Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Tolles Wattrettungsgerät – aber niemand will es für Friesland haben

Wangerland (29. 8. 2025) – März 2022. Alarm im Wattenmeer vor Schillig. Ein Trabrennfahrer steckt mit seinem Sulky etwa zwei Kilometer vom Festland entfernt im Schlick fest. Der Fahrer alarmiert per Handy die Rettungskette und löst das Sulky vom Pferd, das bereits bis zur Brust in den Schlamm eingesackt ist. Und das bei auflaufendem Wasser. Der Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Die Feuerwehr in Büsum (Schleswig-Holstein) hat mit dem Wattrettungs-Fahrzeug Argo beste Erfahrungen gemacht. Nach Überzeugung von Immo Müller wäre das Gerät auch geeignet, die Rettungslücke im niedersächsischen Wattenmeer zu schließen. Foto: privat

„Ich habe am eigenen Leib erfahren, was es heißt, wenn man im Watt feststeckt und niemand kommt“, sagt Immo Müller, Ratsherr der Gemeinde Wangerland und begeisterter Trabrennfahrer. Seit Jahrzehnten trainiert seine Familie schon Traber im Watt. Bislang ist immer alles gut gegangen. „Aber hier gibt es eine echte Sicherheitslücke“, so Müller. „Die DLRG kümmert sich um in Not geratene Schwimmer, die DGzRS um Schiffbrüchige auf See und die Feuerwehr um Notlagen an Land. Und was ist im Watt? Die Lücke sollte unbedingt geschlossen werden.“

Zuständigkeit liegt beim Land

Das Wattenmeer ist ein kompliziertes Gebilde. Mal Land, mal Wasser. Juristisch stellt sich die Frage, wer hier eigentlich für Rettungseinsätze zuständig ist. Formal ist es das Land Niedersachsen, wie das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung auf Nachfrage von „Hooksiel-life“ bestätigt.

Konkret geht es um den schmalen Streifen Wattenmeer zwischen der Mittleren Tide Hochwasserlinie (MTHW) bis zur Brandungszone. „In den ursprünglich gemeindefreien Gebieten obliegen dem Land Niedersachsen unter anderem die Aufgaben des abwehrenden Brandschutzes und der Hilfeleistung“, heißt es in der Stellungnahme des Ministerium. „Diese Aufgabe kann jedoch durch eine Vereinbarung den Kommunen übertragen werden.“

In der Praxis seien bislang in Zweifelsfällen schon immer alle angrenzend zuständigen Einheiten mitalarmiert und eingesetzt worden. Also im Fall einer Notlage im Watt vor Schillig die Freiwillige Feuerwehr Minsen, die DLRG, die DGzRS. Zum Teil hinterließ das ein ungutes Gefühl bei den Beteiligten. Wer sorgt für die wattspezifische Ausrüstung der Helfer? Wer kommt bei Verletzungen auf, die zum Beispiel einem Feuerwehrmann widerfahren, wenn er außerhalb des Gemeindegebietes agiert?

Pilotversuch mit der Gemeinde Wangerland

Aktuell steht eine Vereinbarung über einen auf zwei Jahre angelegten Pilotversuch zwischen dem Niedersächsischen Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz und der Gemeinde Wangerland vor der Unterzeichnung. 2004 und 2025 sind dazu etliche Vorgespräche geführt worden. Mündlich sei man sich inzwischen einig, sagt Markus Gellert, Ordnungsamtsleiter der Gemeinde Wangerland.

Der Vereinbarungsentwurf liegt der Gemeinde vor. Darin soll die Aufgabenübertragung der „Wattrettung durch die Freiwillige Feuerwehr an die Gemeinde Wangerland“ vereinbart werden. Ziel ist aus Sicht des Landes auch, „gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr Wangerland Einsatzkonzepte und Ausrüstung für die Durchführung der Wattrettung zu erproben“. Das Land sei bereit, sich im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel auch an den Kosten für eine ergänzende Ausstattung der Feuerwehrleute zu beteiligen.

Vorbild: Feuerwehr in Büsum

Allerdings, so Gellert, habe das Land eines schon vorab klargestellt: Der Ankauf eines von Immo Müller angebotenen Wattrettungs-Fahrzeuges komme nicht in Frage. Müller findet das sehr bedauerlich. Nach seiner Havarie im Watt habe er sich nach geeignetem Rettungsgerät umgesehen. Dabei sei er auf einen Beitrag der Feuerwehr Büsum gestoßen, die mit einem Wattrettungsfahrzeug der Marke „Argo“ ausgestattet ist, das schon etliche erfolgreiche Einsätze hinter sich hat.

Müller (Foto) entdeckte per Zufall in Österreich ein entsprechendes, neuwertiges Fahrzeug. Kaufpreis 21.000 statt 40.000 Euro. Der Wangerländer kaufte das Gerät und stellte es bereits in den vergangenen Monaten der Feuerwehr Minsen für Übungszwecke zur Verfügung. Der Eindruck dort: Bestens geeignet.

Nach Müllers Vorstellungen hätte die Wangerland Touristik GmbH (Slogan: „Sicherer Urlaub am Watt“), die Gemeinde oder der Landkreis das Gerät für deutlich unter 20.000 Euro übernehmen und im Wangerländer Watt einsetzen können. Er selbst hätte sich mit einer Spende beteiligt. 

Wattschlitten als Alternative?

Seit der Insolvenz der WTG sei damit aber nicht mehr zu rechnen. Zumal die Gemeide auch klamm ist und der Landkreis Friesland sich nur für bedingt zuständig hält. Wie Landrat Sven Ambrosy in einem Schreiben an Müller ausführt, sei der Landkreis in den wassergebundenen Rettungsdienst über die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) eingebunden, für die man kürzlich drei Rettungsschlitten beschafft habe. „Ein Wattrettungsgerät, sie sie es erworben haben, benötigt der Landkreis Friesland deswegen nicht“, schreibt Ambrosy, der zudem auf formale Schwierigkeiten wie Fragen der Wartung und die fehlende Ausschreibung verweist.

Das schwimmfähige Wattmobil , das Immo Müller erworben hat, steht mit aufgezogenen Ketten bei der Feuerwehr Minsen. Foto: privat

Müller hat Zweifel, ob die Wattschlitten der DLRG seinem Pferd oder einer im Watt feststeckenden Personen wirklich helfen können. „Der Argo ist mit Ketten ausgestattet und schwimmfähig, ist schnell unterwegs, hat eine gehörige Zugkraft und kann Verletzte durchs Watt transportieren.“ Der Verzicht auf den Ankauf des Geräts ist aus seiner Sicht eine vertane Chance, die Sicherheitslücke im Watt zu schließen.

Traber im Glück

Nicht jeder in Not geratene Wattwanderer dürfte so viel Glück haben, wie Müller selbst im März 2022. Das stetig steigende Wasser hatte den Kopf des Pferdes bereits erreicht – und damit wohl auch für einen gewissen Auftrieb gesorgt. Dem ausgebildeten Tierarzt gelang es, seinen Traber zu beruhigen und zu einem letzten Rettungsversuch zu motivieren. Mit Erfolg. Der Vierbeiner schaffte es, sich allein aus dem schlammigen Untergrund zu befreien. Auf dem Weg zum Strand kamen Pferd und Sulkyfahrer dann die Feuerwehrleute entgegen – zu Fuß.

Kommentare sind deaktiviert.