Verity-Unglück: Bund muss großen Teil der Bergungskosten tragen

Hooksiel (11. 1. 2024) – Der Bund wird voraussichtlich auf einem erheblichen Teil der Kosten der Bergung der „Verity“ sitzen bleiben. Das bestätigt die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (Bonn) gegenüber „Hooksiel-Life“. Fachleute gehen davon aus, dass mehrer Millionen Euro nicht von der Versicherung des Reeders gedeckt sind.

Die Eigner des britischen Frachters, der am 24. Oktober 22 Kilometer südwestlich von Helgoland, nach einem Zusammenstoß mit dem Frachter „Polesie“ gesunken war, hatte bereits Anfang Dezember erklärt, dass er das Wrack nicht bergen und keine Maßnahmen zur Bergung des Treibstoffes durchführen werde. Das 91 Meter lange Schiff liegt in gut 30 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund.

Sicherheitstonne an der Verritt
Die ausgelegte beleuchtete Einzelgefahrtonne markiert das Wrackgebiet. Die Verkehrszentrale Wilhelmshaven überwacht das Gebiet mit Radar und AIS.  Foto: WSV

Die Generaldirektion habe sofort die Prüfungen zur Bergung des Wracks veranlasst. Dazu hätten juristische Fragen, eine Bewertung der verkehrlichen Situation in der viel befahrenen Schifffahrtsstraße, die Analyse des finanziellen Aufwands der Bergung und Sicherheitsthemen gehört, so Pressesprecherin Claudia Thoma. Die Bergung des Wracks werde vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee ausgeschrieben. „Wann das Wrack dann geborgen werden kann, hängt unter anderem von den Wetterbedingungen ab“, so Thoma.

Bei dem Unglück sind vermutlich fünf Seeleute ums Leben gekommen. Zwei Verletzte wurden gerettet, eine Leiche geborgen. Vier Besatzungsmitglieder der „Verity“ gelten seither als vermisst. An der Rettungsaktion war auch der in Hooskiel stationierte Seenotrettungskreuzer „Bernhard Grben“ der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) beteiligt. Die Überlebenden waren im Anschluss von der Seemannsmission Wilhelmshaven betreut worden.

Unglücksstelle ist abgesichert

Derzeit bestehe keine akute Gefahr, dass Treibstoff aus dem auf dem Grund liegenden Schiffes austreten könnte. Schiffe der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) würden bei Kontrollfahrten eventuelle Schadstoffaustritte überwachen. Erstmaßnahmen am Wrack, mit denen die Sicherheit des Schiffsverkehrs gewährleistet werden sollte, waren bereits Mitte November abgeschlossen. Beide Masten der „Verity“ wurden gekappt und liegen sicher auf dem Wrack, so Thoma. Alle Verschlüsse der Brennstoffleitungen und der Tankentlüftungen seien überprüft, verschlossen bzw. abgedichtet worden. Um die Unglücksstelle wurde zudem ein Sperrgebet von einer halben Seemeile eingerichtet. 

Der Eigner beruft sich auf die Regeln der Internationalen Haftungsbeschränkung (Londoner Haftungsbeschränkungs-Übereinkommen), wonach er seine Haftung auf eine bestimmte Höchstsumme begrenzen kann. „Die begrenzte Haftung wird deutlich unter den zu erwartenden Kosten der Bergung liegen“, ist man bei der WSV überzeugt. Nach Informationen der „Kieler Nachrichten“ soll die Haftungssumme für die „Verity“ bei zwei Millionen Euro liegen. Die Bergung könnte rund zehn Millionen Euro kosten.

Eigner pocht auf Haftungsbeschränkung

Das Londoner Abkommen zur Haftungsbeschränkungs ist weltweit gütig. Es wurde 1976 von allen Schifffahrtsnationen beschlossen, damit es bei Unfällen auf See einerseits eine von den Versicherungen garantierte Mindestsumme für die Geschädigten gibt und andererseits die Kosten für die Haftungspolicen von den Reedern finanziell getragen werden können. 

Im Falle der Havarie der „Verity“ sind danach alle Kosten im Rahmen der Bergung, die über die garantierte Mindestsumme hinausgehen, vom Bund zu tragen. Alle weiteren Kosten (zum Beispiel für Maßnahmen zur Absicherung der Unfallstelle mit Schiffen und der Einsatz eines Ölüberwachung-Flugzeuges) würden unabhängig von den Bergekosten mit den Versicherungen abgerechnet. 

Suche ohne Ergebnis: Keine Hoffnung mehr für vermisste Seeleute

Hooksiel/Bremen/Cuxhaven (25. 10. 2023) – Die Suche nach den vier Vermissten nach der Schiffskollision in der Deutschen Bucht wurde in der Nacht zum Mittwoch eingestellt. Wie das Havariekommando (Cuxhaven) mitteilt, soll heute die Suche nach den vier Besatzungsmitgliedern des 91 Meter langen Frachters „Verity“ an der Oberfläche wieder aufgenommen werden. Wie der Leiter des Havariekommando, Robby Renner, am Mittwochnachmittag sagte, gebe es aber keine Hoffnung mehr, die Vermissten lebend zu finden.

Die Seeleuten gelten seit zum Zusammenstoß der „Verity“ am Dienstag gegen 5 Uhr mit dem Frachter „Polesie“ als vermisst. Im Anschluss hatten etliche Schiffe und Hubschrauber das Seegebiet an der Unglücksstelle etwa 22 Kilometer südwestlich Helgoland und 31 Kilometer nordöstlich der Insel Langeoog abgesucht. Darunter war als eine der ersten Einheiten der in Hooksiel stationierte Seenotrettungskreuzer „Bernhard Gruben“. Ein Seemann wurde tot, zwei verletzt geborgen. Die „Polesie“ mit 22 Mann an Bord hat gegen 4 Uhr in der Nacht in Cuxhaven festgemacht.

Wie es zu der Kollision in dem sehr gut überwachten Kreuzungsgebiet von zwei Wasserstraßen kommen konnte, ist noch unklar. Noch nicht abzusehen sind auch mögliche Schäden für die Umwelt. Die auf 30 Meter Tiefe liegende „Verity“, die Stahlrollen geladen hatte, soll unter anderem 1300 Kubikmeter Diesel an Bord haben. 

Wie das Havariekommando Mittwoch früh mitteilte, sei das Seegebiet auch in der Nacht noch ein weiteres Mal vollständig abgesucht worden. Dabei seien Nachtsichtgeräte und Wärmebildkameras eingesetzt worden. „Nachdem dies keine Ergebnisse erbracht hatte, stellten die Einsatzkräfte die Suche ein“, hieß es. Bei einer Wassertemperatur von zwölf Grad war man davon ausgegangen, bis gegen Mitternacht noch Überlebende aus der See bergen zu können. 

Im Laufe des Mittwochs habe ein ferngesteuerter Tauchroboter das Schiffswrack erreicht. Auch dabei habe man keine Lebenszeichen der Vermissten entdeckt. Am Dienstag hatten Taucher aufgrund von starker Strömung den Versuch, zur „Verity“ zu kommen, abbrechen müssen.

Das Havariekommando hat am späten Nachmittag die Gesamteinsatzleitung an das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee abgegeben. Für die jetzt im Fokus stehende Untersuchung der Unfallursache ist die Bundespolizeidirektion See zuständig. Zudem werde Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung zusammen mit dem Marine Accident Investigation Branch (Großbritannien) die Untersuchung des Seeunfalls durchführen.

Anmerkung: Der Artikel wurde im Laufe des Tages aktualisiert.

Frachtschiff in der Deutschen Bucht gesunken: Vier Menschen vermisst

Suche nach Schiffbrüchigen
Die Suche nach den vermissten Seeleuten des Frachters „Verity“ blieb bis zum Einbruch der Dunkelheit ohne Ergebnis. Foto: Seenotretter-DGzRS

Hooksiel/Bremen (24. 10. 2023) – In der Nacht zum Dienstag, gegen 5 Uhr, ist es zu einer Schiffskollision in der Deutschen Bucht gekommen. Dabei wird mindestens ein Seemann getötet. Wie die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) mitteilte, stießen etwa zwölf Seemeilen (22 Kilometer) südwestlich der Insel Helgoland und 17 Seemeilen (31 Kilometer) nordöstlich der Insel Langeoog die Frachtschiffe „Polesie“ und „Verity“ zusammen. Das Havariekommando Cuxhaven hat die Gesamteinsatzleitung übernommen.

Suche nach Schiffbrüchigen läuft

Das Havariekommando geht davon aus, dass die „Verity“ infolge der Kollision gesunken ist. Zwei Menschen konnten aus dem Wasser gerettet werden. Sie werden medizinisch versorgt. „Mehrere weitere Menschen werden derzeit vermisst“, hieß es gegen 9 Uhr. Später wurde klar, dass es sich um noch vier Vermisste handelt. Die Schiffbrüchigen, so eine Hoffnung, könnten sich im Schiffsrumpf befinden. Taucher suchten noch am Abend nach ihnen.

Die „Polesie“ war nach der Kollision noch schwimmfähig. Sie hatte 22 Menschen an Bord. Zu der Ursache des Unglücks gab es vorerst keine Aussagen. Klar ist aber wohl: Das Wrack der „Verity“ wird aus 30 Metern Tiefe geborgen werden müssen, da es ein Hindernis auf der stark befahrenen Schifffahrtsstraße wäre.

Bernhard Gruben DGzRS
Der in Hooksiel stationierte Seenotrettungskreuzer „Bernhard Gruben“ sucht nach der Kollision zweier Frachter in der Deutschen Bucht nach vermissten Seeleute. Foto: DGzRS/Frank Kahl

Die Crew der „Hermann Marwede“ koordinierte die Suche vor Ort. Beteiligten waren die Seenotrettungskreuzer „Hermann Marwede“ (Station Helgoland), „Bernhard Gruben“ (Hooksiel) und „Anneliese Kremer“ (Cuxhaven) der DGzRS, der Notschlepper „Nordic“, der Lotsentender „Wangerooge“, die „Atair“ vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie sowie aus Wilhelmshaven das Mehrzweckschiff „Mellum“ (Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung) und die Wasserschutzpolizeiboote „W 3“ und „Sylt“ sowie ein SAR-Hubschrauber „Sea King“ der Deutschen Marine.

Ärzte an Bord eine Kreuzfahrtschiffes stehen bereit

Das Havariekommando lies das Seegebiet zudem vom Sensorflugzeug „DO 228“ überfliegen, um weitere Erkenntnisse zu erhalten. Das Kreuzfahrtschiff „Iona“ unterstützte die Suche. An Bord der „Iona“ können auch Personen medizinisch versorgt werden; es befinden sich Ärzte an Bord. Weiteres medizinisches Personal brachte das Havariekommando per Helikopter zur Unfallstelle. Im Seegebiet herrschen bis zum Abend Windstärken von sechs Beaufort und raue See mit einem Wellengang von drei Metern Höhe. Die Wassertemperatur liegt bei 12 Grad.

Die unter britischer Flagge laufende 91 Meter lange „Verity“ war auf dem Weg von Bremen nach Immingham in Großbritannien. 190 Meter lange „Polesie“ (Flagge: Bahamas) wollte von Hamburg nach La Coruña in Spanien fahren.

Anmerkung: Der Artikel wurde am Dienstagabend aktualisiert.

Katastrophe auf See könnte Nationalpark Wattenmeer zerstören

Hooksiel/Friesland (4. 8. 2023) – Der havarierte Autofrachter „Fremantle Highway“ ist nach Eemshaven (Niederlande) geschleppt worden. Damit habe die , so Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), „tagelange Zitterpartie hat nun hoffentlich ein Ende“.

Gezittert wurde nicht nur um das Schicksal von Besatzung und Ladung des Frachters. An Bord waren rund 3800 Autos. Bei dem Unglück vor Borkum waren ein Seemann getötet und sieben verletzt worden. Die Sorge galt und gilt auch dem Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer. Eine Ölpest im ökologisch so wichtigem Wattenmeer hätte auch für den Tourismus fatale Folgen.

Nationalpark Wattenmeer
Traumhaft schön, aber ständig in Gefahr: Eine Schiffskatastrophe könnte den Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer massiv schädigen. Umweltschützer fordern Konsequenzen nach dem Brand eines Autofrachters in der Nordsee. Foto: Bildwerfer

Minister Lies, der in Sande (Friesland) zu Hause ist, lobt: „Das besonnene Vorgehen der niederländischen Expertinnen und Experten konnte eine Umweltkatastrophe im Wattenmeer abwenden. Gerade Niedersachsen wäre als Anrainer auch stark betroffen gewesen.“ Auch Umweltminister Christian Meyer (Grüne) lobt die Entscheidung der niederländischen Regierung, den havarierten Frachter nach Eemshaven zu schleppen. Dort soll jetzt die Ladung geborgen und die Unglücksursache erforscht werden. Angenommen wird, dass Elektroautos in Brand geraten sind. Ihre Batterien sind nur schwer zu löschen.

Brandschutz soll verbessert werden

Meyer unterstützt die Entscheidung der Weltschifffahrtsorganisation IMO der Vereinten Nationen, die Sicherheits- und Brandschutzstandards für Autofrachter deutlich zu erhöhen und sich auch speziell mit der Gefahr von Bränden von Elektroautos auseinanderzusetzen. Zudem fordert der Grünen-Politiker die Bundesregierung auf, Konsequenzen aus den Schiffkatastrophen „Pallas“, „MSZ Zoe“ und dem Brand auf der „Freemantle Highway“ zu ziehen und für Gefahrguttransporte, die küstenferne Route vorzugeben. Meyer: „Denn wahrscheinlich ist das Wattenmeer gerade noch von einer verheerenden Ölpest verschont geblieben.“ Wäre der Frachter auf See gesunken oder auseinander gebrochen, wären rund 1600 Tonnen Schweröl und weitere 500 Tonnen Marinediesel ins Meer gelangt und damit auch ins nahe Wattenmeer geschwemmt worden. 

SDN: Je größer die Schiffe, desto größer die Gefahr

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) hebt die gute Zusammenarbeit der niederländischen Küstenwache und dem deutschen Havariekommando (Cuxhaven) hervor. Zu der grenzüberschreitenden Hilfeleistung, so der SDN-Vorsitzende Gerd-Christian Wagner, Bürgermeister von Varel, habe der Einsatz des Notschleppers „Nordic“ gehört, der maßgeblich dazu beigetragen habe, dass die Außenhaut des brennenden Frachters erfolgreich gekühlt werden konnte.

„Allerdings,“ so Ulrich Birstein, zweiter Vorsitzender der Schutzgemeinschaft: „Die Gefahr für die Nordsee und ihre Lebensräume ist damit  für die Zukunft nicht beseitigt.“ Insbesondere müsse man sich angesichts der steigenden Zahl von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schifffverkehrs einsetzen. Die Industrialisierung der Meere enge die Fahrwege für die Schifffahrt ein. Und je größer die Schiffe würden, desto größer sei die davon ausgehende Gefahr für die Nordsee und das Wattenmeer.

Dabei ist der Ort eines Unglücks aus Sicht der SDN nahezu unerheblich. Im Falle einer Öl-Havarie würde das Öl (oder andere Schadstoffe) treibe an der Oberfläche, in der Wassersäule und auf dem Meeresgrund nahezu immer in Richtung Inseln und Wattenmeer treiben – in mehr oder weniger langen Zeiträumen. Einziger Vorteil einer Küstenferne, so die SDN: „Das Wattenmeer nebst der Küstenregion hätte mehr Zeit zur Vorbereitung.“ 

Die Schutzgemeinschaft fordert unter anderem verstärkt ortsnahe Produktion und damit geringeren Transportbedarf, insbesondere weniger Transporte von Schadstoffen, eine norddeutsche (Container-)Hafen-Kooperation sowie effektivere Feuerlösch-Einrichtungen auf den Schiffen.

Nabu: Meeresschutz wichtiger als Wirtschaftsinteressen

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller fordert politische Konsequenzen zum Schutz des Wattenmeeres. „Es ist fahrlässig, eine der meist befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt, die Route ,Terschelling German Bight‘ so nah an diesem einzigartigen Ökosystem entlangzuführen. Tanker, große Containerschiffe und Gefahrguttransporte – zu denen ab sofort auch Autotransporte gehören sollen – müssen zwingend auf das weiter nördlich liegende Verkehrstrennungsgebiet ausweichen. So gewinnt die Küstenwache im Havariefall kostbare Zeit.”

Der Schutz des Wattenmeers müsse endlich Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben, fordert der NABU. Grundsätzlich sieht der Naturschutzbund großen Nachholbedarf beim Schutz von Nord- und Ostsee. „Es ist ja kein Einzelfall, dass Schifffahrtslinien quer durch Meeresschutzgebiete gehen.“ Der NABU erwartet von der Ampel-Koalition in Berlin, „die versprochene Meeresoffensive zum Schutz der Meeresnatur endlich entschlossen anzugehen“.