Hooksiel (18. 12. 2023) – Wangerländer können Platt. Wenn auch nicht aktiv sprechen, so doch zumindest verstehen. Einen Beleg dafür gab es bei der humoristischen Lesung „Advent op Platt“ am Sonntagabend im Hooksieler Gästehaus. Die 80 Zuhörer hatten gehörig zu lachen. Und sie lachten an den richtigen Stellen. Die meisten jedenfalls.
Auf der Bühne warfen sich die Wangerländer Urgesteine Wieland Rosenboom und Frank Hensel sprachlich die Bälle zu. Der Platt-Profi Wieland aus Horumersiel und sein Lehrling Frank, trugen Gedichte vor, erzählten Anekdoten und Witze, von denen viele etwas mit dem Leben im Wangerland, an der Küste, zu tun hatten. Teils historisch verbrieft, teils erfunden – aber allesamt komisch.
Wieland Rosenboom strahle in seiner Rolle als Heimatkenner und textsicherer Erzähler, Frank Hensel übernahm die Rolle des Übersetzers ins Hochdeutsche. Schwierig wurde es für ihn immer dann, wenn er von seinem Co-Akteur handschriftlich verfasste, plattdeutsche Texte vorlesen sollte. Der prompte Rüffel von Rosenboom: „Wenn du weiter so stammelst, erzähl ich die Geschichten lieber selbst.“ Konter von Hensel: „Ich glaube, du hast den Text in Sütterlin geschrieben.“
Durch den Abend zogen sich Gedichte von Rudolf Kienau aus Finkenwerder sowie Lebenserinnerungen von Eduard Ohmstede, der ebenfalls ein Wangerländer Original war. Seine Aufzeichnungen hat Wieland Rosenboom aufbereitet. Es gab Adventliches und Witziges, wie die Geschichte von den beiden Bauern, die sich wundern, dass die Pracht-Kuh des einen von dem strammen Bullen des anderen nichts wissen will. „Kommt deine Kuh aus Cloppenburg?“ – „Jo, woher weist du das?“ – „Na ja, meine Frau auch.“
Das Platt-Duo erzählte von der Entstehungsgeschichte der Kirche in St. Joost, die angeblich Bremer Kaufleute erbauen ließen, nachdem ihnen aus Seenot geholfen worden war. Und von Zigeunern, die früher regelmäßig in Hundsdorf (am heutigen Hohenstiefersiel) ihr Lager aufschlugen und dann umzu ihre Waren anboten.
Und von den vorweihnachtlichen Bootsfahrten des Gewerbevereins Horumersiel nach Oldeoog. Häufig durch Packeis. Mit dabei Mutter Winter, „MuWi“ genannt, wie Wieland Rosenboom sich erinnerte. Der Aufenthalt im vom Zigarrenrauch geschwängerten Fahrgastraum des Schiffes bekam ihr gar nicht gut. Aber die beiden Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrsamtes, ein Hausmeister und ein Lokführer, auf dem ansonsten unbewohnten Strombauwerk hätten sich stets gehörig über den Besuch vom Festland gefreut. Und für manch einen Wangerländer war die Fahrt mit der Schmalspurbahn vom Anleger zum Quartier auf Oldeoog seine erste Begegnung mit der Eisenbahn.
Die zweite Auflage der von der Wangerland Touristik GmbH ausgerichteten Lesung „Advent op Platt“ war unterhaltsam, humorvoll und diente wie die Premiere vor einem Jahr einem guten Zweck. Der Eintritt war frei. Die Plattschnacker verzichteten auf eine Gage. Erbetene Spenden sowie der Erlös aus dem Verkauf von Glühwein und Punsch kommen dem Ehrenamt im Wangerland zugute.