Flüsterstimme vom Bühnenrand: Topustersche als Helferin in der Not

Annette Hellkuhl und Marika Engelhardt
Annette Hellkuhl (links) und Marika Engelhardt gegen den Schauspielerinnen und Schauspielern der Theatergruppe Hooksiel die nötige Sicherheit. Im Notfall sind die Topusterschen zur Stelle. Foto: hol

Hooksiel (20. 12. 2024) – Die Premiere kann kommen! Die Bühne steht, die Kostüme passen, die Generalprobe ist gelaufen und der Text sitzt. Sitzt er wirklich? Bei jedem der Schauspielerinnen und Schauspieler der Theatergruppe Hooksiel? Trotz Lampenfieber? 

Und wenn nicht? Kein Problem. Für solche Fälle gibt es die „Topustersche“, eine Zuflüsterin, oder – etwas moderner – eine Souffleuse. Auf ihre Aufgaben als Helferinnen in der Not für das Stück „Operatschoon ,Hans im Glück’“ bereiten sich Annette Hellkuhl und Marika Engelhardt vor. Beide werden ab der Premiere am Freitag, 27. Dezember, im Wechsel bei den Aufführungen im Gästehaus in der ersten Reihe vor der Bühne sitzen, Zeile für Zeile den Text des Stückes mitlesen und zugleich Blickkontakt zu den Akteuren auf der Bühne halten.

„Wenn jemand den Text für seinen Einsatz vergessen hat, schaut er zu uns hin“, schildert Annette Hellkuhl im Gespräch mit „Hooksiel-life“ den Ablauf. „Wir helfen ihm dann weiter.“ Annette Hellkuhl, die selbst noch nie auf der Bühne gestanden hat, räumt ein, selbst auch ein wenig aufgeregt zu sein. Wie die Schauspieler bereiten sie und Marika Engelhardt sich seit etlichen Wochen auf die Aufführungen vor. 

Jede von Speelbaas Jan Gerjets in Absprach mit den Akteuren vorgenommene Kürzung oder Änderung im Original-Text des Stückes, im „Buch“, notieren sich die Souffleusen. „Es gibt nichts Schlimmeres als den Anschluss an das Geschehen auf der Bühne zu verlieren“, sagt Marika Engelhardt, die selbst über Jahre als Schauspielerin in dem plattdeutschen Theater aufgetreten ist. Die Gefahr besteht immer dann, wenn die Akteure – aus welchem Grund auch immer – plötzlich eine oder zwei Seiten im Buch überspringen. „Da muss man den Text selbst schon gut kennen, um wieder den Anschluss zu finden.“

Eine weitere Gefahr: Routinierte Schauspieler, die gut Plattdeutsch sprechen, würden dazu neigen, spontan eigene Texte zu entwickeln. Beispiele dafür, so erinnert sich Marika Engelhardt, seien in der Vergangenheit die Hooksieler-Originale Gerd Peters, Frank Langenhorst und Joachim Janßen gewesen. Der vorgegebene Text galt ihnen zeitweise nur als Anhaltspunkt für das Ziel eines Dialogs. „Das macht die Arbeit für die Topustersche nicht leichter.“

Im Hooksieler Gästehaus sitzen die Zuschauer sehr dicht an der Bühne. Und die Souffleuse mittendrin. Da kommt es schon mal vor, dass der Sitznachbar die Hilfestellung für die Schauspieler mithört. „Das lässt sich nicht vermeiden“, sagt Annette Hellkuhl. Es sei denn, die Topustersche wird ins Stück integriert. So habe Monika Künken als Topusterche mal bei einem Stück während der ganzen Aufführung als Toilettenfrau auf der Bühne gesessen …

Ihre beiden Nachfolgerinnen sind aber zuversichtlich, dass sie beim aktuellen Stück ohnehin kaum zum Einsatz kommen müssen. „Wir haben in diesem Jahr von Anfang an ohne Buch geprobt“, schildert Annette Hellkuhl. Soll heißen: Die Schauspielerinnen und Schauspieler mussten ihre Texte schon sehr früh auswendig lernen. „Das hat viel gebracht …“ 

Ob die Topustersche damit überflüssig wird? Davon können sich die Besucher von „Operatschoon ,Hans im Glück’“ selbst ein Bild machen. Karten für die insgesamt zehn Vorstellungen (bis zum 18. Januar) gibt es im Kiosk Dekena.

Theatergruppe 2024
Haben die Generalprobe erfolgreich gemeistert: (hinten von links) Karin Ortmanns, Petra Warrings, Anja Harms-Janßen, Bettina Onnen, Rainer Popken, Anke Müler, Sarah Janßen sowie (vorne von links) Wilfried Nowatzki, Thomas Ulfers, Andrea Westerman und Werner Funke. Foto: Theatergruppe

Zum Stück selbst soll hier nicht allzu viel verraten werden. Nur so viel: Hans Hansen wohnt mit seinem Bruder Hinni und dessen Frau Julia unter einem Dach. Er nervt Schwägerin und Bruder mit dauernd neuen Krankheiten. Tatsächlich aber ist Hans topfit und spielt allen nur den Kranken vor, um in den Ruhestand zu kommen. Julia und Hinni glauben aber nicht an seine vielen Wehwehchen. Mit übertriebener Fürsorge versuchen sie, Hinni vom Krankspielen abzubringen. Unter anderem wollen sie ihn über ein Dating-Portal verkuppeln. Sein Profilname dort: „Hans im Glück “ .

Es spielen: Werner Funke (Hans Hansen), Thomas Ulfers (dessen Bruder Hinni), Petra Warrings (Hinnis Frau Julia), Karin Ortmann (eine nervige Nachbarin), Anja Harms-Janßen (Amtsärztin), Rainer Popken (weltverbessernder Hippie), Bettina Onnen (Hairstylistin Susi), Sarah Janßen (Susis Freundin Gabi), Anke Müller (radikale Emanze), Wilfried Nowatzki (heißblütiger Italiener) und Andrea Westerman (Geheimagentin). Übrigens: Sarah Janßen, Wilfried Nowatzki und Andrea Westerman werden erstmals auf der Bühne stehen.

Hinter der Bühne wirken neben Speelbaas Jan Gerjets und den Topusterschen Annette Hellkuhl und Marika Engelhardt mit: Christiane Funke (Maske), Jürgen Schirmer (Requisite), Walter Vollstedt, Thorben Götz, Reinhold Harms, Bodo Zeiger und Daniel Buchloh (alle Technik) sowie Mirko Ortmanns (Catering). 

Die einzelnen Vorführungstermine finden sich auf „Hooksiel-life“ auf der Seite „Veranstaltungen“

60 Jahre Theatergruppe: Spaß am Spiel und der plattdeutschen Sprache

Ehrung bei der Theatergruppe Hooksiel
Die Vorsitzende des Heimatbundes für niederdeutsche Kultur „De Spieker“, Rita Kropp (links), würdigte auf der Jubiläumsfeier sechs Mitglieder der Theatergruppe Hooksiel, darunter das Gründungsmitglied Johann Janßen (2. v. l.) und den langjährigen Vorsitzenden Frank Langenhorst (rechts), für deren Engagement und Einsatz. Geehrt wurden auch Sigrid Janßen (Mitte; 56 Jahre Mitglied) und Dora Clasen (29 Jahre). Im Hintergrund die Moderatoren Joachim Janssen (3. v. l.) und Wieland Rosenboom. Foto: Theatergruppe

Hooksiel (28. 11. 2024) – Wir blenden zurück: Ende der 1960er Jahre, Weihnachtszeit. Die Theatergruppe Hooksiel gibt auf der Bühne der Gaststätte „Zum Schwarzen Bären“ das Stück „Die Heinzelmännchen“. Einer der kleinen Wichtel auf der Bühne ist Jan Gerjets. Speelbaas Heinrich Künken hatte den Grundschüler für dessen ersten Theaterauftritt angeworben.

Seit gut zehn Jahren ist der in Pakens lebende Berufsschullehrer jetzt schon selbst Speelbaas. Aktuell laufen die Proben für das neue Stück „Operatschoon ,Hans im Glück’“, das am 27. Dezember im Hooksieler Gästehaus Premiere feiert. Der Kartenvorverkauf im Kiosk Dekena läuft ab dem 6. Dezember.

62 Stücke und 430 Aufführungen

Vor Beginn der heißen Probenphase hatte die Theatergruppe um ihren Vorsitzenden Frank Langenhorst jetzt einen guten Grund zu feiern. Der Verein besteht seit 60 Jahren. Bei der Feier in der „Eventhalle Hooksiel“ wurden nicht nur die zahlreichen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte – darunter mehr als 62 Stücke und 430 Aufführungen – gewürdigt, sondern auch viele Anekdoten und Erinnerungen ausgetauscht. 

Eingeladen dazu waren neben Bürgermeister Mario Szlezak und Vertretern der Hooksieler Vereine auch Abordnungen der befreundeten Theatergruppen Sillenstede, Javenloch, Tettens und Langewerth. Durch das Programm und die 60-jährige Geschichte führen Joachim Janßen als 2. Vorsitzender, und Wieland Rosenboom – kurzweilig und natürlich auf Plattdeutsch.

Heinrich Künken als Initiator

Die Pflege der plattdeutschen Sprache war einer der Gründe dafür, dass Mitglieder des Boßelvereins Wüppelser Altendeich sich entschlossen, eine Theatergruppe zu gründen. Die Boßler hatten bereits im Rahmen ihrer Sommerfeste regelmäßig kleine Sketche aufgeführt und dabei Spaß an der Schauspielerei gefunden. Heinrich Künken schaltete eine Zeitungsanzeige. Und tatsächlich fanden sich zahlreiche Gleichgesinnte. Am 28. Dezember 1964 wurde der Theaterverein offiziell gegründet. Heinrich Künken wurde Vorsitzender und Speelbaas in Personalunion.

Die Gründungsmitglieder waren nach den Recherchen von Joachim Janßen: Magda und Gerd Weiers, Inse und Tedi Weiers, Rebecka und Heinrich Künken, Hanna Gerjets, Luise de Vries, Magred Hohlweg, Ortrud Janssen, Gerda Meyenburg, Johann Reiners, Gerhard Peters, Heinrich Popken, Franz Cordsen, Eibo Jürgens, Johann Janßen, Otto Tammen und Gerda Clasen

Erste Bühne im „Schwarzen Bären“

Erste Spielstätte wurde bis 1973 die Bühne im Saal des Restaurants „Zum Schwarzen Bären“, das damals gerade von Emil Egts an Herbert Klostermann überging. Von 1974 bis 1989 öffnete sich der Bühnen-Vorhang alljährlich zur Weihnachtszeit im „Jeverländer Hof“, 1990 bis 1993 gastierte man im Saal des Hallenwellenbades und seit 1994 ist das Hooksieler Gästehaus die Spielstätte. 

„Wir sind sehr froh, dass die Wangerland Touristik uns so gut unterstützt“, sagt Jan Gerjets. Die heutigen Bedingungen für Proben und Auftritte seien mit denen in den Anfangsjahren gar nicht vergleichbar. Umkleiden, Aufenthaltsräume mit Blick auf des Geschehen auf der Bühne, professionelle Bühnentechnik und, und, und.

Der Theaterverein hat knapp 50 Mitglieder. Dazu zählen rund 15 Darsteller sowie Aktive, die sich unter anderem um Maske, Bühnenaufbau und sonstige Technik, Catering und Eintrittskarten-Kontrolle kümmern. Beim aktuellen Stück etwa, so Gerjets, werden elf Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne stehen.

Stehender Applaus für Musical

Gerjets ist seit 2014 als Speelbaas für die künstlerischen Geschicke der Theatergruppe verantwortlich. Seinerzeit legte er den Posten als erter Vorsitznder nieder und übernahm den Intendanten-Job von seinem plötzlich verstorbenen Vorgänger Gerd Peters. Zuvor hatten nach Heinrich Künken Johann Reiners, Andreas Tepper und Renate Galski in der Verantwortung gestanden. 

Unabhängig von Speelbaas, Schauspielern und jeweiligem Stück waren die Aufführungen der Theatergruppe Hooksiel durchweg sehr gut besucht, die meisten ausverkauft. Dennoch, so erinnert sich Gerjets, der ab 1994 gut 20 Jahre lang selbst auf der Bühne stand, habe es eine besonders herausragende Inszenierung gegeben. Das Musical „Een, twee, dree – St. Pauli“, das die Theatergruppe 2011 zum Besten gab. „Das Publikum hat stehend applaudiert und die meisten Lieder lauthals mitgesungen. Das war schon eine tollte Atmosphäre.“

Aber, da sind sich Gerjets und Janßen einige, auch derzeit sei die Stimmung in der Theatergruppe ausgesprochen gut. Und zwar während der Theatersaison von September bis Mitte Januar ebenso wie bei den Veranstaltungen, die der Festausschuss für den Rest des Jahres organisiert. „Das ist wirklich alles sehr harmonisch und macht riesigen Spaß.“ 

Theatergruppe hat mörderischen Spaß bei Proben zum neuen Stück

Theatergruppe Hooksiel
Die Schauspieler der Theatergruppe Hooksiel fiebern der Premiere entgegen: (v.l) Werner Funke, Karin Ortmanns, Bettina Onnen, Anja Harms-Janssen, Thomas Ulfers, Anke Müller und Chistin Janßen.Foto: hol

Hooksiel (19. 12. 2023) – Vorweihnachtszeit in Hooksiel. Im Obergeschoss des Gästehauses brennt jeden Abend Licht. Wer näher kommt, hört zudem Stimmen. Hooksieler wissen: Das ist die Theatergruppe, die für die Premiere ihres neuen Stückes am Tag nach Weihnachten probt.

„Keen Mord ut Versehn“ heißt das plattdeutsche Stück, das sich die Laienspieler um Speelbaas Jan Gerjets für dieses Jahr ausgesucht haben. Bis Ende Januar stehen zehn Aufführungen auf dem Programm. 

Kartenvorverkauf läuft

Der Kartenvorverkauf (Preis:10 Euro) im Kiosk Dekena läuft bereits seit einigen Tagen. Die meisten Vorstellungen werden aller Voraussicht nach wieder ausverkauft sein. Die Theatergruppe Hooksiel hat viele Fans, Einheimische und auch Urlauber, die die Jahreswende an der Küste verbringen. Und um das Publikum nicht zu enttäuschen, muss geprobt werden. Sehr viel.

Ihre Texte beherrschen die Schauspielerinnen und Schauspieler inzwischen weitgehend sicher. Falls nicht, helfen Annette Hellkuh und Marika Engelhardt als Topusterschen. Bei den Proben auf der mit Hilfe von Sponsoren gestalteten Bühne im Gästehaus geht es jetzt vorrangig um das Zusammenspiel, um die Raumaufteilung, die Gestik und die Betonung. 

Theatergruppe Hooksiel
Beim Kritikgespräch vor der nächsten Probe sprechen Speelbaas und Schauspieler intensiv über Detailfragen zu den jeweiligen Rollen. Foto: hol

Jede Probe wird auf Video festgehalten, als Grundlage für die nächste Kritikrunde: „Der Blick muss auf der Bühne bleiben! Der Satz war keine Frage, sondern eine Aussage! Da musst mehr Arroganz in die Stimme …“ Jan Gerjets geht mit den Darstellern Szene für Szene durch. Die Manuskripte mit dem Text sind inzwischen voller kurzer Notizen. 

Letze Korrekturen vor der Premiere

Und dann geht es wieder raus auf die Bühne. Der Beleuchter nimmt letzte Korrekturen vor, das Bühnenbild wird noch im Detail nachgebessert. Hier ein Stuhl verrückt, dort eine Tür geöffnet. Bis zum Mittwoch, 27. Dezember, sind es ja nur noch ein paar Tage.

Das Publikum darf sich auf einen spannenden, vor allem aber humorvollen Drei-Akter freuen: Agathe hat aus Versehen ihren Lebensgefährten vergiftet. Eigentlich wollte sie ihm nur einen Denkzettel verpassen, da er im Dorf mit einer anderen gesehen worden war – und nun ist das Dilemma groß. 

Die Hotel-Gäste fürs Wochenende kommen. Da muss der Leblosen möglichst unauffällig verschwinden. Nur doof, dass dieser irgendwie immer wieder von selbst verschwindet. Als die Gäste Lunte riechen, wird die Polizei eingeschaltet. Und die mischt nun in dem ohnehin schon herrschenden Durcheinander mit, bis – ja, bis die „Leiche“ gar nicht mehr so tot ist, wie alle glauben . . .

Armbruch kein Beinbruch

Die Theatergruppe ist so gut wie startklar. Besonders nervös dürfte Bettina Onnen sein, die erstmals auf der Bühne zu sehen sein wird. Und Jan Gerjets, der hofft, dass nichts Unvorhersehbares mehr bis zur Premiere passiert. Aber das wäre ungewöhnlich. Irgendetwas passiert immer. Erst in dieser Woche hat sich Schauspielerin Karin Ortmanns den Arm gebrochen. Natürlich wird sie dennoch auf der Bühne stehen. „Aber wie soll ich meinen Koffer tragen?“ – Die Anweisung der Regie: „Kein Problem. Du hast doch zwei Arme.“

Die Aufführungstermine: 27., 28., 29 Dezember sowie 3., 5., 6., 12., 13., 19. und 20. Januar. Der Vorhang im Gästehaus öffnet sich jeweils um 20 Uhr.

Harte Proben für den feinen Unterschied zwischen Humor und Klamauk

Jan Gerjets Theatergruppe
Speelbaas Jan Gerjets freut sich auf die neue Spielzeit. Ab sofort laufen die Vorbereitungen bei der Theatergruppe Hooksiel für das nächste Stück: „Keen Moord ut Versehn“. Foto: hol

Hooksiel (11. 9. 2023) – Vorhang auf. Das Spiel beginnt. Auch wenn es im Fall der Theatergruppe Hooksiel erst das Vorspiel ist. Die Spannung steigt. Der Termin für die Premiere des neuen Stückes „Keen Moord ut Versehn“ ist zwar erst am 27. Dezember. Aber ab jetzt laufen die Vorbereitungen für das Theatervergnügens auf allen Ebenen mit Hochdruck.

Der erste Akt: Das neue Stück

Der erste Akt: Die Auswahl des zu spielenden Stückes. Anders als man vielleicht erwarten könnte, ist für die Auswahl der passenden Komödien keineswegs der Speelbaas, der Regisseur bei plattdeutschen Theatergruppen, verantwortlich. „Am Anfand steht immer die Anfrage an unsere Schauspieler, wer beim nächsten Stück mitspielen möchte und sich die Zeit dafür freihält“, schildert Jan Gerjets. Auf Basis der verbindlichen Zusagen beginne dann die Recherche im Internet.

Welche Komödie kann von fünf Frauen und drei Männern umgesetzt werden? Passen die geforderten Charaktere zu den Hooksieler Laiendarstellern? Hat das Stück eine vertretbare Länge? Lässt sich das Bühnenbild im Hooksieler Gästehaus umsetzen? 

Eine Vorauswahl denkbarer Stücke bietet eine von Verlagen zur Verfügung gestellte Suchfunktion im Internet. Die Entscheidung, welches Stück letztlich auf die Bühne kommt, fällt ein vierköpfiger Spielausschuss. Dabei geht es dann auch um die aus Sicht von Jan Gerjets wichtigste Frage: „Zündet der Witz der Geschichte?“ Wie man das feststellt? „Ganz einfach“, verrät der Speelbaas. „Wenn mir die Geschichte gefällt, wird sie auch dem Publikum gefallen.“ 

In der Grundschule als Schauspieler entdeckt

In den vergangenen zehn Jahren, in denen der 64-jährige Hooksieler die künstlerische Verantwortung für die Theatergruppe trägt, ist der rund 40-köpfige Verein gut mit dieser Strategie gefahren. Die Aufführungen sind allesamt gut angekommen, kaum eine Vorstellung war nicht ausverkauft. Dabei ist Gerjets als Speelbaas Autodidakt. 

Eigentlich, so räumt er ein, würde er lieber wieder selbst auf der Bühne stehen, wie er es ab 1994 über 20 Jahre lang gemacht hat. Er sei vom damaligen Speelbaas Andreas Tepper für die Bühne gewonnen worden. Seine Leidenschaft fürs Theater sei aber noch viel älter, sagt der Berufsschullehrer. Bühnengründer Heinrich Künken hatte den Grundschüler Jan eines Tages gefragt, ob er nicht beim Weihnachtsmärchen „Heinzelmännchen“ mitspielten wolle. Der Junge wollte – und blieb bis heute der Bühne treu.

Als Speelbaas der wichtigste Kritiker

Als Speelbaas selbst noch eine Rolle als Schauspieler übernehmen? Das ist für Jan Gerjets nicht vorstellbar. „Als Schauspieler muss ich mich auf mich selbst konzentrieren“, sagt er im Gespräch mit „Hooksiel-Life“. „Als Speelbaas bin ich für das Ganze verantwortlich.“ 

Das fängt beim Proben einzelner Szenen an. Füllt der Schauspieler seine Rolle aus – oder überdreht er und spielt sich in den Vordergrund? Kommt der Witz der Komödien als Humor rüber, oder gerät er im Übereifer zum Klamauk? Wie bewegt sich wer auf der Bühne, ohne dass man sich gegenseitig im Weg steht? In jeder Vorstellung sitzt Gerjets im Publikum. Darüber hinaus werden Proben und alle Vorführungen aufgezeichnet.

Anke Müller Theater
Nach gelungener Bühnenpremiere im vergangenen Jahr bereiten sich Karin Ortmanns (links) und Anke Müller jetzt auf ihre Rollen in der neuen Spielzeit vor. Archiv-Foto: hol

Nach jedem Vorstellungstermin gibt es eine Kritikrunde. Dabei hat Jan Gerjets durchaus gehobene Ansprüche an seine Spieltruppe, aber auch an alle anderen Aktiven im Team – vom Bühnenbauer bis zur Toupusterschen, vom Kartenverkauf über das Catering-Team bis zur Maskenbildnerin. Und er ist überzeugt davon: „Wir brauchen uns im Vergleich mit anderen Bühnen nicht zu verstecken.“ 

Keine Angst vor Bühnenpremiere

Seit wenigen Tagen steht fest: Die Theatergruppe Hooksiel wird nach Weihnachten mit dem Dreiakter „Ken Moord ut Versehn“ von Jennifer Hülser an den Start gehen. Für die plattdeutsche Fassung der Komödie zeichnet Heino Buerhoop verantwortlich. Der Rahmen des Inhalts: Agathe vergiftet aus Versehen ihren Lebensgefährten, dem sie eigentlich nur einen Denkzettel verpassen wollte. Ihr Problem: Zum Wochenende kommen Gäste. Wohin mit der Leiche? Als dann auühnenbauch noch die Polizei auf den Fall aufmerksam wird, nimmt das Durcheinander so richtig Fahrt auf.

Aber so weit ist es noch lange nicht. Für Imke Aits, Karin Ortmanns, Anke Müller, Anja Harms-Janßen, Christin Janßen, Werner Funke, Daniel Buchloh und Thomas Ulfers beginnt jetzt der Ernst des Schauspieler-Lebens. Textstudium. Zweimal bittet Jan Gerjets zur Leseprobe. Alle Mitspielenden lesen dabei das Stück gemeinsam komplett durch. Jeder seine eigene Rolle. Hakt das Plattdeutsche irgendwo? Gibt es Begriffe, die niemand versteht? Passen die Übergänge?

Unrunde Textstellen werden geglättet. Danach folgt das Auswendiglernen. Ab Oktober dann die Proben einzelner Szenen. Dazu trifft man sich jeweils montags und donnerstags in kleinen Gruppen. „Manche Szene müssen wir fünf Mal, andere auch zehn Mal proben, bis es passt“, sagt Jan Gerjets. 

Wangerland Touristik unterstützt beim Bühnenbau

Parallel dazu suchen sich die Schauspieler zur Rolle passende Bekleidung. Das Bühnenbild wird gebaut, und – falls nötig – an die Gegebenheiten im Hooksieler Gästehaus angepasst. „Wir sind sehr dankbar, dass uns die Wangerland Touristik beim Bühnenbild unterstützt“, sagt Jan Gerjets. So müsse man aktuell die Bühne nicht wir früher mehrfach in einer Saison auf- und wieder abbauen. 

Mit Imke Aits wird in der kommenden Spielzeit mit insgesamt zehn Aufführungen und erwarteten 1200 Zuschauern wieder eine Schauspielerin Bühnenpremiere feiern. Speelbaas Gerjets ist zuversichtlich, dass das genau so gut klappen wird wie in der Vorsaison mit Karin Ortmanns und Anke Müller.

Ansonsten hält er sich zu einzelnen Rollen und zum Inhalt des Stückes noch bedeckt. Auch zur Frage, warum eine Leiche in dem Stück 26-Sprecheinsätze haben kann? „Kein Kommentar!“ Aufklärung dazu gibt es erst zum Höhepunkt der Spielzeit – zur Premiere.

„De Arvschaft“: Völlig unkorrekt, aber herrlich komisch

Theatergruppe Hooksiel
Streiten sich auf der Bühne im Gästehaus Hooksiel um das Erbe ihrer Stiefmutter: (v. l.) Anke Müller, Werner Funke, Anja Harms-Janssen und Thomas Ulfers. Foto: hol

Hooksiel (28.12.2022) – Eines ist sicher: In die Programmauswahl zumindest eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders wird es die Komödie „De Arvschaft“ nie schaffen. Dafür werden einfach zu viele Grenzen überschritten. In dem von Speelbaas Jan Gerjets für die Theatergruppe Hooksiel inszenierten Stück hagelt es Witze unter der Gürtellinie, Beleidigungen gegen Frauen, Vorurteilen gegen Homosexuellen. Dennoch verließ am Dienstagabend kein Zuschauer des voll gesetzten Saales im Gästehaus die Premierenvorstellung vorzeitig. 

Im Gegenteil: Nach zweieinhalb Stunden dankt das Publikum den Akteuren der Theatergruppe mit anhaltendem Applaus für einen humorvollen Abend. Warum? Auf Plattdeutsch verlieren die derbsten Attacken ihre Schärfe – und die Spielkunst der Akteure auf der Bühne lässt zu keinem Zeitpunkt den Verdacht aufkommen, auch nur einer der Anwürfe könnte ernst gemeint sein. Also: Es darf von Herzen gelacht werden! 

Die Geschichte ist schnell erzählt: Die gut betuchte Frau Mertens ist im Alter von 94 gestorben. Notar Dr. Edwin Ross (Joachim Janssen) lädt die potenziellen Erben zur Testamentsverkündung auf Gut Kübelstein. Dort treffen die Stiefkinder aufeinander, die bislang voneinander nichts wussten, und sich folglich allesamt als Alleinerben wähnen: die herrlich dekadente, mannstolle, ewig 39-jährige Ex-Operetten-Diva Hermine Winterstein (Anja Harms-Janssen) in Begleitung ihrer bissigen Assistentin Gundula von Knorpsheim („Knorpel“), gespielt von Petra Warrings; der tuntige „Modemaker“ Siegfried Roy (Thomas Ulfers) und der biedere Harm Harmsen (Werner Funke). Das Erben-Quartett wird komplettiert von der Tabel-Dancerin und „Tod-Pflegerin“ Elvira Blankenfurth (Anke Müller), die nach 14-tägiger Ehe mit einem weiteren Stiefsohn von Frau Mertens den glücklichen Stand der Witwe (und damit einer Erbin) erreicht hat.

Ertragen muss diese illustre Runde das Hauspersonal: Auf den attraktiven Butler Paul (Daniel Buchloh) werfen sowohl Diva Winterstein als auch Modeschöpfer Roy ein Auge. Köchin Marlies (Karin Ortmanns) glänzt als „hysterische Küchenschabe“, die keine Angst hat, auch unangenehme Wahrheiten über die Gästerunde auszusprechen. Ihre Feststellung: „Männer leben in diesem Haushalt gefährlich“ lässt weitere Abgründe der Handlung erahnen, die hier aber nicht verraten den sollen.

Ein Extralob für ihr couragiertes Auftreten haben sich mit Anke Müller und Karin Ortmanns zwei der Theater-Speelerinnen verdient, die bei der Premiere erstmals auf der Bühne standen. Trotz zweijähriger Corona-Pause gewohnt souverän präsentierten sich Anja Harms-Janssen und Thomas Ulfers. Und auch allen anderen Akteuren war die große Spielfreunde anzumerken. Das stimmige Bühnenbild (verantwortlich Sabine Gerjets), eine dezente „Topustersche“ (Annette Hellkuhl) und die grellen Kostüme (Modeschöpfer Roy als „Plüschkugel“) tragen maßgeblich zum Theaterspaß bei, der bis Mitte Januar noch mehrfach zu sehen sein wird.. 

Wenn ein Erbe die letzte Hoffnung ist

Theatergruppe Hooksiel
Stehen für die Theatergruppe Hooksiel auf der Bühne: (von links, sitzend) Anja Harms-Janssen, Karin Ortmanns, Petra Warrings sowie stehend (v. l.) Werner Funke, Thomas Ulfers, Anke Müller und Joachim Janssen. Foto: Theatergruppe 

Hooksiel (6.12.2022) – Es ist wieder soweit. Weihnachtszeit ist Theaterzeit in Hooksiel. Nach zweijähriger Corona-Pause lädt der Theaterverein Hooksiel für Dienstag, 27. Dezember, zur Premiere von „De Arvschaft“. Die Vorstellung beginnt um 20 Uhr im Gästehaus Hooksiel. 

Garantiert ist: Es wird lustig. Chronischer Geldmangel zwingt die einstige Operetten-Diva Hermine Winterstein zu ihrer mittlerweile siebten Abschiedstournee. Doch während sie die Hauptrolle in der völlig unbekannten Operette „Die keusche Baronin“ auf Provinzbühnen trällert, ereilt sie plötzlich die Nachricht, dass sie im Testament ihrer Stiefmutter Frau Mertens bedacht wurde. 

Begleitet von ihrer bissigen Assistentin Gundula reist sie zum Ansitz Kübelstein ihres Vaters Admiral Schneider, um dort ihr längst fälliges Erbe anzutreten. Doch Erblassverwalter Ross hat eine Überraschung für sie: Frau Mertens hat noch weitere Personen in ihrem Testament bedacht, welche nach und nach auf dem Ansitz eintreffen…

Auf der Bühne stehen in dieser Spielzeit Thomas Ulfers, Anja Harms-Janssen, Petra Warrings, Werner Funke, Karin Ortmanns, Anke Müller, Joachim Janssen und Daniel Buchloh. Anke Müller und Karin Ortmanns sind erstmals dabei. 

Weitere Vorführungstermine (jeweils ab 20 Uhr im Gästehaus): 28.und 29. Dezember sowie im neuen Jahr am 4.,6, 7. und 8. sowie am 14. Januar.Der Eintritt kostet 8 Euro. Karten gibt es ab sofort beim Kiosk Dekena in Hooksiel.