Von Gerd Abeldt
Der Gemeinderat steht vor einem Dilemma. Das Baurecht in Horumersiel soll den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden. Ein überaus schwieriges Unterfangen, bei dem es – so oder so – Verlierer geben wird.
Zu den Aufgaben eines Gemeinderates gehört es, den Flächennutzungsplan für das Wangerland aufzustellen und daraus konkrete Bebauungspläne für Orte, Ortsteile oder auch einzelne Grundstücke zu entwickelt. Neben dem politischen Willen müssen dabei die rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet werden, die Land und Bund vorgeben.
Im Zuge der Entwicklung des Gemeindentwicklungskonzepts (GEK) ist offenkundig geworden, was viele Einheimische schon längst wussten. Horumersiel hat sich in weiten Teilen anders entwickelt, als es die mehrere Jahrzehnte alten Bebauungspläne einmal vorgesehen haben. Mit den touristischen Aufschwung stieg die Zahl der Ferienwohnungen sprunghaft. Aus Einliegerwohnungen, in denen im Sommer Gäste ein Quartier fanden, wurden regelrechte Ferienhaus-Komplexe.
Der Charakter ganzer Straßenzüge hat sich dadurch verändert. Und das unter den Augen der Gemeinde und der gemeindeeigenen Wangerland Touristik GmbH, die sich über steigende Gästezahlen, Kurbeiträge und Umsätze in den Geschäften und Lokalen vor Ort freuten. Treiber der Entwicklung waren sicher auch gewiefte Investoren und Hauseigentümer (oder deren Erbe), die ihre Immobile zum Höchstpreis vermarkten wollten.
Beim touristischen Aufschwung gab es viele Gewinner, aber auch Verlierer. Etwa Horumersieler in „Reinen Wohngebieten“, die plötzlich nur noch Urlauber als Nachbarn hatten – tägliche Grillparty auf dem Balkon inklusive. Zu den Verlierern gehörten auch Hauseigentümer und Investoren, die sich bei ihren Planungen an geltendes Recht gehalten haben.Im Gegensatz zu anderen, die die Vorschriften des örtlichen Baurechts entweder nicht kannten oder sie bewusst ausblendeten. Allerdings: Über etliche Jahre störte sich offenbar auch keine Behörde an derartigen Praktiken.
Unter dem Strich passen heute in einigen Straßenzügen die Nutzung der Gebäude und das örtliche Baurecht nicht mehr zusammen. Wer nicht-genehmigte Ferienwohnungen betreibt, muss im schlimmsten Fall damit rechnen, dass ihm die Vermietung untersagt wird.
Der Gemeinderat will jetzt die vorhandenen Ferienwohnungen rechtlich absichern und gleichzeitig das Dauerwohnen in Horumersiel stärken. Praktisch heißt das: Die mehr oder weniger dreisten Verstöße gegen das geltende Baurecht der Vergangenheit sollen legalisiert werden. Das ist nicht mit jedermanns Unrechts-Empfinden vereinbar. Zumal es neben vielen lukrativen Feriendomizilen kaum noch bezahlbaren Wohnraum für Horumersieler gibt – oder auch für Bürger, die das gern werden würden. Zum Beispiel Mitarbeiter im örtlichen Gewerbe.
Aber was wäre die Alternative? Das Verbot der Nutzung Hunderte über Jahre geduldeter, um Teil sogar begrüßter Ferienwohnungen? Der finanzielle Schaden für die direkt Betroffenen wäre enorm. Aber auch der gesamte Ort würde leiden. Schließlich lebt Horumersiel heute mehr denn je vom Tourismus. Und dessen Rückgrat sind Ferienwohnungen.
Vielleicht kann eine Anleihe im Strafrecht einen Weg aus dem Dilemma weisen. Dort gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, Gewinne abzuschöpfen, die durch illegale Praktiken erzielt wurden. Mein Vorschlag: Eine finanzielle Sonder-Abgabe für in der Vergangenheit zu unrecht betriebene, künftig aber legale Ferienwohnungen.
So etwas gibt es nicht? Macht nichts! Im Wangerland nehmen wir es ja offenbar mit dem Recht doch ohnehin nicht so genau. Aber zumindest wäre damit der Verdacht entkräftet, dass Dreistigkeit am Ende immer siegt.
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