Hooksiel (1. 9. 2023) – Das Kratzen im Hals begann an einem Sonntagabend. Am Montag kamen Halsschmerzen und ein Gefühl der Müdigkeit hinzu. Dann leichtes Fieber und, am Dienstag, Gliederschmerzen am ganzen Körper. Was ist das?
Corona? Gibt es das überhaupt noch? Ja, gibt es noch, wie ein Blick auf den zweiten, deutlich erkennbaren Strich des Selbsttests beweist. Corona, im Sommer? Ach ja, da war ja die große Feier am vergangenen Wochenende. Über Hundert Menschen in einem Zelt. Ideale Ausbreitungsbedingungen für das Virus.
Offiziell nur 15 Fälle in Friesland
Traut man den offiziellen Zahlen, bin ich eine Ausnahme. Nach Angaben des Landkreises Friesland wurden von Ende Juli bis zum 23. August beim Gesundheitsamt in Jever nur 15 durch einen PCR-Test bestätigte Neuinfektionen mit dem Corona-Virus gemeldet. 15 Fälle, die der Landkreis ans Robert-Koch-Institut (RKI) meldet. Mein Fall ist nicht dabei. Ich habe in der Hoffnung auf einen „leichten Verlauf“ keinen PCR-Test machen lassen.
15 Fälle. Eine Zahl, die eher dokumentiert, wie wenige Menschen mit Corona-Symptomen noch zum Arzt gehen, die aber mit der tatsächlichen Lage wenig zu tun haben dürfe. 15 Corona-Kranke konnte ich nach der Feier schon namentlich aufzählen. Viele verzichteten nach zwei oder drei Impfungen und einer bereits überstanden Covid-19-Infektion sogar auf einen Schnelltest, kaum jemand ging mit leichten Beschwerden zum Arzt.
Keine Pflicht zur Isolation
Eine Pflicht zur Isolation gibt es ja ohnehin nicht mehr. Im Bundesgesundheitsministerium setzt man hingegen auf den gesunden Menschenverstand. „Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben und Kontakte vermeiden“, sagt ein Sprecher. Grundsätzlich appelliere man daran, sich bei Erkältungssymptomen testen zu lassen, das sei aber die Verantwortung der einzelnen Person.
Das Virus ist da, auch wenn das kaum jemand wissen will. Schließlich gibt es ja genug andere Probleme in diesen Wochen. Krieg, Inflation, Rezession. Eine erneute Pandemie? Wieder Lockdowns? Das können wir uns gar nicht leisten. Aber, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß: „Es gibt wieder höhere Infektionszahlen, es gibt auch wieder mehr Covid-positiv getestete Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen.“ Noch lägen die gemeldeten Zahlen auf einem niedrigen Niveau. Von einer Infektionswelle könne man (noch) nicht reden.
Dreifach Geimpfte brauchen in der Regel keine Auffrischung
„Alle Personen zwischen 18 und 59 Jahren sollen über eine Basisimmunität gegen SARS-CoV-2 verfügen. Das heißt: Sie sollten drei immunologische Ereignisse durchgemacht haben – davon mindestens zwei Impfungen. Das dritte Ereignis kann entweder eine Impfung oder eine Infektion mit dem Coronavirus sein“, rät das Gesundheitsamt Friesland auf Anfrage von „Hooksiel-Life“.
In beiden Fällen komme das Immunsystem mit dem Erreger in Kontakt und lerne, sich gegen ihn zu verteidigen. „Wer dreimal gegen Covid-19 geimpft ist, braucht danach keine weiteren Impfungen“, so das Gesundheitsamt. Und weiter: „Gesunden Erwachsenen bis 59 Jahren und Schwangeren werden also keine weiteren Auffrischimpfungen empfohlen – sie sollten aber die Basis-Immunität erreicht haben.“
Anders verhalte es sich bei über 60-Jährigen und bei Angehörigen von Risikogruppen. Und den Ungeimpften. Insgesamt etliche Millionen Menschen. Diese Personen könnten weiterhin, wenn sie in Kontakt mit dem Coronavirus kommt, schwer erkranken. Dazu gehörten zum Beispiel Menschen in Alten- und Pflegeheimen, Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Trisomie 21 und Menschen mit einem geschwächtem Immunsystem.
Hier empfehle die Ständige Impfkommission (Stiko) alle zwölf Monate eine Booster-Impfung, vorzugsweise im Herbst. „Die Empfehlung gilt auch für Menschen, die in Medizin und Pflege arbeiten und dadurch ein erhöhtes Infektionsrisiko haben“, ergänzt das Gesundheitsamt.
Mit „Variante von Interesse“ in den Herbst
Entwarnung hört sich anders an. Zumal neue Covid-Varianten unterwegs sind – und der Herbst erst noch kommt. Das RKI meldet bereits seit einigen Wochen steigende Zahlen von nachgewiesenen Corona-Fällen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) stuft die neue Omikron-Mutation EG.5.1. als „Variante von Interesse“ ein. Ihr offizieller Name „Eris“.
Vermutlich habe ich Eris kennengelernt. Ich lag mit ihr einen Tag im Bett. Nach den Gliederscherzen habe ich von ihr nur noch wenig gesehen. Nach sieben Tagen war auch der zweite Strich auf dem Selbsttest wieder verschwunden. Eris hat mich verlassen – auf der Suche nach anderen, bei denen sie vielleicht mehr Schaden anrichten kann. Also aufgepasst. Der Herbst kommt noch. Und „Eris“ bleibt da.