Landkreis: Verbote würden Existenz der Krabbenfischer gefährden

Hooksiel/Wilhelmshaven/Friesland (24. 4. 2023) – Der Kreisausschuss des Landkreises Friesland und auch der Toursmus-Marketingverband Die Nordsee lehnen Pläne der EU-Kommission ab, die gravierende Einschränkungen für die Küstenfischerei bedeuten könnten. Insbesondere ein Verbot der grundberührenden Fischerei würden einem Berufsverbot gleichen, heißt es in einer Erklärung des Landkreises.

Der Resolution des Kreisausschusses geht an die Mitglieder des Europäischen Parlaments, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), die Bundesumweltministerin Steffi Lemke (SPD), den niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) sowie seine Kabinettskollgen, Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) und Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und des Weiteren an alle Landtags- und Bundestagsabgeordnete, die für den Landkreis Friesland zuständig sind.

Maßnahmen kämen einem Berufsverbot gleich

Stoßrichtung ist es, das von der EU-Kommission geplante Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Fischerei- und Aquakultursektors abzuwehren. Es würde zu gravierenden Einschränkungen der Küstenfischerei führen. „Insbesondere die Forderung, schrittweise die grundberührende Fischerei zu untersagen würden den Fischern die wirtschaftliche Existenzgrundlage entziehen“, heißt es in der Resolution. „Sollte das Fangen mit Grundschleppnetzen in Meeresschutzgebieten verboten werden, käme dies einem Berufsverbot gleich, denn Krabben und Muscheln leben nunmal am Meeresboden und lassen sich nur dort fangen.“

Die Küstenfischerei sei generationsübergreifend fester und unverzichtbarer Bestandteil der wirtschaftlichen, aber auch touristischen Infrastruktur im Landkreis Friesland. Und weiter: „Für alle Generationen war und ist es völlig normal und ein Heimatgefühl, dass hier vor der Haustür gefischt wird. Jahr für Jahr sind vor allem die Krabbenfischer Magnet der Touristen, aber auch der einheimischen Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Friesland. Nicht zu vernachlässigen sind daneben auch die vielen Arbeitsplätze in und für die Region.“

Einfluss auf den Meeresboden nur minimal

Auch der Landkreis Friesland stehe für eine nachhaltige Krabben- und Muschelfischerei. Es sei aber äußerst zweifelhaft, ob die geplanten Einschränkungen der Fischerei Erfolg hätten. Die Fischerei selbst habe bereits im eigenen Interesse hart daran gearbeitet, ihren Einfluss auf die Meeresumwelt größtmöglich zu minimieren. Schon heute würden die lediglich über den Meeresboden rollenden Grundschleppnetze nur kurzfristig Einfluss auf die Meeresbodenstruktur nehmen.

Hooksieler Fischer
Auch die Hooksieler Krabbenfischer protestierten gegen die Überlegungen zum Verbot des Einsatzes von Grundschlepnetzen. Foto: hol

Der Landkreis fordert von der EU-Kommission, den eingeschlagenen Weg zu stoppen. „Die Kommission muss begreifen, dass die Küstenfischerei ein unverzichtbarer Bestandteil der Landeskultur in der Küstenregion ist.“ Die Küstenfischerei brauche in Deutschland und im Landkreis Friesland eine echte Perspektive statt ständiger Nackenschläge und Bedrohungen durch die EU.

Die Nordsee GmbH, die touristische Marketingorganisation für die nordwestdeutsche Küstenregion, begrüßt, dass die EU-Kommission offenbar nach Protesten bereits wieder zurückrudert. Wie der NDR berichtet, habe eine Sprecherin der EU-Kommission ein Verbot von Grundschleppnetzen dementiert. So sei auch kein Gesetzentwurf für das Europaparlament in Vorbereitung. 

„Wir freuen uns, dass nun Bewegung ins Spiel gekommen ist. Ein Verbot der Grundschleppnetze würde das Bild unserer geliebten Nordseeküste verändern: Die romantischen Kutterhäfen würden veröden und wir verlieren mit dem Krabbenbrötchen eine geliebte nordische Lebensart“, sagt Sonja Janßen, Geschäftsführerin der Die Nordsee GmbH mit Sitz in Wilhelmshaven.

Solidaritäts-Shirt soll Fischern helfen

Um auf die bedrohende Situation der Fischerei aufmerksam zu machen und sich solidarisch zu zeigen, hat die Die Nordsee GmbH ein Soli-Shirt auf den Markt gebracht. Der Gewinn wird dem Verband der Deutschen Kutter- und Küstenfischer e.V. in Hamburg zur Rettung des Krabbenbrötchens und der Krabbenfischerei zur Verfügung gestellt. Die Soli-Aktion ist zeitlich begrenzt und läuft noch bis zum 20. Mai.

Die Nordsee GmbH gibt es seit 1998. Der Zusammenschluss aus sieben Küstenorten, zwei maritimen Städten und einem Fährbetrieb hat es sich zur Aufgabe gemacht, die niedersächsische Nordsee als Reiseziel für sicheres Abenteuer innerhalb Deutschlands und Destination für verantwortungsvolle und gesundheitsbewusste Urlauber zu etablieren. Zu den Partner gehören unter anderem auch die Wangerland Touristik GmbH und die Wilhelmshaven Touristik & Freizeit GmbH. Mit 16 Millionen Übernachtungen zählt die Urlaubsregion der niedersächsischen Nordsee zu den beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands. 

Können digitale Sensoren die Urlauber wirklich steuern?

Strand Hooksiel
Bei leicht bedecktem Himmel ist am Strand von Hooksiel immer ein Plätzchen frei.Foto: Bildwerfer-Fotografie

Hooksiel/Wilhelmshaven (8.12.2022) – Das „digitale Besuchermanagement-System“ ist ein Erfolg. Davon jedenfalls ist der Tourismus-Dachorganisation „Die Nordsee GmbH“ mit Sitz in Wilhelmshaven überzeugt, die für die Urlaubsdestinationen an der niedersächsischen Nordseeküste agiert. Seit Mai dieses Jahres werden in Butjadingen, Wangerland und Wilhelmshaven mittels Sensoren Bewegungsdaten gesammelt, um Informationen zur Auslastung etwa von Stränden, Parkplätzen oder Freizeiteinrichtungen ausspielen zu können.

Gäste können auf den Internetseiten der Destinationen, über einen digitalen Reiseführer (Web-App) oder an digitale Informationsstelen in den Orten die jeweilige Auslastung ihres Ziels erkunden. Als Wegweiser fungiert ein Ampelsystem. Leuchtet die Ampel rot und die Auslastungsgrenze ist erreicht, werden den Gästen Alternativen angezeigt. 

„Die Nordsee“ sieht den Erfolg des Systems durch erst Zahlen belegt. „Seitdem die Auslastungsanzeigen in Butjadingen und Wangerland online sind, ist die Website-Nutzung der Orte bis zu 300 Prozent gestiegen“, heißt es. Allein die entsprechende Seite der Wangerland Touristik habe in den vergangenen für Monaten über 200 000 verzeichnet.

„Die Zahlen belegen das, was wir vor Ort deutlich spüren: Seit Einführung des Systems verteilen sich die Gäste gleichmäßig auf die touristischen Points of Interest, die touristisch relevanten Angebote vor Ort. So können wir lange Wartezeiten oder volle Parkplätze für unsere Gäste vermeiden“, sagt Sonja Janßen, Geschäftsführerin der Die Nordsee GmbH. Ein weiterer erfreulicher Aspekt sei, dass vorher weniger besuchte Orte seit Start der Besucherlenkung ein deutlich höheres Besucheraufkommen zeigen würden. „Es ist genau das eingetreten, was wir uns erhofft haben, nämlich eine Entzerrung touristischer Hotspots und ein Durchbruch für bisher unentdeckte Ausflugsziele und reizvolle Landschaften abseits der Küste“. 

Skeptiker bezweifeln, ob die digitalen Sensoren wesentlich größere Erkenntnisse bringen als analoge Steuer-Mechanismen: Bei schönem Wetter sind die Strände voll (und zwar meist alle), bei bedecktem Wetter könnte es in Bädern und Museen eng werden. Ob sich die positiven Einschätzungen der „Nordsee GmbH“ zu den Möglichkeiten der Besucherlenkung dauerhaft bestätigen, bleibt abzuwarten.

Allerdings: Armin Kanning, Geschäftsführer der Wangerland Touristik GmbH, weist auf einen anderen Effekt des Besuchermanagement-Systems hin. „Das neue Gold sind Daten – auch im Tourismus, und vor allem in der Veranstaltungsplanung“, sagte Kanning im Gespräch mit „Hooksiel-life“. Die von den Sensoren erfassten Besucherdaten könnten auch für interne Auswertung und für Veranstaltungsplanungen genutzt werden. Funktioniert das „Schollenbraten im Watt“ auch bei Regen? Ist ein Konzert im Hinterland genau so attraktiv wie in einem Urlaubsort? Wie gut werden klassische Volksfeste überhaupt noch angenommen? Von mit Daten unterlegten Antworten auf derartige Fragen verspricht sich Kanning unter anderem Hinweise darauf, wie sich die Urlaubssaison an der Küste verlängern lässt.

Das Besuchsmanagement-System war Teil der „Digitalisierungsstrategie Corona für die niedersächsische Nordseeküste“, das mit knapp 1,3 Millionen Euro vom Land gefördert wurde. Zu dem Paket gehört auch die Einführung einer digitalen Gästekarte.