Zwei Jahre Flüchtlingscamp – dann sollen die Urlauber zurückkehren

Dorf Wangerland
Großes Interesse gab es an den Informationen zum Flüchtlingscamp. Foto: hol

Wangerland (24. 3. 2023) – Das „Dorf Wangerland“ wird ab dem 1. April nach und nach mit Flüchtlingen belegt. Wie Klaus Dierker, Leiter der Landesaufnahmebehörde (LAB), heute Abend auf einer Bürger-Informationsveranstaltung in der Hotelanlage in Hohenkirchen sagte, sollen künftig in der Außenstelle des LAB-Standortes Oldenburg bis zu 400, im Bedarfsfall auch 500 Asylsuchende untergebracht werden, die nach ihrem Asylantrag auf eine Zuweisung in eine Kommune im Land Niedersachsen warten.

Wangerlands Bürgermeister Mario Szlezak begrüßte zusammen mit Landrat Sven Ambrosy rund 400 Bürger, die sich informieren, ihre Sorgen zum Ausdruck oder auch Hilfe anbieten wollten. Neben Dierker standen Sven Wietusch, Leiter des LAB-Standortes Oldenburg und Heiko von Deetzen als Leiter der Polizeiinspektion Wilhelmshaven-Friesland Rede und Antwort.

Ins „Dorf Wangerland“ kommen keine Ukrainer

Das „Dorf Wangerland“ soll nach den Worten von Dierker genau zwei Jahre lang, bis zum 30. März 2025, als zentrale Flüchlingsaufnahme vor allem für Familien aus Syrien, der Türkei, Afghanistan und Kolumbien genutzt werden. Flüchtlinge aus der Ukraine würden vorerst nicht ins Wangerland kommen, da Niedersachsen sein Aufnahmekontingent bereits übererfüllt habe. Sprunghaft gestiegen sei in den ersten Wochen dieses Jahres aber die Zahl der Menschen, die auf der Suche nach einer sicheren Zuflucht über das Mittelmeer kommen. Statt 6379 im Vergleichszeitraum 2022 wurden in diesem Jahr schon 20 634 Flüchtlinge gezählt.

Podium Dorf Wangerland
Bürgermeister Mario Szlezak (rechts) moderierte die Informationsveranstaltung in der Eventhalle des Dorf Wangerland. Auf dem Podium (v. l.): Landrat Sven Ambrosy, Sven Wietusch und Klaus Dierker von der Landesaufnahmebehörde sowie Polizei-Inspektionsleiter Heiko von Deetzen. Foto: hol

Dierker schilderte den dramatischen Bedarf an menschenwürdigen Unterkünften. Derzeit seien zum Beispiel 2000 Menschen in den Messehallen in Hannover eingepfercht. Der Appell des Landes an die Kommunen, Unterkünfte zu melden, habe nicht gefruchtet. So sei man auf das „Dorf Wangerland“ gekommen, das bereits 2015 einmal als Flüchtlingsunterkunft im Gespräch gewesen sei. Mit Blick auf die sehr guten Wohnverhältnisse, so Dierker, wolle man vor allem Familien mit Kindern aus den überbelegten Massenquartieren herausholen und ins Wangerland bringen.

Die Betreuung der Flüchtlinge werde durch externe Dienstleister erfolgen. Die Kinder sind nicht schulpflichtig, sollen aber im Camp auf die Schule vorbereitet werden. Pädagogen dafür wolle man über die Volkshochschule gewinnen. Dierker kündigte an, dass im „Dorf Wangerland“ eine Sanitätsstation eingerichtet wird. In Hohenkirchen sollen Integrationslotsen des Landes als Ansprechpartner und Konfliktlöser zur Verfügung stehen. 

Polizei will in Hohenkirchen besonders achtsam sein

Mit einer starken Zunahme von Gewalt und Kriminalität oder religiös motivierten Konflikten im Umfeld des Flüchtlingscamps rechnet Dierker ebenso wenig wie Polizeichef von Deetzen. „Wir werden die Polizeistation Wangerland personell stärken. Wir werden achtsam sein.“ Zudem solle ein Runder Tisch mit Vertretern der LAB, der Kommune und der Polizei eingerichtet werden, der auf etwaige Probleme umgehend reagieren kann. Eine Idee von Dierker: Damit es den Flüchtlingen im Camp Hohenkirchen nicht langweilig wird, könne ein Bus-Shuttle nach Jever eingerichtet werden.

Nachfrage einer Bürgerin: „Und wo ist der Bus für unserer Rentner aus Tettens und Waddewarden nach Jever?“ Antwort des LAB-Chefs: „Die können gern auch mit den Bussen mitfahren.“

„Ich freue mich, etwas Gutes tun zu können“

Eine Reihe von Bürgern signalisierte den Willen zur Unterstützung der Flüchtlinge. Migrationsberaterin Heide Grünefeld: „Da kommen Menschen wie du und ich. Wenn wir uns gegenseitig helfen, dann packen wir das.“ Der langjährige Ratsvorsitzende Johann Wilhelm Peters: „Ich stelle mir vor, ich wäre auf der Flucht. Ich würde mich freuen, wenn ich in einer Unterkunft wie das Dorf Wangerland aufgenommen würde. Ich bin stolz, dass ich ein Wangerländer bin und freue mich, dass ich etwas Gutes tun kann.“

Aber es gab auch andere Stimmen. Das Verhältnis von Flüchtlingen zu den nur 1800 Dorfbewohnern von 1:4 passe einfach nicht, beklagte ein Bürger. Andere machten sich Sorgen, dass der Tourismus im Wangerland Schaden nehmen könnte. Insbesondere in Hohenkirchen. Harald Koch, lange selbst Leiter des „Dorfes Wangerland“, bezweifelte, dass man nach zwei Jahren Flüchtlingsunterkunft den Hebel wieder einfach auf Tourismus umlegen kann. „Hier wird die Vorarbeit von 20 Jahren kaputt gemacht.“

Betreiber versprechen Investitionen in touristische Zukunft

Stephan Lütke Twehues, einer von vier Investoren, die die Hotelanlage vor einem Jahr übernommen haben und aktueller Geschäftsführer, hielt dem entgegen, dass die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft die Chance sei, Geld zu verdienen, um das „Dorf Wangerland“ nach zwei Jahren runderneuert als Tourismus-Standort auf den Markt zu bringen. Bei der Übernahme habe das „Dorf Wangerland“ mit 81 Mitarbeitern kurz vor der Insolvenz gestanden. Inzwischen sei schon viel investiert worden. Damit werde man in den nächsten beiden Jahren weiter machen. Aber, so Lütke Twehues: „Die Zimmer sind abgewohnt.“ Sie sollen jetzt, so das Versprechen der Betreiber, ab April 2025 innerhalb weniger Monate runderneuert werden – um dann neu als Urlaubsdestination durchstarten zu können.

Erwin Poth, Eigentümer eines Ferienhauses in Hohenkirchen, hat da so seine Zweifel. Bei ihm hätten jetzt die ersten Mieter angerufen und ihre Buchung stornieren wollen. „Sie haben gelesen, dass in Hohenkirchen ein Flüchtlingscamp entstehen soll.“ 

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