Von Gerd Abeldt
Hooksiel (6. 3. 2023) – Fischerei und Hooksiel. Das gehört zusammen. Weil die exponierte Lage des Sielhafens am Jadebusen gute wirtschaftliche Voraussetzungen für Fischfangbetriebe bietet – aber auch, weil aus touristischer Sicht ein Nordseehafen ohne Fischkutter kein richtiger Hafen ist.
Nils Schröder, Eigner und Kapitän des Krabbenkutters „Trotz“, ist dennoch skeptisch. 2015 ist der 35-jährige Fischwirt mit seiner Familie, einer Frau und zwei Kindern, von Varel nach Hooksiel gekommen, um sich hier – aufgrund der besseren Standortbedingungen – als Krabbenfischer selbstständig zu machen. Die Entscheidung habe er bis heute nicht bereut, sagt Schröder im Gespräch mit „Hooksiel-life“. „Aber ich glaube nicht, dass ich mit meinem Betrieb das Rentenalter erreichen werde.“
Fischer in vierter Generation
Schröder ist in vierter Generation Fischer. Er liebt seinen Beruf. „Ohne Leidenschaft kann man das gar nicht machen.“ Fischer ist ein anstrengender Beruf. In der Krabbenfang-Saison von März bis Dezember geht es täglich auf See, immer auf der Suche nach den besten Fanggründen. Wo sich die Garnelen gerade aufhalten und am besten fangen lassen, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Von der Jahreszeit, vom Wetter, von der Strömung, von der Sicht im Wasser und, und, und.
„Meist fahren wir eine Stunde vor Hochwasser los“, schildert Schröder seinen Arbeitsalltag. Zur Crew an Bord gehören neben dem Kapitän ein weiterer Fischer und ein Auszubildender. Der Fangerfolg hängt in hohem Maß von der Erfahrung der Fischer ab. „Wir haben drei bis vier feste Plätze“, schildert Schröder. „Aber eine Garantie für volle Netze gibt es nicht.“ So hat eine Fangwoche schon mal bis zu 72 Stunden. Manchmal bleibt der Kutter 24 Stunden am Stück auf der Jade. Eine Faustregel: Krabben lassen sich am besten in trübem Wasser fangen. Bei klarer Sicht nämlich, so Schröder, sehen die Tiere die Netze kommen.
Krabbenfang mit einem Öko-Zertifikat
Die an Auslegern befestigten Fangnetze werden rechts und links vom Schiffsrumpf ins Wasser gelassen und von der mit einem 300-PS-Motor ausgestatteten „Trotz“ auf Rollen über den Meeresgrund gezogen. Der Fang wird an Bord gereinigt, sortiert und noch auf See gekocht. Beifang gibt es nach den Worten von Schröder so gut wie keinen. „Durch ein Netz-in-Netz-System werden Fische schon unter Wasser aus dem Fangnetz ausgeschleust.“ Beleg für nachhaltige Fischerei und Grundlage für das MSC-Zertifikat (Marine Stewartship Council), das für eine ökologisch verträgliche Fischerei steht.
Dabei kommt es entscheidend auf die Maschengrößen der Netze an. Das Fangnetz für die Krabben (biologisch korrekt wäre „Nordsee-Garnelen“) hat eine Maschenweite von 14 Millimetern, damit zu kleine Tiere sich darin gar nicht erst verfangen. Die Maschenweite des zweiten Netzes, mit dem Fische ausgeschleust werden, ist deutlich größer.
Fischer fürchten Todesstoß aus Brüssel
Schröder glaubt nicht, dass die von den Krabbenfischern seit vielen Jahrzehnten im Wattenmeer und im Flachwasser der Nordsee praktizierte Fangmethode den Meeresboden schädigt. Sicher ist er sich aber, dass es der Todesstoß für die 54 Küstenfischer-Betriebe in Niedersachsen wäre, wenn der Vorstoß der EU-Kommission Erfolg haben sollte, das Fischen mit Grundschleppnetzen ab 2030 in allen Schutzgebieten verbieten. Erste Einschränkungen im Nationalpark Wattenmeer wären nach dem Vorschlag aus Brüssel schon 2024 spürbar.
Die Fanggebiete von Schröder liegen ausnahmslos in Schutzgebieten, sei es im Nationalpark Wattenmeer oder in EU-Natura-2000 Gebieten. Eine Verlagerung der Fischerei in die offene Nordsee ist mit den kleinen, schwach motorisierten deutschen Krabbenkuttern nicht möglich. „Und mit einen Netz oder der Angel kannst du halt keine Krabben fangen“, sagt Schröder.
Zusammen mit nahezu allen anderen niedersächsischen Krabbenfischern hat Schröder vor eine Tagen am Rande der Agrarministerkonferenz in Büsum gegen die EU-Pläne protestiert. Durchaus mit Erfolg, wie es scheint. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) und alle norddeutschen Landesfischereiminister haben sich für den Erhalt der deutschen Krabbenfischerei ausgesprochen. Ein Grund zur Entwarnung ist das für Schröder nicht. „Gut, ein Pauschalverbot für die Grundnetzfischerei wird in 2024 nicht kommen. Aber was heißt das für 2025, 2026 …?“
Bürokratie hat die Fischer am Haken
Nicht nur die EU habe die Fischer im Visier, klagt der Hooksieler Fischer. Unnötige Bürokratie erschwere in Deutschland den Arbeitsalltag erheblich. Als Beispiel nennt Schröder das „Fischereilogbuch“. Dabei handelt es sich um einen auf jedem Kutter fest installierten Computer, über den die Fischer ihre Fangmengen an der Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Hamburg melden müssen – und zwar spätestens 24 Stunden nach dem Festmachen des Kutters im Hafen. Zwingend. Obwohl es für die Krabbenfischerei keine Fangquoten gibt.
„Da ist man zwölf Stunden an Bord, übergibt im Hafen den Fang an den Großhändler, der einem nach Größen-Sortierung und Wiegen der Krabben einige Stunden später die genaue Fangmenge mitteilt, die in den Handel oder zum Pulen nach Marokko geht“, gibt Schröder Einblick in die Praxis. „Dann bin ich gerade mal zu Hause bei meiner Familie und dann wieder los an Bord, um die Meldung ans BEL abzusetzen.Warum gibt es dafür nicht längst eine App auf dem Handy?“
Warum Schröder von der Politik enttäuscht ist
Sorgen bereitet dem Hooksieler die zunehmende Industrialisierung der Jade. Niemand könne derzeit genau sagen, welche Folgen der Betrieb des LNG-Verarbeitungsschiffes „Höegh Esperanza“ und die erlaubte Einleitung von mit Bioziden versetztem Abwasser des Schiffes auf das Ökosystem Wattenmeer haben. Er werde nicht gegen die Anlage klagen. „Das bringt ja doch nichts“, so Schröder. Geärgert habe ihn aber die schlechte Kommunikation. Noch im Oktober habe Olaf Lies, als Umweltminister, in Wilhelmshaven den direkt betroffenen Fischern Gespräche zugesagt. „Und passiert ist dann gar nichts.“
Die Fangmengen der „Trotz“ schwankt zwischen 100 Kilogramm und dem Spitzenwert von zwei Tonnen am Tag. Pro Kutter und Jahr kommen so im Schnitt etwa 60 Tonnen zusammen. Ob die Arbeit sich gelohnt hat, hängt aber nicht nur von der Menge ab. Der Krabbenpreis ist stark schwankend. Zuletzt lag er 2021 noch bei 4,30 Euro je Kilo, kletterte er 2022 parallel zu stark steigenden Allgemeinkosten auf 6,05 Euro – für die Fischer wohlgemerkt. Im Handel kostet ein Kilo ungepulter Krabben um die 15 Euro.
Mit Direktvermarktung durch die Corona-Krise
Ein entscheidender Faktor für den Preis ist die Nachfrage. Die rutschte während der Corona-Pandemie in den Keller. Geschlossene Gaststätten, kaum Feste, keine Krabbenbrötchen-Stände.„Uns hat in den zurückliegenden beiden Jahren die Direktvermarktung hier in Hooksiel sehr geholfen“, sagt Schröder. Das Angebot, frische Krabben direkt beim Fischer zu kaufen, werde es auch künftig geben – allerdings nicht mehr am Wohnhaus der Schröders, sondern am Kutter im Außenhafen. Premiere war am Donnerstag. Eine ganze Reihe von Stammkunden kamen. Sie wurden per WhatsApp informiert, wann der Krabbenverkauf beginnt. Kilopreis zum Saisonstart: 13 Euro.
Fangsaison von März bis Dezember? Also haben Krabbenfischer drei Monate Urlaub? Schröder lacht. Tatsächlich sei er mit seiner Familie für ein paar Tage in die Sonne geflogen. Aber auch im Winter gebe es am Kutter jede Menge zu tun. „Wir erledigen dann alle Arbeiten, für die in der Fangsaison die Zeit fehlt. Jetzt haben wird zum Beispiel alle Keilriemen ausgewechselt, damit uns keiner auf See reißt.“
Die „Trotz“, Kennung Hoo-60, ist 1970 gebaut worden, also schon über 50 Jahre alt. Macht dem Schiff das Alter nichts aus? „Natürlich. Dass ist so, als wenn man mit einem 50 Jahre alten Lastwagen über die Straßen fährt“, sagt Schröder. Aber an die Millioneninvestition in einen neuen Kutter sei derzeit aber gar nicht zu denken. „Dafür gibt uns keine Bank einen Kredit.“ Auch das ist einer der Gründe , warum die Tage der deutschen Krabbenkutter-Flotte gezählt sein könnten.
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