Landkreis gibt Katastrophenalarm: Gilftgaswolke über Friesland

Friesland (15. 03. 2023) – Der Landkreis Friesland hat heute um 13.17 Uhr Katastrophenalarm ausgelöst. Der Grund: Beim Quellbad in Varel-Dangast ist eine Chlorgaswolke ausgetreten, die sich nach Einschätzung des Landkreises bis nach Wilhelmshaven ausbreiten könnte.

Alle Bürger werden aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten.

Auslöser für den Schadstoffunfall war nach ersten Informationen der Polizei ein Fehler beim Befüllen des Chlortankes. Dabei sei gegen 11.30 Uhr Schwefelsäure statt Chlor in einen Tank gefüllt worden. „Infolge einer chemischen Reaktion explodierte der Tank“, so die Polizei.

Im Bad seien zum Zeitpunkt des Störfalls keine Gäste gewesen. Personen seien nicht verletzt wordedie n. Ein Großaufgebot der Feuerwehren sei ausgerückt, um das Feuer zu löschen. Wie lange Wolke mit giftigen Gasen gefährlich sein kann, blieb zunächst ungewiss.

Krabbenfischer fürchten um ihre Existenzgrundlage

Hooksieler Fischer
Mit einem Kreuz am Alten Hafen machen die Hooksieler Krabbenfischer auf ihre Sorgen aufmerksam: (von links) Jörg Peters, Sven Kaiser, Nils Schröder und Sebastian Dreyer. Foto: hol

Hooksiel (14. 3. 2023) – Bei den Fischern schrillen die Alarmglocken. Nachdem die EU-Kommission den Vorschlag gemacht hat, die Fischerei mit Grundnetzen in sämtlichen Schutzgebieten der Nordsee ab 2030 zu verbieten, fürchten sie um ihre Existenz. Seit heute stehen an allen Fischereihäfen an der Nordseeküste mahnende Kreuze, die auf das drohende Ende der traditionellen Küstenfischerei in Deutschland hinweisen.

„Wir wollen nicht zum Bauernopfer der grünen Energie werden“, sagt Krabbenfischer Nils Schröder, der heute zusammen mit seinem Mitarbeiter Sebastian Dreyer sowie den Krabbenfischern Jörg Peters und Sven Kaiser am Alten Hafen in Hooksiel ein schwarzes Kreuz aufgestellt hat. „Wir wollen in einem ersten Schritt die Öffentlichkeit sensibilisieren“, sagt Schröder. Als zweiter Schritt ist eine Großdemonstration aller Küstenfischer am 23. März vor Büsum geplant – pünktlich zur Agrarministerkonferenz mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sollen in Sichtweite des Konferenz-Hotels möglichst alle deutschen Kutter liegen. 

Özdemir habe die EU-Pläne ausdrücklich begrüßt, sagt Schröder. Aus ökologischen Gründen. Dabei würden die leichten Netze der Krabbenfischer gar keinen Schaden am Meeresboden der Nordsee verursachen. Besonders dramatisch aus Sicht der Fischer: Der EU-Aktionsplan sieht schon ab März 2024 Einschränkungen für Teile des Nationalparks Wattenmeer vor. „Wenn das wie geplant umgesetzt wird, gibt es ab 2030 keine deutschen Krabbenfischer mehr.“

Die Fischer sehen sich als Opfer der Industrialisierung der Nordsee. Immer mehr Windparks auf hoher See, Kabeltrassen, Pipelines. „Dafür werden Ausgleichsflächen benötigt“, befürchten die Fischer. Und dafür sollen dann die Fischereizonen eingeschränkt werden. Das Problem: Zumindest für die deutschen Krabbenfischer, die traditionell mit kleinen Booten auf See gehen, gibt es keine alternativen Fanggründe. 

Am Jadebusen gibt es nur noch vier Krabbenfischer, Hooksiel, Horumersiel und Varel in See stechen. Allerdings würde das Aus der Krabbenfischerei auch erhebliche Folgen für den Tourismus an der deutschen Nordseeküste haben, ist Schröder überzeugt. „Stellen Sie sich mal Greetsiel, Neuharlingersiel oder auch Büsum ohne Krabbenfischer vor …“. Und auch Hooksiel wäre ohne seine Fischer um eine Attraktion ärmer. 

Auch bessere Wasserqualität verändert Lebensbedingungen im Watt

Hooksiel/Wilhelmshaven (9. 3. 2023) – Ein Team von Forschenden, unter ihnen die Senckenberg-Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Ingrid Kröncke und Dr. Anja Singer aus Wilhelmshaven, hat eine signifikante Abnahme in der Häufigkeit, der Biomasse und der räumlichen Verbreitung von charakteristischen Wattenmeer-Arten im ost-friesischen Wattenmeer festgestellt. Betroffen sind unter anderem Schnecken, Muscheln, Krebsen und Würmer. 

Das Team verglich einen umfangreichen Datensatz aus dem Jahr 2018 von etwa 500 Messstationen mit einem historischen Datensatz aus den 1980er Jahren. Den Artenwandel im Wattenmeer führen die Wissenschaftler in ihrer im Fachjournal „Frontiers in Marine Science“ erschienenen Studie auf eine verringerte Nährstoffbelastung und Auswirkungen des Meeresspiegel-Anstiegs auf die Lebensgemeinschaften im Wattboden zurück.

„Die in den 1980er Jahren noch dominante Gemeine Wattschnecke, der Bäumchenröhrenwurm oder die Sandklaffmuschel haben in ihrer Häufigkeit um mehr als 80 Prozent abgenommen“, erklärt Erstautorin Dr. Anja Singer von Senckenberg am Meer und der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. In der breit angelegten Langzeitstudie wurde die Artenzusammensetzung und deren Veränderung im Watt untersucht – und dabei eindeutlicher Wandel in der Häufigkeit, der Biomasse und der räumlichen Verbreitung zahlreicher Charakterarten festgestellt.

Biomasse hat sich deutlich verringert


Die Zahl der insgesamt gefundenen Arten sei seit den 1980er Jahren im Untersuchungsgebiet zwar fast konstant geblieben – die zahlenmäßige und räumliche Verbreitung sowie der Anteil der Biomasse zahlreicher Arten habe sich aber deutlich geändert. In den 1980er Jahren wurden 90 Arten, 2018 noch 81 Arten identifiziert. „Viel signifikanter ist die Abnahme der Gesamt-Individuenzahl der Arten pro Quadratmeter: Hier gab es einen gemittelten Rückgang um circa 31 Prozent. Die Gesamtbiomasse verringerte sich sogar um circa 45 Prozent im Vergleich zu den 1980er Jahren“, erläutert Prof. Ingrid Kröncke von Senckenberg am Meer und der Universität Oldenburg“, so die Forscher. Die Biomasse der in den 1980er Jahren vorherrschenden Arten (Gemeine Wattschnecke, Bäumchenröhrenwurm, Schlickkrebs) seien hingegen um über 80 Prozent zurückgegangen.

Insbesondere die Zahl der Wattschnecke sowie verschiedener Muschelarten, die sich von an der Sedimentoberfläche wachsenden kleinen Algen ernähren, sei sehr stakt zurückgegangen. Das zeige sich dann auch in der Gesamtbiomasse und Häufigkeit dieser Arten. 

Grund für die Abnahme ist Überzeugung des Forscher-Teams ein vermindertes Nahrungsangebot. „Seit den 1980er Jahren gelten strengere Anforderungen für die Landwirtschaft und für kommunale Kläranlagen, wodurch weniger Nährstoffe in die Flüsse, wie die Elbe, die Weser oder den Rhein gelangen – und damit auch in unser Untersuchungsgebiet.“ 

Weniger Algenblüten auch geringere Nährstoffbelastung

Die verringerte Nährstoffbelastung habe zu einem deutlichen Rückgang von Algenblüten geführt – der Nahrungsquelle der genannten Tiere, erklärt Ingrid Kröncke: „Was für die Wattschnecke vielleicht von Nachteil ist, ist für andere Organismen aber ein deutlicher Gewinn: Die bessere Wasserqualität wirkt sich beispielsweise positiv auf Seegraswiesen und Austernriffe aus. Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen, dass sich Seegrasbestände im deutschen Wattenmeer bis 2018 erholt haben und zeigen eine Ausdehnung der gemischten Muschel- und Austernbänke!“

Auch die Biomasse des Wattwurms stieg um etwa 75 Prozent an. „Wir erklären diese Zunahme mit einer durch den Meeresspiegelanstieg bedingten höheren Sandanreicherung auf den Watten, besonders im westlichen Bereich des ostfriesischen Wattenmeeres. Darüber hinaus führen durch den Meeresspiegelanstieg bedingte höhere Strömungsgeschwindigkeiten zugleich zu einer Abnahme des Schlickgehalts in den Sedimenten“, so Anja Singer: „Eine Synergie dieser beiden Prozesse, Sandanreicherung und Abnahme des Schlickgehalts, bietet bessere Lebensbedingungen für den Wattwurm und andere Arten.“

Räuberische Felsenkrabbe erobert das Wattenmeer

Die Gesamtzahl der invasiven Arten erhöhte sich laut der neuen Studie von zwei auf sechs Arten. Ein Grund: Der klimabedingte Anstieg der Meeresoberflächen-Temperaturen um circa zwei Grad Celsius seit den 1980er Jahren. Zu den „Gewinnern“ zählt die Amerikanische Schwertmuschel, die man nun etwa 80 Prozent häufiger vorfinde. 2018 neu erfasste invasiven Arten sind die Amerikanische Pantoffelschnecke, die Pazifische Auster, die Zwergbrandungsmusche und die räuberisch lebende Felsenkrabbe – sie gelten als tolerant gegenüber höheren Temperaturen.

„Unsere Ergebnisse zeigen deutliche Veränderungen in den Lebensgemeinschaften im Wattsediment, die erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Nahrungsnetz im Wattenmeer haben werden: Die im Wattboden lebenden Arten stellen eine wichtige Nahrungsquelle für junge Plattfische und brütende und rastende Vogelarten dar“, fast fasst Anja Singer zusammen. „Durch den fortschreitenden Anstieg des Meeresspiegels und der Temperatur wird das Ökosystem des Wattenmeeres mit gravierenden ökologischen und biologischen Veränderungen in der Zukunft konfrontiert sein.“

Zweites LNG-Verarbeitungsschiff auf Warteposition in der Jade

Hooksiel/Wilhelmshaven (5. 3. 2023) – In der Jade liegt seit diesem Wochenende ein zweites LNG-Terminalschiff. Neben der „Höegh Esperanza“, die seit Ende 2022 am von Energiekonzern Uniper betriebenen Terminal am Voslapper Groden tiefgekühltes Flüssigerdgas (LNG) regasifiziert, hat jetzt die FSRU (Floating Storage and Regasification Unit) „Höegh Gannet“ auf Reede vor Schillig Anker geworfen. 

Die „Höegh Gannet“ soll eigentlich im Auftrag des Energiekonzerns RWE in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) Import-LNG regasifizierten und ins Netz einspeisen. Das Schiffe hatte, wie der NDR berichtete, auch Mitte Januar in Brunsbüttel festgemacht, habe aber bislang kein Gas abliefern können, da die landseitige Anbindung und die Transport-Pipeline noch nicht fertig sind. Zudem protestierten Anwohnern des dortigen Elbehafens gegen Belästigungen durch Lärm- und Lichtemissionen des hell beleuchteten Industrieschiffes.

Lärm und Licht nerven die Anwohner

Nach den Plänen von RWE soll die „Höegh Gannet“ jetzt zwei Wochen in der Jade in Warteposition liegen. Danach wird sie mit ihrer LNG-Ladung nach Brunsbüttel zurückkehren, um nach einer Probephase den Regelbetrieb aufzunehmen. In Wilhelmshaven soll das Schiff nicht festmachen.

Bei RWE ist man laut NDR zuversichtlich, dass zumindes die Lärmbelästigung durch die FSRU kein Thema mehr sein werden, wenn das Schiff sein LNG erst einmal ins Netz einspeisen kann. Der Lärm sei durch das Verbrennen des so genannten Boil-Off-Gases entstanden. Die Verbrennung von Gas wird notwendig, wenn sich LNG im Schiff erwärmt und sich im gasförmigen Zustand ausdehnt. Dadurch entsteht Druck im Tank, so dass Gas abgeführt werden muss. 

Wird die „Höegh Esperanza“ nachgerüstet?

Die Diskussion um die (genehmigte) Einleitung von Bioziden durch die „Höegh Esperanza“ in die Jade könnte bald beendet sein. Laut einem Bericht der Oldenburger Nordwest-Zeitung hat Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) jetzt erstmals eine Umrüstung der Wilhelmshavener FSRU in Aussicht gestellt. Sollte das Ultraschallverfahren geringere Auswirkungen auf die Umwelt haben, werd vom Betreiber Uniper im Rahmen des vorgeschriebenen Minimierungskonzeptes auch geprüft, ob die „Esperanza“ umgerüstet werden kann, zitierte die Zeitung den Minister. 

Die „Höegh Esperanza“ nutzt Meerwasser, um das tiefgekühlte LNG zu erwärmen und zu regasifizieren. Der Einsatz von Chlor verhindert dabei, dass sich Muscheln, Seepocken und Algen an den Rohrleitungen festsetzen. Umweltschützer sehen in den chlorieren Abwässern eine große Gefahr für Flora und Fauna im Wattenmeer. Die Betriebsgenehmigung für die „Höegh Esperanza“ enthält ein Minimierungsgebot für Umweltbelastungen. Deshalb müsse Alternative zur Chlorierung geprüft werden wie etwa Ultraschallverfahren. 

Nachlese: Seit dem 8. März liegt die „Höegh Espernza“ wieder am Elbhafen in Brunsbüttel. Dort soll jetzt der Probebetrieb für die Regasifizierung von LNG und die Einspeisung des Gases ins landseitige Pipelinenetz starten.

Festes Terminal in Wilhelmshaven für Import von grünen Gasen geplant

Scholz weiht LNG-Termina ein
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (rechts neben Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Einweihung des LNG-Terminals Wilhelmshaven im Dezember 2022) hält den Ausbau einer eigenen Gasimport-Infrastruktur samt Sicherheitspuffer weiter für dringend geboten. Archiv-Foto: Gert Mahlitz

Hooksiel/Wilhelmshaven (3. 3. 2023) – Die Bundesregierung hält an ihren Ausbauplänen für die LNG-Infrastruktur in Deutschland fest. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekräftige heute das Bekenntnis zum Bau von drei landgestützten Terminals zur Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas. Eines dieser Terminals soll auf dem Voslapper Groden in Wilhelmshaven, in Sichtweite von Hooksiel, errichtet werden. Das Terminal, das für die Verarbeitung von „Grüngas“ ausgelegt werden soll, soll 2026/2027 die schwimmenden LNG-Terminals vor Wilhelmshaven ersetzen. Eine erste FSRU (Floating Storage and Regasification Units) ist bereits seit Ende 2022 in Betrieb.

Die Planung, die das Wirtschaftsministerium jetzt dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorgelegt hat, sei unmittelbare Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Ziel ist es, über den Aufbau einer eigenen-Infrastruktur eine Energiekrise zu vermeiden. Habeck: „Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat uns spüren lassen, wie gefährlich einseitige Abhängigkeiten sind und dass sie uns etwas kosten. Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir nicht daraus lernen würden.“

Habeck rechtfertigt Sicherheitspuffer

Im Zentrum des Handels der Bundesregierung würde der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Aufbau einer klimaneutralen Energieversorgung stehen – gepaart mit Energieeinsparung, Effizienz und dem schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energien. Um aber die Versorgungssicherheit auch in der Übergangszeit sicherzustellen, brauche Deutschland auch eine eigene Infrastruktur für Flüssigerdgas. Die Deutsche Umwelthilfe hatte Habeck vorgeworfen, beim Ausbau der LNG-Infrastruktur Überkapazitäten zu schaffen, die en Ausstieg aus fossilen Energieträgern verlängern würden.

Mit Blick auf die maximalen Verarbeitungs-Kapazitäten auf die Solidarität mit Nachbarstaaten. Deutschland müsse in der Lage sein, auch seine Nachbarn zu unterstützen. Zudem seien „ausreichende Sicherheitspuffer“ notwendig, um auch für kritische Situationen gewappnet zu sein. „In der Planung der Bundesregierung kann ein solcher Puffer ab 2024 gestellt werden“, so Habeck. „Ab 2027 ist er so hoch, dass auch der Wegfall signifikanter Importmengen aus bestehenden Quellen abgefangen werden kann.“

Um schnell Lösungen für den Winter 2022/2023 und für den Winter 2023/24 umsetzen zu können, seien zunächst drei FSRU bereitgestellt worden – vom Bund eines in Wilhelmshaven und Brunsbüttel sowie ein privat finanziertes in Lubmin. Ein weiteres folgt für Stade. Anschließend würden die landseitigen Terminals errichtet, die einer Bauzeit von dreienhalb Jahren hätten. Habeck: „Dabei ist aber zu bedenken, dass für die jeweilig geplanten Projekte auch immer Realisierungsrisiken bestehen.“

Investitionsentscheidungen stehen noch aus


Über die drei ersten FRSU können 2023 zunächst 13,5 Milliarden Kubikmeter Gas in Deutschland angelandet werden. Darüber hinaus sind drei weitere durch den Bund initiierten FSRU-Standorte im Aufbau: Wilhelmshaven II, Stade und Lubmin. In den Jahren 2024 und 2025 sind nach der derzeitigen Planung alle fünf Bundes-FSRU ganzjährig in Betrieb. Sie hätten dann zusammen eine Regasifizierungs-Kapazität von 27 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr. Die Kapazität des privaten Projekts in Lubmin soll von jetzt fünf auf insgesamt zehn Milliarden Kubikmeter ab 2024 ausgeweitet werden.


In 2026 und 2027 sollen laut Wirtschaftsministerium drei landgestützte Terminals in Stade, Brunsbüttel und Wilhelmshaven in Betrieb gehen. Mit den festen Terminals stiege die Importkapazität rechnerisch auf 54 Milliarden Kubikmeter/Jahr. „Allerdings“, so Habeck, „ist hier zu beachten, dass bei keinem der Terminals bisher eine finale Investitionsentscheidung getroffen wurde.“

Brunsbüttel und Stade würden, soweit wie möglich, „green-ready” gebaut, also für einen späteren Betrieb mit Wasserstoffderivaten (etwa Ammoniak) vorgerüstet. Das betreffe unter anderem Fundamente, Beschichtung und Stahl). Habeck: „Das feste Terminal am Standort Wilhelmshaven ist von Beginn an als Grüngas-Terminal für synthetisches, aus grünem Wasserstoff hergestelltes Methan konzipiert.“ Die landseitigen Terminals sollen die bis dahin an diesen Standorten stationierten FSRU ablösen.

Jensen: Wir brauchen mehr Windkraft-Anlagen in Friesland

Hooksiel/Wangerland (12. 2. 2023) – „Ein Windkraft-Turbo sieht anders aus“, kritisiert die Wangerländer Landtagsabgeordnete Katharina Jensen (CDU). Sie reagiert damit auf die Mitteilung des niedersächsischen Umweltministeriums, dass im Landkreis Friesland bis 2026 0,46 Prozent der Fläche für die Nutzung von Windenergie zur Verfügung gestellt werden soll. 

„Friesland hat seine Hausaufgaben längst gemacht“, so Jensen. „Mit rund 0,8 Prozent, rund 781 Hektar, der Flächen im Kreis als Vorranggebiet Wind sind die von der rot-grünen Landesregierung vorgegebenen Ausbauziele Stand heute längst übererfüllt.“ Das jetzt von Umweltminister Christian Meyer (Grüne) verkündete Ausbauziel mache sie und die Windbauern im Wangerland eher ratlos, zumal das Umweltministerium bislang keine Informationen dazu gegeben hat, was die Grundlagen für die Soll-Zahlen sind. 

Im Landesdurchschnitt sollen 2,2 Prozent der Flächen für der Windkraft bereit gestellt werden. Das niedrige Ausbauziel für Friesland, so befürchtet die Abgeordnete, könne sogar den gegenteiligen Effekt haben und die Motivation der Kommunen dämpfen, weitere Flächen für die Windkraft-Nutzung zur Verfügung zu stellen. 

„Damit der Turbo wirklich zündet, braucht es dringend Bürokratieabbau und eine zusätzliche Motivation für die Städte und Gemeinden, weitere Flächen für Windkraft auszuweisen“, stellte die CDU-Politikern nach einem Besuch bei den Geschäftsführern der Bassens-Windpark Verwaltungs-GmbH im Wangerland, Johann Ortgies, Fritz Ortgies und Finn Harms-Janßen, fest. 

Für Katharina Jensen ist mit Blick auf die angestrebte Energiewende klar: „Wir wollen und brauchen weitere Windkraftanlagen in Friesland.“ Derzeit hätten eine Reihe von Kommunen in Friesland, darunter auch die Gemeinde Wangerland, Bauleitverfahren auf den Weg gebracht, um nach weiteren Windenergie-Flächen su suchen. „Diese Dynamik darf sich jetzt nicht abschwächen, nur weil Friesland die Flächenziele nach Landesvorgabe bereits erreicht hat“, so Jensen. 

Die Verantwortlichen für den Windpark Bassens sehen eine Reihe von Aufgaben für die rot-grüne Landesregierung, um den Windkraft-Ausbau tatsächlich zu beschleunigen. Beim erforderlichen Bürokratieabbau gehe es weniger um die Genehmigungsverfahren, die meist in wenigen Monaten abgewickelt seien. Aber potenzielle Windkraft-Projektierer müssten schon im Vorfeld eine Unmenge an Unterlagen, Studien und Untersuchungen einreichen, damit die Verfahren rechtssicher ablaufen können. Um den Windenergie-Turbo zu zünden, müsse daran angesetzt werden „Da geht es auch um Umwelt- und Artenschutz“, so Katharina Jensen. „Auch hier muss sich das grüne Umweltministerium bewegen, wenn die Energiewende zeitnah gelingen soll.“ 

Umwelthilfe: LNG-Schiff „Höegh Esperanza“ muss nachgerüstet werden

Hooksiel/Wilhelmshaven (9.2.2023) – Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit Sitz in Berlin sieht sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass der Biozid-Einsatz am LNG-Terminal in Wilhelmshaven unvereinbar mit der geltenden Gesetzgebung ist und eine Gefahr für Mensch und Natur darstellt. Ein von dem Umweltschutzverband in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zudem zu dem Schluss, dass Dauerchlorierung nicht mehr „Stand der Technik“ ist. Die DUH fordert, die Genehmigung zur Einleitung von Chlor-Biozid zurückzunehmen und eine Nachrüstung des Terminalschiffs anzuordnen

LNG Terminal WHV
Die Deutsche Umwelthilfe sieht im Betrieb des LNG-Regasifizierungsschiffes „Höegh Esperanza“ eine Gefahr für Fischerei, Natur und Gesundheit. Die Technik müsse nachgerüstet werden. Foto: NPorts

In dem seit Ende Dezember in Wilhelmshaven liegenden Regasifiziergunsschiff „Höegh Esperanza“ wird – wie mehrfach berichtet – minus 162 Grad kaltes Flüssigerdgas (LNG) durch den Einsatz von Seewasser erwärmt, damit es wieder gasförmig wird und ins Pipelinenetz eingespeist werden kann. Bei dem Verfahren kommt Chlor zum Einsatz, dass verhindern soll, dass sich Muscheln, Seepocken oder Schnecken in den Rohrleitungen des Schiffes festsetzen. Die Folge: Es werden Biozide ins Meer eingelassen, deren Menge nach Ansicht des Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) als Genehmigungsbehörde allerdings unterhalb der zulässigen Grenzwerte liegt.

Nach Ansicht der DUH gefährdet die Dauerchlorierung dennoch die lokale Fischerei und die Natur im Nationalpark Wattenmeer. Untermauert wird der Vorwurf durch ein Gutachten des Labors für limnische, marine Forschung und vergleichende Pathologie (LimnoMar). Die heute veröffentlichte Analyse lege dar, dass der kontinuierliche Einsatz der Elektrochlorierung zudem in Konflikt mit deutscher und europäischer Gesetzgebung stehe und auf EU-Ebene nicht zugelassen ist, sondern sich lediglich in Prüfung befinde, heißt es in einer heute verbreiteten Erklärung.

Die DUH fordert den NLWKN auf, die die Genehmigung für die Einleitung von Chlor zurückzunehmen und eine Nachrüstung des Terminalschiffs „Höegh Esperanza“ anzuordnen. Sollte der NLWKN untätig bleiben, will der Umwelt- und Verbraucherschutzverband auf Grundlage des Gutachtens rechtliche Schritte in die Wege leiten.

Dr. Burkhard Watermann, Geschäftsführer von LimnoMar und Autor des Gutachtens, hält die Genehmigung der Dauerchlorierung auf Grundlage von Modellrechnungen für fahrlässig. „Ein biologisches Rückstands- und Effektmonitoring sollte unverzüglich im Einflussbereich der Abwässer des LNG-Terminalschiffs begonnen werden“, rät der Wissenschaftler. Auch derartige Beobachtungsstudien war im Vorfeld der Genehmigung verzichtet worden, um mit Blick auf die ausbleibenden Lieferungen von russischem Pipeline-Erdgas möglichst schnell Erdgas per Schiff importieren zu können.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, beklagt, dass in Wilhelmshaven weiter Schnelligkeit über Sicherheit und Umweltschutz gestellt werde. Es sei ein großes Versäumnis, dass Alternativen zu der an Bord der „Höegh Esperanza“ eingesetzten umweltschädlichen Elektrochlorierung nicht einmal geprüft worden seien. Eine denkbare Alternative wäre ein Reinigungsverfahren, das auf Ultraschall-Basis arbeitet.

„Tempo 30“ in ganzen Orten nach aktueller Rechtslage kaum möglich

Hooksiel (7. 2. 2023) – Die Idee ist so einfach wie einleuchtend: Die Gemeinde Wangerland weist alle Ortslagen als Tempo-30-Zonen aus und hätte mit diesem Tempolimit sowohl etwas für den Klimaschutz als auch für die Sicherheit getan. Schnell, sinnvoll, unbürokratisch? So tickt Deutschland noch lange nicht. Trotz der viel besungenen neuen „Deutschland-Geschwindigkeit“ bei Infrastruktur-Projekten.

Tempo 30 Hooksiel
Aktuell gibt es bereits eine „Tempo-30-Zone“ im Kern von Hooksiel. Die Geschwindigkeit-Beschränkung auf den gesamten Ort auszudehnen, ist rechtlich derzeit kaum möglich. Foto hol

Für verkehrsregelnde Maßnahme ist stets die Verkehrsbehörde zuständig. „Also für das Gebiet der Gemeinde Wangerland der Landkreis Friesland“, heißt es aus dem Kreishaus in Jever auf Anfrage von „Hooksiel-life“. Das gilt für das Ausweisen von Geschwindigkeits-Beschränkungen für bestimmte Strecken ebenso wie für „Tempo-30-Zonen.

Rechtsgrundlage ist jeweils die Straßenverkehr-Ordnung (StVO), eine Bundesrechtsverordnung, die nur durch den Bund im Einvernehmen mit den Ländern in Form des Bundesrates geändert werden kann. Nach der StVO, so erläutert die Verkehrsbehörde beim Landkreis, ist eine Geschwindigkeits-Beschränkung immer dann möglich, wenn eine so genannte„qualifizierte Gefahrenlage“ vorliegt.

Ob und wo die vorliegt, stellte die Verkehrsbehörde unter Beteiligung der Polizei und des Straßenbaulastträgers (Bund, Land oder Kommune) fest. Dabei seien dann die konkreten örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen wie etwa die Unfallhäufigkeit, Verkehrserhebungen oder andere Beobachtungen, die für eine Absenkung der zulässigen Geschwindigkeit sprechen könnten. Ausnahme von dieser Regel gebe es innerorts etwa vor Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Hier müsse die „qualifizierte Gefahrenlage“ nicht extra geprüft werden. 

Etwas komplizierter ist es noch, Tempo-30-Zonen auszuweisen. Die Voraussetzungen für „Tempo-30-Zonen“ sind in der StVO und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften geregelt. Sie sind grundsätzlich nur innerorts zulässig. Auf Vorfahrtsstraßen ebenso wie auf Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen sind „Tempo-30-Zonen“ niemals zulässig.

Die StVO (Paragraph 45) weist einen langen Katalog von Gründen aus, die die Verkehrsbehörden im Einvernehmen mit den Kommunen ermächtigen, „Tempo-30-Zonen“ etwa in Wohngebieten jenseits der Hauptverkehrsstraßen einzurichten. Der Klimaschutz gehört nicht dazu.

Sehr wohl aber der Schutz der „Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“. Insbesondere in Kurorten und „Erholungsorten von besonderer Bedeutung“. Also zum Beispiel in Hooksiel, Horumersiel und Schillig? Klar ist aber, dass innerhalb einer Tempo-30-Zone generell die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt und es dort keine Ampeln geben darf – mit Ausnahme von Fußgängerampeln. 

Die Verkehrsbehörde des Landkreises Friesland unterstreicht die Bedeutung der so genannten „flächenhafte Verkehrsplanung“ der Gemeinde bzw. Stadt für die Ausweisung von „Tempo-30-Zonen“. Mit dieser Planung werde das Vorfahrtstraßennetz definiert. Hierbei ist die Polizei zu beteiligen. Die Verkehrsbehörde übernehme letztlich die formelle Prüfung, ob alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.

Was bedeutet das für den Vorschlag: Generell Tempo 30 in allen Ortslagen im Wangerland? Nach aktueller Rechtslage wäre das nicht zulässig. Andererseits könnten wohl deutlich mehr und großflächigere Tempo-30-Zonen im Gemeindegebiet ausgewiesen werden, wenn die Gemeinde im Verbund mit Verkehrsbehörde und Polizei den Mut dazu hätte, die Vorfahrtsregelungen entsprechend zu ändern. 

Wasserstoff-Import aus Norwegen über Wilhelmshaven?

Wilhelmshaven/Etzel (4. 2. 2023) – Der Öl- und Gaskonzern Equinor (Stavanger) plant zusammen mit dem deutschen Energiekonzern RWE (Essen) den Bau von Offshore-Windparks für die Wasserstoffproduktion in Norwegen. Der Wasserstoff soll dann über einen Pipeline durch die Nordsee nach Deutschland exportiert werden, kündigte Equinor-Chef Andres Opedal in einem Interview mit dem „Spiegel“ an. 

Möglicher Endpunkt der Pipeline: Wilhelmshaven. Darauf jedenfalls hofft Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). „Wir wollen und brauchen eine Wasserstoffwirtschaft im industriellen Maßstab und wir werden für das Gelingen der Energiewende auf den Import auch von Wasserstoff angewiesen sein. Norwegen ist hier ganz sicher einer der spannendsten Partner“, stellte Lies anlässlich eines Besuchs des norwegischen Botschafters Torgeier Larsen in der Region fest.

Die Kavernenanlagen in Etzel könnten zum Umschlagplatz für in Norwegen produzierten und per Pipeline nach Wilhelmshaven transportierten Wasserstoff werden. Aktuell wird das Projekt in einer Machbarkeitsstudie untersucht. Foto: Storage Etzel

Larsen hatte sich vergangene Woche auf Einladung der SPD-Bundestagsabgeordneten Siemtje Möller das LNG-Terminal in Wilhelmshaven und das Kavernenfeld in Etzel (Friedeburg) angesehen, in dem künftig neben Öl und Gas auch Wasserstoff eingelagert werden soll. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass Wilhelmshaven mit Etzel ein sehr interessanter Standort für die Anlandung einer Pipeline aus Norwegen ist. Die Voraussetzungen sind ideal und wir haben gezeigt, was wir planerisch und genehmigungstechnisch können“, so Lies. „Wenn es um die Frage geht, wo es Sinn macht, eine solche Pipeline anzulanden, bin ich mir sicher, dass wir hier ein sehr gutes Blatt auf der Hand haben.“ Im Mai sollen die Gespräche über eine mögliche Wasserstoff-Partnerschaft fortgesetzt werden. Dann in Norwegen.

Norwegen ist derzeit mit einem Anteil von etwa 40 Prozent der größte Erdgaslieferant Deutschlands. Die endgültige Abkehr von fossilen Energieträgern wird nach Überzeugung von Opedal noch eine Weile dauern: „Öl und Gas werden noch Jahrzehnte unentbehrlich sein“, sagte er gegenüber dem „Spiegel“. Dennoch arbeite auch Equinor mit Hochdruck daran, seinen Anteil von Erneuerbaren am Energie-Mix zu erhöhen. Ein Baustein dabei sei der Bau von Windparks auf hoher See im Verbund mit RWE, die Strom für die Elektrolyse liefern sollen und damit dazu beitragen, dass der in Norwegen produzierte „blaue“ Wasserstoff mehr und mehr durch „grünen“ Wasserstoff ersetzt wird. Das klimaschädliche CO2, das bei der H2-Herstellung auf der Basis von fossilen Brennstoffen entsteht, werde im übrigen aufgefangen und in Lagerstätte unter der Nordsee verpresst. 

Die geplante Pipeline nach Deutschland soll nach den Worten von Opedal vier Millionen Tonnen Wasserstoff im Jahr transportieren können. Das würde nach Berechnungen der Norweger ausreichen, um etwa 50 Prozent der europäischen Stahlindustrie zu dekarbonisieren.

Unklar ist, inwieweit das Projekt der Norweger zu Wertschöpfung im Raum Wilhelmshaven führen würde. Die Befürchtung eines mit der Entwicklung des „Energy Hub“ befassten Insiders: „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist eine Pipeline, über die Wasserstoff durch Wilhelmshaven hindurch direkt zu den großen Industrie-Abnehmern geleitet wird.“ Die Hoffnungen für eine wirtschaftliche Belebung Wilhelmshavens ruhen darauf, dass sich im Zuge der Energiewende an der Jade Industrie ansiedelt, die hier Wasserstoff produziert und damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung für die Region schafft.

LNG: Wegbereiter für Energiewende oder Kniefall vor Erdgas-Lobby?

Hooksiel/Wilhelmshaven/Stade (2. 2. 2023) – Der Streit um den Bau weiterer LNG-Terminals an den deutschen Küsten spitzt sich zu. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wirft dem Bund und den Küstenländern vor, bewusst Überkapazitäten für den Import von Flüssigerdgas sowie – darauf basierend – ein überdimensioniertes Gasleitungsnetz aufzubauen. Dadurch werde die Erdgas-Lobby gestärkt und der Verbrauch klimaschädlicher fossiler Brennstoffe länger als nötig festgeschrieben.

„Wir brauchen die geplanten LNG-Terminals, um uns weiter unabhängig von russischen Gas zu machen“, hält Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, dagegen. Deshalb unterstütze die Agentur den Ausbau der Terminals mit allen Kräften. Im Kern geht der Streit also darum, ob LNG tatsächlich nur als Not-Lösung eingesetzt oder ob es dauerhaft als Ersatz für das Pipeline-Gas genutzt werden soll. Besonders kritisch sehen Klimaschützer dabei die Pläne, an Land – wie auch in Wilhelmshaven geplant – feste LNG-Terminals zu bauen und damit eine Infrastruktur zu schaffen, die über Jahrzehnte Bestand haben wird. 

Am 20. Januar in Stade: Stade, (von links) Wirtschaftsminister Olaf Lies, der Geschäftsführer von Niedersachsen Ports Holger Banik und Umweltminister Christian Meyer geben das Startsignal für den Bau eines weiteren LNG-Terminals im Land. Foto: Andreas Burmann

Das erste LNG-Terminal speist bekanntlich seit dem 17. Dezember 2022 in Wilhelmshaven Gas ins Netz ein. Inzwischen haben auch in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) LNG-Termnal mit schwimmenden Regasfizierungsschiffen, so genannte Floating Storage an Regasification Units (FSRU), ihren Betreib aufgenommen. In Stade wurde vor wenigen Tagen der erste Rammschlag für einen weiteren Flüssigerdgas-Anleger gesetzt. Invest: 300 Millionen Euro. Er soll in einem Jahr betriebsbereit sein. Eine fünfte FRSU ist für Wilhelmshaven geplant. 

Die DUH befürchtet LNG-Terminal-Kapazitäten im Volumen von 182 Gigawatt. Damit könnte weit mehr Gas importiert werden als durch den russischen Exportstopp im September 2022 weggefallen sind. Dieses Volumen lasse außen vor, dass der Gasbedarf durch Energieeffizienz-Maßnahmen und den Ausbau von regenerativen Energien verringert werden könnte. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die LNG-Kapazitäten müssen sich am realen Bedarf und den Klimazielen orientieren.“

Genau das, so beteuert die Bundesnetzagentur, passiere aber auch. Aufgrund des sehr milden Winters sei derzeit zwar keine Gasmangellage in Sicht und die Gasspeicher seien gut gefüllt (Stand 31. Januar: 79,26 %). Aber: „Wir werden im Sommer die Speicher für den Winter 2023/2024 wieder auffüllen müssen“, betont Klaus Müller. „Das wird ohne Flüssiggas und zusätzliche Importe nicht gelingen. Und wenn es im Winter sehr kalt ist, werden die Terminals auch ausgelastet sein.“ Dabei müsse sich das Land auch darauf vorbereiten, dass ein Terminal oder eine Pipeline ausfallen. Deutschland habe zudem eine Gas-Transitfunktion für Nachbar-Länder, die über keine Küsten verfügen.

Deutschland hat 2022 nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 1450 Terawattstunden (TWh) Gas importiert. Davon seien aber 501 TWh (2021: 749 TWh) wieder exportiert worden. Der verringerte Export habe dazu geführt, dass im vergangenen Jahr auch nach dem Ausfall des Lieferungen aus Russland in Deutschland mehr Erdgas vorhanden war als im Vorjahr – nämlich ein Volumen von 948 TWh. Das Einsparvolumen beim Verbrauch von Erdgas in Deutschland lag bei rund 125 TWh und damit bei rund 20 Prozent der ausgefallenen Nord-Stream-Kapazität. 

„Die LNG-Terminals dienen primär der Versorgungssicherheit“, beteuert die Bundesnetzagentur. „Durch sie wird es ermöglicht, dem Risiko einer Gasmangellage entgegenzutreten.“ Die DUH warnt hingegen vor einer überhasteten Planung. Der Verband fordert die Politik zu einer Denkpause auf, um Planung und Bau von LNG-Terminals mit den zu erwartenden Gasverbräuchen abzugleichen. Bislang sei unter anderem falsch eingeschätzt worden, wie viel LNG über bereits bestehende Terminals in Nachbarländern importiert werden könnte. Vor allem warnt die DUH davor, neue Gaspipelines ebenfalls nach den (abgespeckten) Beteiligungs-Regeln des LNG-Beschleunigungsgesetzes („Deutschland-Geschwindigkeit“) zu ermöglichen. 

Die Klimaschützer verweisen zudem auf neue Studien, die ergeben hätten, dass die Klimabelastungen durch die Förderung von Erdgas – auch für die LNG-Produktion – in vielen Förderländern deutlich höher seien als bislang angenommen. In Fracking-Feldern in den USA würden teils Methan-Verluste von über zehn Prozent auftreten. Methan gilt als 83 Mal klimaschädlicher als CO2. Im Vergleich: Bei Pipelinegas aus Norwegen etwa geht man von Methan-Emissionen von 0,02 Prozent aus, bei Förderungen in Nigeria oder Algerien von über 6 Prozent. 

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und Umweltminister Christian Meyer (Grüne) halten der DUH-Kritik entgegen, dass der Bau neuer Importterminals neben kurzfristiger Energiesicherheit mittelfristig den Weg für den Import von grünen, klimaneutralen Gasen ebne, da die LNG-Infrastruktur dafür genutzt werden könne. Meyer in Stade: „Je schneller wir den Turbo bei den Erneuerbaren Energien starten und den Import grüner Gase ermöglichen, desto eher erreichen wir die Klimaziele und schaffen eine saubere und unabhängige Energieversorgung.“

Lies warnte am Rande der Veranstaltung davor, sich darauf zu verlassen, dass auch der nächste Winter einen milden Verlauf nehme. Das wäre „eine fahrlässige Wette gegen unseren Industriestandort“. Mit zusätzlichen Importkapazitäten für LNG werde auch die Voraussetzung für den Import grüner Gase geschaffen. „So kann diese Infrastruktur zum Sprungbrett für die Energiewende werden.“

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