Wenn zivile Beamte entscheiden, womit die Soldaten kämpfen sollen …

Hooksiel (16. 5. 2024) – Die „Bremen“ war sein Schicksal. Die Zeit als Kommandant der nach der Hansestadt benannten Fregatte war für Kapitän zur See a.D. Jan Donker die schönste Zeit in seiner Marinelaufbahn. Bei allem Respekt vor der Größe der Aufgabe und der Verantwortung für über 200 Leute.

Jan Donker

Donker (Foto) ist seit dreieinhalb Jahren in Ruhestand. Dennoch ist er der Marine, bei aller Kritik an manchen Entwicklungen, nach 42 Dienstjahren noch eng verbunden. Vor dem Männerkreis der ev.-luth. Kirchengemeinde Wangerland hielt der Hooksieler jetzt einen informativen Vortrag. bereichert um seine „ganz private Meinung“. Der gebürtiger Ostfriese, der in Wilhelmshaven aufgewachsen ist, war der See früh verbunden. Wenn zunächst auch nur als Segler. Nach dem Abitur 1978 habe er eigentlich Mathelehrer werden wollen. Doch mit Blick auf die damalige „Lehrerschwemme“ und ein bezahltes Studium bei der Bundeswehr verpflichtete sich der junge Mann zunächst für zwölf Jahre bei der Marine. 

Abgesehen von einem Segeltörn für Offiziersanwärter mit dem Schulschiff „Gorch Fock“ und einiger Lehrgänge hatte der Student der Elektrotechnik die ersten sechs Jahre seiner Laufbahn kaum etwas mit der eigentlichen Truppe zu tun. „Wie hatten im Studium vielleicht einmal im Monat eine Uniform an“, erinnert sich Donker. Doch das solle sich schnell ändern.

Mit der Fregatte „Lübeck“ (Klasse F 120) ging es nach dem Abschluss des Studiums für fünf Monate auf See, unter anderem in den Indischen Ozean. Ein sportliches Unterfangen für ein Schiff, auf dem es Klimaanlagen lediglich für die Radaranlagen gab. „Um zumindest kühl erholen zu können, haben die hitzegeplagten Maschinisten bei uns in der Operationszentrale auf dem Boden geschlafen.“

Quanten-Sprung in der Marine

Ein Quanten-Sprung für die Bundesmarine sei die Einführung der Schiffe der „Bremen-Klasse“ gewesen. Nicht nur mit Blick auf die Arbeitsbedingungen der Besatzungen. Die militärische Leistungsfähigkeit der Schiffe im Vergleich zu Schiffen der Nachkriegszeit sei einem wie der Übergang vom Einbaum zum Raumschiff-Galaktika vorgekommen. Donker zeigte sich überzeugt, dass es der deutschen Marine wähend des Kalten Krieges im Fall einer Konfrontation gelungen wäre, gemäß ihres Nato-Auftrages die Ostsee komplett abzuriegeln.

Dann kam 1990 die Wende, die Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes. In Deutschland wuchs der Glaube an den ewigen Frieden. Als „Friedensdividende“ wurde die Bundeswehr deutlich verkleinert und die Wehrpflicht ausgesetzt. Dem schloss sich eine Phase der „Transformation“ an, bei der es aus Sicht von Donker auch eine Reihe von Fehlentwicklungen gegeben hat. „Ich hoffe, dass der Ukraine-Krieg jetzt ein Weckruf ist. Wer schlau ist, der behält seine Feuerwehr, auch wenn es eine Zeit lang nicht gebrannt hat.“

Verantwortlichkeiten verschleiert

Die Schlagkraft der Marine hat sich deutlich verringert. Die Organisation der Bundeswehr wurde reformiert, die Zahl der Schnittstellen vervielfacht und Verantwortlichkeiten verschleiert. schwimmenden Einheiten verringert. Nicht bei jeder Reform stand dabei aus Sicht von Donker die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte im Fokus. „Alle machen alles richtig, doch lässt das Ergebnis meist zu wünschen übrig.“

Der Kapitän zur See a. D. war nach seiner Zeit als Kommandant der „Bremen“ (2003-2005) und im Verteidigungsministerium als Systemingenieur und Abteilungsleiter im ehemaligen Marineamt und im Marineunterstützungskommando (MuKdo) eingesetzt. Unter anderem trug er Verantwortung für sämtliche Waffen, Flugköper und Einsatzsysteme der Marine und war für diese Belange auf Nato-Ebene für Deutschland zuständig. 

Marine-Angehörige werden zu Taxifahrer

Ein Kritikpunkt: Viele Beschaffungen aus dem Wehretat orientieren sich nicht an den Bedürfnissen der Streitkräfte, sondern sind verkappte Wirtschaftsförderung für Rüstungskonzerne. Dabei werde bewusst darauf verzichtet, die militärische Kompetenz der Soldaten zu berücksichtigen. Rüstungsentscheidungen fällen in Deutschland zivile Beamte, vornehmlich im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz. „Angehörige der Marine werden dadurch zu einer Art Taxifahrer für Kriegsschiffe degradiert“, so Donker. 

Aber, so räumt der Marine-Offizier ein, Bürokratie-Blüten hat es auch schon früher gegeben. Er selbst musste das am 3. Oktober 1990 auf einem Nato-Sitzung erfahren. Deutschland feierte die Wiedervereinigung und die Bündnispartner stießen darauf bei einem offiziellen Dinner kräftig an – selbstverständlich auf Kosten des deutschen Vertreter. Als der die Rechnung von über 500 D-Mark später bei der Spesenstelle einreichen wollte, wurde der Antrag abgelehnt. „Haben Sie die Ausgabe zwei Jahre vorher angemeldet?“ 

Linie statt Klasse

Mit Blick auf den aktuellen Einsatz der Fregatte „Hessen“ im Roten Meer verdeutlichte Donker die Leistungsfähigkeit der deutschen Kampfschiffe, von denen es in jeder Klasse zu wenig Stückzahlen gibt, als dass eine Indiensthaltung über die üblichen 30 Jahre wirtschaftlich machbar erscheint . „Linie statt Klasse“ sei die Lösung für Waffensysteme und Schiffe, rät Donker. Das heiße Weiterentwicklung und Modernisierung  einer  Entwicklungslinie in gesetzten Zeitabständen und -nicht wie aktuell eine Diversifizierung nach Marktlage deutscher oder europäischer Großindustrie.

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine entgegen dem Völkerrecht sei ein Rückfall in Zeiten sogar jenseits des Kalten Krieges. Entsprechend müssten Deutschland und die Nato reagieren und ihre Wehr- und Abschreckungsfähigkeit wieder auf einen bewährten Stand bringen. Donker appelliert an die Politik dabei auf die Expertise von Fachleuten in den Teilstreitkräften zu setzen. Die Devise müsse wieder, wie vor 1990 erfolgreich praktiziert, lauten: „Soldaten fordern und Verwaltung führt im Rahmen der verfügbaren Steuermittel aus.“