Energy Hub: Folgen fürs Wangerland noch nicht absehbar

Wilhelmshaven/Wangerland (25.10.22) – Die Folgen des Ausbaus von Wilhelmshaven zum „Energy Hub“ für Tourismus und Fischerei im Wangerland sind noch nicht absehbar. Zur Koordination der verschiedenen Bauvorhaben und ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Natur, Nachbarkommunen und Wirtschaft soll eine Entwicklungsgesellschaft ins Leben gerufen werden. Wie Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies (SPD) auf einer Informationsversammlung im Wattenmeer Besucherzentrum in Wilhelmshaven vor an die 300 Interessierten sagte, gebe es dazu Gespräche unter anderem mit der Stadt Wilhelmshaven. Bis zum Jahresende wolle man erste Fakten schaffen.

Olaf Lies informiert über LNG-Terminal in Wilhelmshaven
Umweltminister Olaf Lies informiert im Wattenmeer-Besucherzentrum über das LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Foto: hol

Vertreter von Industrie- und Behörden informierten über einige der geplanten Investitionen, die zum Teil auf Grundlage des LNG-Beschleunigungsgesetzes des Bundes ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren durchlaufen, für das aber, so betonte Lies, alle rechtlichen Vorgaben wie zum Beispiel Grenzwerte für Einleitungen in Gewässer unverändert gelten. Wichtig ist dies für die Bewertung der Einleitung von Bioziden, die bei der Regasifizierung von tiefgekühltem Flüssigerdgas (LNG) am neuen LNG-Terminal in der Jade in Sichtweite des Hooksieler Badestrandes anfallen.

Das in die Jade zurückgeleitete Kühlwasser ist um sieben Grad kälter als das umliegende Wasser. Das kalte Wasser bilde vor allem in strömungsarmen Zeiten, also bei Hoch- und Niedrigwasser, Meereswolken, warnte der Wangerländer Ratsherr Dieter Schäfermeier. Diese Wolken mit einer erhöhten Biozidkonzentration würden sich am Meeresgrund ausbreiten. Wie eine Sprecherin des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) einräumte, sei die Aussagekraft von Modellen zu derartigen Effekten im Vorfeld begrenzt. 

Die Bundesregierung hat mit Blick auf die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise das Terminalschiff „Höegh Esperanza“ , eine so genannte FSRU (Floating Storag and Regasification Unit) für die Dauer von zehn Jahren gechartert. Laut Antragsunterlagen soll von Spezialtankern angeliefertes, bei minus 162 Grad verflüssigtes Erdgas mit Seewasser erwärmt , dadurch regasifiziert und über eine Pipeline ins deutsche Erdgasnetz eingespeist werden. Um zu verhindern, dass sich Muscheln und andere Lebewesen im Aufwärm-Rohrleitungssystem der „Esperanza“ festsetzen, sollen Chlor und bromhaltige Verbindungen als Antifoulingmittel eingesetzt werden. Aus Sicht von Umweltschützern wird dadurch das Ökosystem im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer geschädigt. „Setzen sie Reinigungsverfahren ohne Chemikalien ein“, forderte Imke Zwoch als Sprecherin des BUND Wilhelmshaven. 

Ob die Nachrüstung technisch bei der „Esperanza“ möglich ist, ist fraglich. Der Bund habe das Schiff gechartert, weil es verfügbar war. Eine Auswahl habe es dabei nicht gegeben, sagte Lies.

Die Arbeiten am Anleger am LNG-Terminal stehen nach den Worten von Folker Kielgast, Geschäftsführer und LNG-Projektleiter bei der landeseigenen Hafengesellschaft NPorts, vor dem Abschluss. „Mit dem Bau der Infrastruktur sind wir am 11. November fertig.“ Ende Dezember soll das erste Flüssigerdgas am vom Energiekonzern Uniper betriebenen Terminal angelandet werden, auch wenn ein Teil der parallel zu den Bautätigkeiten laufenden Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind.

Im Zuge der Prüfung der wasserrechtlichen Genehmigung wird geprüft, ob die beantragten Einleitungen sich im Rahmen der festgelegten Grenzwerte bewegen, versicherte Lies. Nach der Betriebsaufnahme werde dann regelmäßig gemessen, ob die Werte eingehalten werden und ob Beeinträchtigungen festzustellen sind. Falls erforderlich würden die Betreiber Auflagen und Vorgaben erhalten. Aber die Option, kein LNG an der Jade anzulanden, gibt es aus Sicht des Umweltministers nicht. „Wenn die Energieversorgung in Deutschland zusammenbricht, haben wir das Chaos.“

Ziel sei es mit Blick auf die Klimakrise, bis 2035 vom Import fossiler Energieträger, wie auch LNG, wegzukommen, sagte Lies. Hoffnungsträger dabei ist die Herstellung und der Import von Wasserstoff. Wie Dr. Sebastian Scholz von Tree Energy Solutions (TES) ausführte, soll Wilhelmshaven zum Herzstück eines Wasserstoff-Kreislaufes werden. Das Unternehmen, das zunächst ebenfalls mit LNG-Import starten will, plant bis 2027 die Umstellung auf den Import von „grünem Methan“ (CH4), das an der Jade verstromt, ins Gasnetz eingespeist oder zu Wasserstoff umgewandelt werden soll. Jörg Niegsch, Geschäftsführer der Nordwest-Oelleitung GmbH (NWO), hinter der die Energiekonzerne Shell und BP stehen, stellte ebenfalls Pläne für LNG-Import, für die Wasserstoff-Herstellung mittels eines Ammonik-Crackers und dessen Weitertransport per Pipelines vor.

Angesichts der Fülle der laufenden Planungen von Unternehmen rund um den Voslapper Groden müsse unbedingt ein Gesamtkonzept erstellt werden, sagte Lies. Daraus müsse nicht nur das Neben- und Miteinander der Projekte geregelt werden. Zu klären sei unter anderem, wo auf der Jade gesicherte Bereiche für Krabbenfischer und die Muschelkulturen verbleiben. „Wir wollen die Fischerei erhalten“, sagte Lies. „Das ist okay“, sagte Dirk Sander, Sprecher der Küstenfischer. „Aber dann müsst ihr nun in die Gänge kommen.“

Deutlicher werden müsse auch, welche Vorteile die Region Wilhelmshaven/Friesland davon hat, dass sie die Belastungen für die Energiesicherheit Deutschlands trägt. „Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ist nicht selbstverständlich“, sagte Lies. Um Vertrauen aufzubauen, soll die Planung der Projekte in Zukunft transparenter werden. Der Minister kündigte weitere Informationsveranstaltungen an. 

Der Wilhelmshavener Ratsherr Andreas Tönjes (Die Partei) warnte unterdessen vor der Vorstellung, dass die verschiedenen Krisen allein durch andere Energiequellen zu meistern seien. „Wir müssen unseren Lebensstil umstellen“, forderte Tönjes. „Und wenn es draußen dunkel wird, dann bleibt man eben mal zu Hause.“