Hilfe für Krabbenfischer: Breite Front gegen Pauschalverbot für Grundnetze

Hooksiel/Büsum (21. 3. 2023) – Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) lehnt ein Pauschalverbot für die Fischer mit Grundschleppnetzen in den deutschen Küstengewässern ab. „Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, die Fischerei nachhaltiger zu machen“, sagte Özdemir in einer Stellungnahme zum „EU-Aktionsplan: Schutz und Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“. Darin hatte die EU-Kommission das Verbot der „grundberührenden Fischerei“ ab 2024 angeregt. Ein Pauschalverbot, so der Minister hätte gravierende Folgen für die deutsche Krabbenfischerei, die von „großer sozioökonomischer und kultureller Bedeutung“ sei. „Wir werden uns in den Beratungen dafür einsetzen, gemeinsam mit Fischerei und Wissenschaft Fangmethoden weiterzuentwickeln, um die Umweltauswirkungen zu minimieren.“

Die deutschen Küstenfischer laufen seit Wochen gegen die EU-Pläne Sturm. Am morgigen Mittwoch wollen sie mit ihren Kuttern in Büsum demonstrieren. Direkt am Hafen tagt die Agrarministerkonferenz mit Özdemir.

Unterdessen hat sich mit der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) der erste Umweltschutzverband gegen die EU-Pläne ausgesprochen. Der Vorsitzende, Varels Bürgermeister Gerd-Christian Wagner: „Ohne eine nachhaltige Küstenfischerei hat unsere Nordsee, bei all ihrer industriellen Nutzung, kaum mehr eine Chance, noch wenigstens ein der Natur nahes Refugium zu bleiben!” Die Schutzgemeinschaft fordert alle norddeutschen Landesregierungen, die Bundesregierung, den Ministerrat und das Europäische Parlament auf, „die überzogenen Forderungen der EU-Kommission abzulehnen, die zum Aus der deutschen Küstenfischerei führen würde.“ 

Der EU-Aktionsplan würde schlicht das Gegenteil bewirken. „Mit den Küstenfischern verschwände eine fachkundige Gruppe, die direkt und vor Ort negative Veränderungen der Meeresumwelt tagesaktuell sowie großflächig bemerken und wohl auch öffentlich machen würde“, sagt Wagner. Diese negativen Veränderungen im Wattenmeer würden nicht durch die für ihre Nachhaltigkeit mit dem MSC-Sigel zertifizierten Krabbenfischerei verursacht, sondern, so der stellvertretende SDN-Vorsitzende, Ulrich Birstein „durch sehr viel größere Bedrohungen wie Schadstoffeinträge, Erwärmung, Plastikmüll, Gammelfischerei, Eutrophierung, Sandentnahmen, militärische Nutzung, Offshore- Windparks, Baggergutverklappungen und vieles mehr“. 

Die Einrichtung der Nationalparke Wattenmeer sei nicht gegen, sondern gemeinsam mit den Krabbenfischern erfolgt, so Wagner. „Und die Fischereifamilien würden mit technischen Verbesserungen am Fanggeschirr, Monitoring des Beifangs und eigenen Managementsystemen hart daran arbeiten, ihren Einfluss auf die Meeresumwelt immer weiter zu minimieren.“ 

Anders der Naturschutzbund Nabu. Er erwartet von der Agrarminister-Konferen ein klares Bekenntnis der Bundesministerien für Fischerei und Umwelt zum EU-Aktionsplan. Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen: „Dazu braucht es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die einen Fahrplan erarbeitet, um das deutsche Schutzgebietsnetzwerk frei von grundberührenden Fanggeräten zu halten. Zugleich braucht es eine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Fanggeräte und eine Forschungsoffensive bei der Entwicklung umweltschonender Fangtechnik. Wir brauchen gemeinsame Lösungen von Fischerei und Naturschutz. Klar ist: ein Weiter so ist keine Option.“

Grüne Ministerin gegen pauschales Verbot von Schleppnetz-Fischerei

Hooksiel/Hannover (16. 3. 2023) – Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) trifft sich morgen in Neuharlingersiel mit Vertretern der Küstenfischerei. Sie will mit dem Landesfischereiverband Weser-Ems über das von der EU-Kommission im Februar vorgeschlagene Maßnahmenpaket „Verbesserung der Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Fischerei- und Aquakultursektors der EU“ sprechen.

Kutter im Außenhafen
Der Hooksieler Außenhafen dient vielen Küstenfischern als Schutzhafen. Foto: Dietmar Bökhaus

Ziel der Maßnahmen ist der Schutz und die Wiederherstellung von Meeres-Ökosystemen. Der Aktionsplan sieht in einem ersten Schritt vor, schon ab April 2024 die grundberührende Schleppnetzfischerei in FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat) zu verbieten, die dem Schutz bestimmter Meeresboden-Lebensraumtypen dienen. Schrittweise soll nach dem Vorschlag der Kommission das Verbot bis 2030 auf alle Schutzgebiete in der Nordsee ausgedehnt werden. Von diesen Regeln wäre dann der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer vollständig betroffen, bestätigt das Landwirtschaftsministerium auf Anfrage von „Hooksiel-life“.

Die Fischer in Niedersachsen und Schleswig-Holstein laufen sei Wochen gegen die EU-Pläne Sturm. Besonders die Krabbenfischer wären hart betroffen. Mit einem Verbot der Grundnetzfischerei drohe ihnen spätestens 2030 das Aus, hatten auch die Hooksieler Krabbenfischer in dieser Woche gewarnt und Widerstand angekündigt. 

Entscheidung noch vor der Sommerpause?

Über die EU-Vorschläge werde der EU-Rat für Landwirtschaft und Fischerei am kommenden Montag in Brüssel beraten. Es seien noch Abstimmungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten erforderlich, bevor die Pläne in der Ratsarbeitsgruppe voraussichtlich vor der Sommerpause im Rat angenommen werden sollen, heißt es aus Hannover. Landwirtschaftsministerin Staudte sei es deshalb ein persönliches Anliegen, mit Vertretern der Küstenfischerei zu sprechen. 

Die EU-Kommission will nach eigenem Bekunden den Übergang zu nachhaltigeren Fangmethoden beschleunigen. Die Krabbenfischer halten dem entgegen, dass viel von ihnen schon jetzt mit dem MSC-Standard zertifiziert nachhaltig fischen. Zudem würde ihr leichtes Fanggeschirr, das auf Rollen über den Grund gleite, keine Schäden am Meeresboden anrichten. 

Die Auswirkungen der Grundschleppnetzen auf den Meeresboden hängen nach Ansicht von Ministerin Staudte von der Art des Meeresbodens, der Störungsempfindlichkeit seiner Lebensgemeinschaften, der Art der Schleppnetzfischerei und der Intensität der Fischerei ab. Die Auswirkungen ließen sich nicht pauschal beurteilen. „Ob die betreffende Fischerei mit den Schutzzielen vereinbar ist, bedarf zwingend einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten“, so das Ministerium.

Forscher untersuchen Auswirkungen auf Meeresböden

Für Klarheit soll ein mit Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) und der Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen finanziertes dreijähriges Forschungsprojekt unter Federführung des Thünen-Instituts für Seefischerei sorgen, das die Auswirkungen der Krabbenfischerei auf Habitate und Lebensgemeinschaften im Küstenmeer untersucht. „Die Ergebnisse dieses Projektes sollen eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Bewertung des Einflusses der Garnelenfischerei liefern und werden zeitnah veröffentlicht“, verspricht die Ministerin.

Staudte setzt auf Gespräche mit Fischern

Pauschale Verbote jeglicher grundberührender Schleppnetzfischerei in den Schutzgebieten des niedersächsischen Küstenmeeres hätten scherwiegende sozioökonomische Auswirkungen, weiß man auch in Hannover. Grundsätzlich sei es aber sinnvoll, die Fischerei auf nachhaltigere Fangmethoden umzustellen, ist die Ministerin überzeugt. „Es muss jedoch in die Entwicklung von Alternativen investiert werden, damit die Küstenfischerei in Niedersachsen nicht ihre ökonomische Grundlage verliert.“

Das Ziel der EU-Kommission, den Fischereisektor widerstandsfähiger zu machen, ist nach Überzeugung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums mit einem pauschalen Verbot in Schutzgebieten nicht erreichbar. „Es braucht eine differenzierte Lösung für das Wattenmeer“, so Miriam Staudte: „Hierzu sind nun Gespräche notwendig.“

Krabbenfischer fürchten um ihre Existenzgrundlage

Hooksieler Fischer
Mit einem Kreuz am Alten Hafen machen die Hooksieler Krabbenfischer auf ihre Sorgen aufmerksam: (von links) Jörg Peters, Sven Kaiser, Nils Schröder und Sebastian Dreyer. Foto: hol

Hooksiel (14. 3. 2023) – Bei den Fischern schrillen die Alarmglocken. Nachdem die EU-Kommission den Vorschlag gemacht hat, die Fischerei mit Grundnetzen in sämtlichen Schutzgebieten der Nordsee ab 2030 zu verbieten, fürchten sie um ihre Existenz. Seit heute stehen an allen Fischereihäfen an der Nordseeküste mahnende Kreuze, die auf das drohende Ende der traditionellen Küstenfischerei in Deutschland hinweisen.

„Wir wollen nicht zum Bauernopfer der grünen Energie werden“, sagt Krabbenfischer Nils Schröder, der heute zusammen mit seinem Mitarbeiter Sebastian Dreyer sowie den Krabbenfischern Jörg Peters und Sven Kaiser am Alten Hafen in Hooksiel ein schwarzes Kreuz aufgestellt hat. „Wir wollen in einem ersten Schritt die Öffentlichkeit sensibilisieren“, sagt Schröder. Als zweiter Schritt ist eine Großdemonstration aller Küstenfischer am 23. März vor Büsum geplant – pünktlich zur Agrarministerkonferenz mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sollen in Sichtweite des Konferenz-Hotels möglichst alle deutschen Kutter liegen. 

Özdemir habe die EU-Pläne ausdrücklich begrüßt, sagt Schröder. Aus ökologischen Gründen. Dabei würden die leichten Netze der Krabbenfischer gar keinen Schaden am Meeresboden der Nordsee verursachen. Besonders dramatisch aus Sicht der Fischer: Der EU-Aktionsplan sieht schon ab März 2024 Einschränkungen für Teile des Nationalparks Wattenmeer vor. „Wenn das wie geplant umgesetzt wird, gibt es ab 2030 keine deutschen Krabbenfischer mehr.“

Die Fischer sehen sich als Opfer der Industrialisierung der Nordsee. Immer mehr Windparks auf hoher See, Kabeltrassen, Pipelines. „Dafür werden Ausgleichsflächen benötigt“, befürchten die Fischer. Und dafür sollen dann die Fischereizonen eingeschränkt werden. Das Problem: Zumindest für die deutschen Krabbenfischer, die traditionell mit kleinen Booten auf See gehen, gibt es keine alternativen Fanggründe. 

Am Jadebusen gibt es nur noch vier Krabbenfischer, Hooksiel, Horumersiel und Varel in See stechen. Allerdings würde das Aus der Krabbenfischerei auch erhebliche Folgen für den Tourismus an der deutschen Nordseeküste haben, ist Schröder überzeugt. „Stellen Sie sich mal Greetsiel, Neuharlingersiel oder auch Büsum ohne Krabbenfischer vor …“. Und auch Hooksiel wäre ohne seine Fischer um eine Attraktion ärmer.