor-Debatte dem Image der niedersächsischen Miesmuschel geschadet hat, wird sich erst in Kürze zeigen. Die heimischen Muschel werden über eine Auktion in den Niederlanden vermarktet. 

Dieses Jahr noch keine Hoosksieler Muscheln im Handel

„In diesem jahr werden wir keinen Muscheln aus dem Jadegebiet verkaufen“, sagt Manuela Melle. Die Saatmuscheln von den Kollektoren in der Jade würden erst im Herbst geerntet und zu den Bodenkulturen gebracht, wo sie in etwa zwei Jahren Konsumgröße erreicht haben werden. Da Muscheln veterinärrechtlich intensiv überwacht werden, so Manuela Melle, bestehe aber ohnehin keine Gefahr, das schadstoffbelastete Muscheln in den Handel gelangen. 

Sollte es also zu einer zügigen Umrüstung der „Höegh Esperanza“ auf ein chlorfreies Antifouling-Verfahren kommen, könnte die Muschelfischer mit einem blauen Auge davon kommen. Zumindest was die „Höegh Esperanza“ betrifft. Allerdings, so warnen die Fische, werde ja bereits am zweiten LNG-Terminal an der Jade gearbeitet. 

Für den Schiffsanlage müssten dann rund 1,2 Millionen Kubikmeter Sand und Schlick auf der Jade gebaggert und abtransportiert werden. Zusammen mit den zu erwartenden Strömungsveränderungen sei das – auch ohne weitere Chlor-Einträge – erneut ein „schwerwiegender Eingriff in den Naturhaushalt“ – mit ungewissen Folgen für Flora und Fauna in der Jade.