Energiewende braucht Akzeptanz der Bürger, Kultur und Erstliga-Handball

Wilhelmshaven/Hooksiel (27. 10. 2023) – Wilhelmshaven wird zur Energie- und Logistikdrehscheibe Deutschlands. Aber die für die Transformation der Energieerzeugung notwendigen Investitionen verändern das Leben und die Heimat von Menschen 

Pipeline, Bahntrasse, Umspannwerke direkt vor der Haustür – Wilhelmshavens Oberbürgermeister Carsten Feist (parteilos) machte auf einer Informations-Veranstaltung des Energiekonzerns Uniper am Beispiel des Dorfes Sengwarden deutlich, dass es dringend erforderlich sei, die Akzeptanz der Bürger vor Ort zu gewinnen, wenn es keine Widerstände geben soll.

Uniper
Über die „Energy Transformation Hub Nordwest“ informieren in der Turbinenhalle im Uniper Kraftwerk in Wilhelmshaven von links: Wirtschaftsminister Olaf Lies, Uniper-Betriebsratsvorsitzender Harald Seegatz, Oberbürgermeister Carsten Feist und Uniper-Vorstand Holger Kreetz. Foto: Medienhaus/Uniper SE/ Eiben

Die Frage vor Ort „Und was haben wir davon?“ müsse schnell und sichtbar beantwortet werden. Feist sprach dabei für Wilhelmshaven, aber ausdrücklich auch für die Bürger der friesländischen Nachbarkommunen und Orte – wie etwa Hooksiel, obwohl er den direkt vor der Hafeneinfahrt des Sielortes liegenden LNG-Import-Terminal nicht direkt nannte.

Uniper plant etliche Großinvestitionen

Uniper rief – und Hunderte Vertreter von Politik, Wirtschaft und Verbänden kamen am Donnerstag in der ehemaligen Turbinenhalle des Kohlekraftwerks Wilhelmshaven, um sich über die Investitionspläne des unter staatlicher Obhut agierenden Konzerns zu informieren. Der Großraum Wilhelmshaven spielt nach den Worten von Holger Kreetz, im Uniper-Vorstand für das operative Geschäft verantwortlich, auf dem Weg zum CO2-freien Unternehmen und bei der Transformation der Energieversorgung eine Schlüsselrolle, nämlich als Drehkreuz für den Import und die Produktion von klimafreundlichem Wasserstoff (H2).

Uniper plane aktuell Investitionen von 80 Millionen Euro. Eine Summe, die sich in den nächsten Jahren verzehn- oder verdreißigfachen könnte, so Kreetz. Auf dem Voslapper Groden wird bis 2025 ein 14 Hektar großer Solarpark installiert. Auf dem Kraftwerksgelände in Rüstersiel entsteht (laut Plan bis 2027) eine Großelektrolyse auf Basis von erneuerbaren Energien sowie ein Ausbildungszentrum für junge Techniker.

Lies: Deutschland braucht Import grüner Moleküle

Zudem ist Uniper im Auftrag des Bundes Betreiber des ersten (schwimmenden) Flüssigerdgas (LNG)-Importterminals in Wilhelmshaven. Mittelfristig soll hier ein stationäres Terminal entstehen. Da eine Industrienation wie Deutschland trotz intensiven Ausbaus von Wind- und Solarenergie nie ganz auf den Import von Energie „in Form von grünen Molekülen“ auskommen wird, so Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), plant Uniper zudem ein Ammoniak -Importterminal in der Jade. Das NH3 soll über einen Cracker in grünen Wasserstoff umgewandelt werden. Insgesamt will Uniper über Wilhelmshaven rund 20 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs decken.

Feist schimpft über Schnarchlappen in Berlin

Eher bescheiden nehmen sich dem gegenüber die Pläne für ein überbetriebliches Ausbildungszentrum im ehemaligen Kohlekraftwerk aus. Derzeit sind hier 23 Uniper-Azubis beschäftigt. Ausgebildet werden könnten aber 200 bis 300, dringend benötigte Energie-Fachkräfte. Feist bezeichnete es als „Skandal“, das die „Schnarchsäcke in Berlin“ auch nach zwei Jahren noch nicht über den Antrag zur Förderung dieses Projektes aus Mitteln des Kohleausstieg-Strukturfonds entschieden hätten. Dabei dränge die Zeit.

Ausbildungs- und Arbeitsplätze und Steuereinnahmen – das sind auch nach Ansicht von Wirtschaftsminister Lies die Gegenleistungen, die die Region Wilhelmshaven im Gegenzug für ihr Engagement für die Energiewende in Deutschland erwarten darf. „Die Menschen müssen Perspektiven haben“, sagte Lies. Für Wilhelmshaven bedeute das unter anderem ein verlässliches Kulturangebot und eine Handball-Mannschaft in der 1. Bundesliga.

Natur- und Artenschutz müssen zurückstehen

Die mit den Klimaschutzzielen erforderlichen Investitionen seien eine Chance für die Region. Dafür bedürfe es aber vor Ort der erforderlichen Fachkräfte. Auch müsse der Natur- und Artenschutz auf jenen Flächen zurückstehen, die für die wirtschaftliche Entwicklung unverzichtbar seien, sagte der ehemalige Umweltminister.

Lies forderte bei der Umsetzung der Energiewende mehr Tempo. Die bei der Genehmigung des ersten LNG-Terminals an den Tag gelegte Geschwindigkeit müsse auch für die Folgeprojekte beibehalten werden. Dennoch werde man nach seiner Überzeugung nicht um eine zusätzliche CO2-Abscheidung und CO2-Verpressung etwa unter der Nordsee herumkommen, wenn man die Klimaziele erreichen will. 

Mut zum Mut für Veränderungen machte in der Turbinenhalle (Feist: „Ich dachte erst, das könnte auch unsere neue Stadthalle sein“) der Human-Unternehmer Gunnar Barghorn in einem Vortrag.

Erster Frachter mit US-Fracking-Gas in Wilhelmshaven

Hoosksiel/Wilhelmshaven (3.12.2023) – Heute hat mir der „Maria Energie“ am LNG-Terminal in Wilhelmshaven der erste ausschließlich mit verflüssigtem Erdgas beladene Schiff festgemacht. Wie Terminalbetreiber Uniper mitteilt, ist der 289 Meter lange Frachter mit 170 000 Kubikmetern verflüssigtem Erdgas (LNG) aus den USA beladen. Dort sei das dem Energiekonzern Tsakos Energy Navigation gehörende Schiff am 19. Dezember in Calcasieu Pass (Luisiana) beladen, nachdem das Erdgas in einer Anlage von in der Verflüssigungsanlage des LNG-Anbieters Venture Global tiefgekühlt worden war.

In Wilhelmshaven soll das LNG an Bord der Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) „Höegh Esperanza“ erwärmt und dadurch regasifiziert werden. Das LNG ergibt eine Menge 

97 147 000 Kubikmeter Erdgas. Damit können rund 50 000 Haushalte in Deutschland ein Jahr lang mit Energie versorgt werden.

„Venture Global ist sehr stolz darauf, die erste vollständige LNG-Ladung nach Deutschland zu liefern, und wir gratulieren Uniper und der deutschen Regierung für ihr schnelles Handeln beim Aufbau der Infrastruktur, die diesen historischen Tag möglich gemacht hat“, wird Mike Sabel, Geschäftsführer von Venture Global in einer Mitteilung zitiert. „Als strategische Partner freuen wir uns darauf, unseren Verbündeten durch die kontinuierliche Lieferung von sauberem und zuverlässigem US-LNG eine langfristige Energieversorgungssicherheit zu bieten.“

Die heutige LNG-Lieferung ist noch Teil des Inbetriebnahmeprozeses. Der kommerzielle Betrieb des Terminalter s in Wilhelmshaven wird voraussichtlich Mitte Januar 2023 aufgenommen, so Uniper.

Die Deutsche Umwelthilfe (Berlin) weist darauf hin, dass mit der „Maria Energie“ das erste mit Fracking-Erdgas aus den USA beladene LNG-Tanker in Wilhelmshaven festgemacht hat. Ein Grund zur Freunde sei das keineswegs, so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. Aus Sicht von Klima- und Naturschutz sei das ein „historischer Tiefschlag“. Die Erdgas-Förderung Fracking-Technik setze sehr hohe Mengen Methan frei, verbrauche enorm viel Wasser und könne Erdbeben auslösen. Müller Kraenner: „Das sogenannte unkonventionelle Fracking ist deshalb hierzulande zu Recht verboten. Mit dem Import des Gases nehmen wir trotzdem in Kauf, dass Menschen in den USA Folgen wie Erdbeben, kontaminiertes Grundwasser und erhöhte Krebserkrankungsraten zu tragen haben.“ Die DUH fordert eine Denkpause in Sachen LNG-Infrastruktur, um Fragen nach Bedarf und Herkunft des Gases zu klären. 

Für heute Abend ist vom „Netzwerk Energiedrehscheibe“ eine Protestaktion unter dem Motto: „Trommeln für Meer und dessen Bewohner“ angekündigt. Die Veranstaltung des Bündnisses von lokalen Umwelt- und Klimaschutzverbände soll um19 Uhr am Hooksiel Außenhafen beginnen. Der nächste LNG-Frachter wird in der nächsten Woche erwartet.

Ganz neuer Schiffsanleger soll Produktion von „grünem“ Wasserstoff beschleunigen

LNG Terminal WHV
Beim geplanten Bau eines ganz neuen Schiffsanlegers vor dem Voslapper Groden wird die Geschwindigkeit bei der Errichtung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven (Foto) angestrebt. Ziel ist hier der Import von „grünen“ Gasen. Foto NPorts

Hooksiel/Wilhelmshaven (23.12.2022) – Die Entwicklung des Voslapper Grodens zur „Energiedrehscheibe 2.0“ schreitet in rasantem Tempo voran. Erst vor wenigen Tagen ist der erste LNG-Terminal Deutschlands in Wilhelmshaven in Betrieb genommen worden. Jetzt gaben die landeseigene Hafengesellschaft Niedersachsen Ports sowie die Energiekonzerne Uniper und TES den Startschuss für die Planungsphase eines ganz neuen Schiffsanlegers. Man habe gemeinsam eine Studie für den Bau einer Steganlage für ein Onshore-Energieterminal in Auftrag gegeben, über das „grüne Gase“ (eNG) importiert werden sollen.

Die entsprechende Vereinbarung haben die Unternehmen im Beisein von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und Umweltminister Christian Meyer (Grüne) unterzeichnet. Sie sieht die Planung einer neuen gemeinsamen Hafeninfrastruktur mit mindestens sechs Schiffs-Liegeplätzen für TES und für Uniper vor. Parallel dazu werde Uniper technische Studien durchführen, die es dem Konzern ermöglichen sollen, rund 2,6 Millionen Tonnen grünes Ammoniak pro Jahr zu importieren. „Mit dieser Kapazität und der im Rahmen des Projekts Uniper Green Wilhelmshaven geplanten 1-Gigawatt-Elektrolyse-Anlage zur Wasserstofferzeugung könnten rund 300 000 Tonnen grüner Wasserstoff geliefert werden,“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Das entspreche etwa 10 bis 20 Prozent des für 2030 erwarteten Wasserstoff-Bedarfs in ganz Deutschland.

TES plant die Inbetriebnahme der Hafenanlagen bereits im Jahr 2023. Ab 2026 soll die erste Ausbaustufe des größten Importterminals in Europa fertig sein. Das Terminal soll eine Kapazität von 20 Millionen Tonnen Flüssigerdgas (LNG) und eNG haben. TES will zum Jahreswechsel 2025/2026 mit dem Import des ersten eNG beginnen und die Lieferungen bis 2030 auf fünf Millionen Tonnen erhöhen. 

Die Akteure schätzen den Investitionsbedarf für die neue Anlegestelle vor dem Voslapper Groden auf rund 500 Millionen Euro. Details der Finanzierung sind noch unklar. „Mit dieser Investition in die notwendige Infrastruktur für eine CO2-freie Wasserstoffwirtschaft und den geplanten Import-Projekten für grüne und dekarbonisierte Gase wird Wilhelmshaven zur größten Energiedrehscheibe Deutschlands und liefert künftig grüne Energie in Form von Wasserstoff für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, heißt es.

Minister Lies: „ Bereits ab 2026 werden wir den Standort Wilhelmshaven zu einem der zentralen Tore für grüne und saubere Energie für Deutschland entwickeln. Dafür brauchen wir zusätzliche Terminals. Nur mit ihnen werden wir die Energieversorgung Deutschlands garantieren können“. Dieser Anleger machte Wilhelmshaven zur wichtigsten Drehschreibe klimaneutraler Gase in Deutschland, ergänzt Minister Meyer. Beide Minister wollen das Projekt zügig vorantreiben.