Schutzgemeinschaft warnt: Nordsee darf nicht zu Industriegebiet werden

Wattenmeer
Die Nordsee ist in wunderbarer Lebensraum, kein Industriegebiet. Foto: Bildwerfer Fotografie

Hooksiel/Varel (4.1.2023) – Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) warnt vor Plänen, immer mehr klimaschädliches CO2 unter der deutschen Nordsee zu verpressen. Entsprechende Überlegungen hatte das Bundeskabinett kurz vor Weihnachten verkündet. „Damit bahnt sich, neben dem Umgang mit dem Hamburger Hafen-Schlick, noch eine weitere Art der Müllbeseitigung im Sinne ,Aus den Augen aus dem Sinn‘ an,” befürchtet Gerd-Christian Wagner, Vorsitzender der SDN aus Varel. „Dabei müssen wir doch viel mehr die steigende CO2-Produktion bekämpfen. Es gilt, die Entstehung des Klimagases zu vermindern und nicht auf kommende Generationen hin kosten- und energieintensiv unsicher einzulagern.” 

Die Carbon Capture and Storage (CCS)-Technologie erfordert das Abscheiden des Gases, dessen Transport durch Pipelines, per Schiff, Schiene oder Straße zum Speicherort und das Verpressen in den Untergrund. Das verursache enorme Kosten und zusätzlichen Energiebedarf, der laut Bundesumweltamt bei rund 40 Prozent liegt, und berge neue Umweltrisiken. Hinzu komme das Risiko einer Leckage mit schädlichen Auswirkungen auf das Grundwasser, den Boden und angrenzenden Lebensräumen.

„Der Gebrauch dieser Technologie erweckt mehr den Eindruck eines klimapolitischen ,Green-Washings‘, als denn den einer echten Lösungssuche für das CO2-Problem,“ kritisiert Wagner. Vor dem Hintergrund der großen deutschen und EU-Klimaschutz-Fördertöpfe würden sich immer mehr Energiekonzerne mit Milliarden schweren Investitions-Ideen zur CO2-Verpressung zu Worte melden. Gerade auch Wilhelmshaven wird dabei immer wieder genannt.

Der Energiekonzern Winterschall und das HES Wilhelmshaven Tank Terminal haben im Oktober 2022 eine Absichtserklärung zur Entwicklung eines CO2-Umschlagplatzes am HES-Tanklager in Wilhelmshaven unterzeichnet. Die Energieunternehmen erwarten, dass klimaschädliches Kohlendioxid, das in industriellen Prozessen nicht vermieden werden kann, an Industriestandorten abgeschieden und nach Wilhelmshaven transportiert wird. Von dort solle das CO2 zunächst per Schiff und später per Pipeline in die norwegische und dänische Nordsee transportiert werden, wo es dauerhaften in porösen Gesteinsformationen gelagert werden soll. Erste Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie sollen in diesem Jahr vorliegen.

Nach Informationen der SDN ist eine rund 900 Kilometer lange Pipeline durch die Nordsee nach Norwegen geplant, die noch vor 2032 in Betrieb gehen solle und jährlich mit 20 bis 40 Millionen Tonnen CO2 etwa 20 Prozent der gesamten deutschen Industrieemissionen transportieren könne. „Der Bau neuer Unterwasser-Pipelines würde die Nordsee mit Flächenverbrauch, Lärmbelastung sowie Leckagengefahr noch ein Stück mehr zum lebensfeindlichen Industriegebiet degradieren,“ so SDN-Vorsitzender Wagner.