Forscher: Krabbenfischer verändern Artengemeinschaft im Wattenmeer kaum

Hooksiel/Bremerhaven (3. 5. 2023) – Welche ökologischen Auswirkungen hat die Krabbenfischerei? Eine brisante Frage, auf die das Thünen-Institut für Seefischerei (Bremerhaven) eine Antwort gegeben hat.

Das Institut hat jetzt die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Cranimpact“ vorgestellt. Institutsleiter Dr. Gerd Kraus überreichte den Abschlussbericht an Fischereiministerin Miriam Staudte (Niedersachsen) und Fischereiminister Werner Schwarz (Schleswig-Holstein). Beide Länder haben das Projekt mit rund 1,4 Millionen Euro an Fördermitteln aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) und Landesmitteln unterstützt.

Krabbenkutter
Die Krabbenfischerei hat laut einer aktuellen Studie des Thünen-Institut aufs Ökosystem Wattenmeer nur einen verhältnismäßig geringen Einfluss. Foto: Thünen-Institut/Michael Welling

Im Rahmen des Forschungs-Vorhabens wurden über vier Jahre die Auswirkungen der Garnelenfischerei auf die vorherrschenden Lebensraumtypen in den Wattenmeer-Nationalparks erforscht. Dabei wurden sowohl die kurzfristigen Auswirkungen als auch die chronischen Veränderungen durch anhaltenden Fischereidruck untersucht. 

An Brisanz gewann die Studie durch den jüngsten Vorstoß der EU-Kommission, die angeregt hat, das Fischen mit Grundschleppnetzen in Schutzgebieten zu untersagten. Fischer, Fischereiverbände und Vertreter der Küstenregion laufen seit Wochen gegen diese Pläne Sturm, da sie das Aus für die traditionelle Küstenfischerei und die deutschen Krabbenfangflotte befürchten.

Zu den wichtigsten Erkenntnissen des Projekts gehört, dass die Krabbenfischerei im hochdynamischen, von starken natürlichen Schwankungen beeinflussten Wattenmeer einen durchaus messbaren, aber im Vergleich zu anderen Faktoren, wie der Zusammensetzung des Sediments, geringeren Einfluss auf die Artgemeinschaften des Meeresbodens ausübt. Dies gilt zumindest für die vorherrschenden durch Fein- und Mittelsande geprägten Lebensräume, die über 90 Prozent der tieferen Bereiche des Wattenmeers ausmachen. 

Für die Arten, für die ein Fischereieinfluss im Experiment nachgewiesen werden konnte, wurden kurze Erholungszeiten von maximal 20 Tagen errechnet. Unterschiede zwischen einem Gebiet im dänischen Wattenmeer, für das seit über 40 Jahren ein Fischereiverbot gilt, und verschieden stark befischten Bereichen im deutschen Wattenmeer ließen sich zu knapp neun Prozent durch den Fischereieinfluss erklären.

Politiker setzten auf Versachlichung der Debatte

„Forschungsprojekten wie Cranimpact kommt eine herausragende Bedeutung für eine wissenschaftsbasierte Bewertung der Umweltwirkungen der Fischerei zu“, sagte Ministerin Staudte. „Die Projektergebnisse können nun eine wichtige Grundlage für die weiteren Gespräche mit der EU-Kommission zur Zukunft der grundberührenden Fischerei sein. Wir sehen zudem noch weiteren Forschungsbedarf in Bezug auf besonders schützenswerte Gebiete im Wattenmeer, die die Studie nicht beleuchtet hat.“

Minister Schwarz: „Ich bin mir sicher, dass die Erkenntnisse aus dem Projekt dazu beitragen werden, die von Nutzer- und Schützerseite häufig sehr emotional geführte Diskussion um die Auswirkungen der Krabbenfischerei ein Stück weit zu versachlichen. Dies wird auch den politischen Entscheidungsträgern enorm helfen, für einen fairen Interessenausgleich zwischen Schutzerfordernissen auf der einen und Nutzungsinteressen auf der anderen Seite zu sorgen.“

Umwelthilfe legt neues Rechtsgutachten vor

Entwarnung also für die Krabbenfischer? Noch nicht. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Ocean Vision Legal verweisen mit Blick aif die Ostsee auf ein neues Rechtsgutachten, das aufzeige, dass die Verwendung von Grundschleppnetzen in Natura 2000-Meeresschutzgebieten des deutschen Küstenmeeres ohne eine positive Verträglichkeitsprüfung anhand der Erhaltungsziele rechtswidrig sei. „Die jahrzehntelange Überfischung und die Verwendung zerstörerischer Fangmethoden wie der Grundschleppnetzfischerei, die hohe Mengen an Beifängen von Dorsch verursacht hat, sind Gründe für die derzeitige Notlage der Dorschpopulationen in der Ostsee.“ Trotz des Verbots der direkten Fischerei erhole sich der Dorsch-Bestand in der Ostsee nicht. 

„Das Rechtsgutachten unterstreicht, dass Grundschleppnetze in Meeresschutzgebieten nichts verloren haben und europäischem sowie nationalem Recht widersprechen“, sagte Katja Hockun, Meeresschutz-Expertin der DUH. „Daher müssen die Grundschleppnetzfischerei aus Meeresschutzgebieten verbannt, die Fischerei umweltschonend transformiert und nur noch umweltverträgliche Fanggeräten eingesetzt werden.“