Rat entscheidet über Tempo-30-Zone

Hooksiel (23. 2. 2024) – Eigentlich schien schon alles klar: Nach der Anregung eines Hooksieler Bürgers hatte sich der Wegebauausschuss der Gemeinde Wangerland dafür ausgesprochen, die Tempo-30-Zone auf den Pakenser Altendeich in Hooksiel auszuweiten. Auch Polizei und Verkehrsunfallkommission gaben dafür bereits vor Monaten grünes Licht. 

Aber: Zwischen dem Verkehrskreisel und der Tempo-20-Zone im Ortskern dürfen Autos immer noch 50 Stundenkilometer schnell fahren. Wie Messungen ergaben, sind viele Autofahrer hier sogar deutlich schneller unterwegs. Und Radfahrer werden genötigt, den schmalen und buckeligen Fußweg neben der Straße mitzubenutzen. 

Tempo-20-Hooksiel
Im Ortskern von Hooksiel gilt schon jetzt Tempo 20. Der Gemeinderat muss jetzt entscheiden, ob auf dem Pakenser Altendeich bis zum Verkehrskreisel künftig Tempo 30 gelten soll. Foto: hol

Warum das so ist, wurde während der Sitzung des Wegeausschusses in dieser Woche deutlich. Es gibt im Rat auch kritische Stimmen zum Tempo-30-Vorhaben. So bezweifelte der Hooksieler Ratsherr Dieter Schäfermeier (ZUW), ob die Tempo-Drosselung auf einer der wenigen Straßen, auf der man noch 50 fahren dürfe, wirklich sinnvoll sei. Zumal es dort bislang kaum Unfälle gegeben habe.

Klarheit in die politische Willensbildung der Gemeinde Wangerland soll jetzt die Ratssitzung am Dienstag, 12. März, bringen. Wie der zuständige Fachbereichsleiter Markus Gellert gegenüber „Hooksiel-life“ sagte, soll der Rat über die Frage „Tempo 30 auf dem Pakenser Altendeich“ und die Verkehrsberuhigung in den Straßen im Neubaugebiet Hohe Weg abstimmen. Danach könnte das entsprechende Signal an die Verkehrsbehörde gegeben werden, auf das Thorsten Hinrichs, zuständiger Fachbereichsleiter beim Landkreis Friesland, seit Mai vergangenen Jahres wartet.

Hinrichs hatte vor dem Ausschuss noch einmal die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert. Dabei sei zu unterscheiden zwischen Tempo-30 auf Teilstrecken mit einer so genannten „qualifizierten Gefahrenlage“ – etwa vor Schulen, Kindergärten oder Seniorenheimen – und der Ausweisung oder Erweiterungen von Tempo-30-Zonen. Tempo-30-Zonen seien in geschlossenen Ortschaften, etwa in Wohngebieten, mit hoher Frequenz von Fußgängern- und Radfahrern möglich, wenn die jeweilige Gemeinde dazu eine flächendeckende Verkehrsplanung vorlegt. 

Für die verkehrsrechtliche Anordnung für die Installation der 30-km/h-Schilder in Hooksiel fehle im lediglich noch die eindeutige Absichtserklärung der Gemeinde, sagte Hinrichs gegenüber „Hooksiel-life“. Ob die zeitnah kommt, dürfte sich in der nächsten Ratssitzung zeigen.

„Tempo 30“ in ganzen Orten nach aktueller Rechtslage kaum möglich

Hooksiel (7. 2. 2023) – Die Idee ist so einfach wie einleuchtend: Die Gemeinde Wangerland weist alle Ortslagen als Tempo-30-Zonen aus und hätte mit diesem Tempolimit sowohl etwas für den Klimaschutz als auch für die Sicherheit getan. Schnell, sinnvoll, unbürokratisch? So tickt Deutschland noch lange nicht. Trotz der viel besungenen neuen „Deutschland-Geschwindigkeit“ bei Infrastruktur-Projekten.

Tempo 30 Hooksiel
Aktuell gibt es bereits eine „Tempo-30-Zone“ im Kern von Hooksiel. Die Geschwindigkeit-Beschränkung auf den gesamten Ort auszudehnen, ist rechtlich derzeit kaum möglich. Foto hol

Für verkehrsregelnde Maßnahme ist stets die Verkehrsbehörde zuständig. „Also für das Gebiet der Gemeinde Wangerland der Landkreis Friesland“, heißt es aus dem Kreishaus in Jever auf Anfrage von „Hooksiel-life“. Das gilt für das Ausweisen von Geschwindigkeits-Beschränkungen für bestimmte Strecken ebenso wie für „Tempo-30-Zonen.

Rechtsgrundlage ist jeweils die Straßenverkehr-Ordnung (StVO), eine Bundesrechtsverordnung, die nur durch den Bund im Einvernehmen mit den Ländern in Form des Bundesrates geändert werden kann. Nach der StVO, so erläutert die Verkehrsbehörde beim Landkreis, ist eine Geschwindigkeits-Beschränkung immer dann möglich, wenn eine so genannte„qualifizierte Gefahrenlage“ vorliegt.

Ob und wo die vorliegt, stellte die Verkehrsbehörde unter Beteiligung der Polizei und des Straßenbaulastträgers (Bund, Land oder Kommune) fest. Dabei seien dann die konkreten örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen wie etwa die Unfallhäufigkeit, Verkehrserhebungen oder andere Beobachtungen, die für eine Absenkung der zulässigen Geschwindigkeit sprechen könnten. Ausnahme von dieser Regel gebe es innerorts etwa vor Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Hier müsse die „qualifizierte Gefahrenlage“ nicht extra geprüft werden. 

Etwas komplizierter ist es noch, Tempo-30-Zonen auszuweisen. Die Voraussetzungen für „Tempo-30-Zonen“ sind in der StVO und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften geregelt. Sie sind grundsätzlich nur innerorts zulässig. Auf Vorfahrtsstraßen ebenso wie auf Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen sind „Tempo-30-Zonen“ niemals zulässig.

Die StVO (Paragraph 45) weist einen langen Katalog von Gründen aus, die die Verkehrsbehörden im Einvernehmen mit den Kommunen ermächtigen, „Tempo-30-Zonen“ etwa in Wohngebieten jenseits der Hauptverkehrsstraßen einzurichten. Der Klimaschutz gehört nicht dazu.

Sehr wohl aber der Schutz der „Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“. Insbesondere in Kurorten und „Erholungsorten von besonderer Bedeutung“. Also zum Beispiel in Hooksiel, Horumersiel und Schillig? Klar ist aber, dass innerhalb einer Tempo-30-Zone generell die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt und es dort keine Ampeln geben darf – mit Ausnahme von Fußgängerampeln. 

Die Verkehrsbehörde des Landkreises Friesland unterstreicht die Bedeutung der so genannten „flächenhafte Verkehrsplanung“ der Gemeinde bzw. Stadt für die Ausweisung von „Tempo-30-Zonen“. Mit dieser Planung werde das Vorfahrtstraßennetz definiert. Hierbei ist die Polizei zu beteiligen. Die Verkehrsbehörde übernehme letztlich die formelle Prüfung, ob alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.

Was bedeutet das für den Vorschlag: Generell Tempo 30 in allen Ortslagen im Wangerland? Nach aktueller Rechtslage wäre das nicht zulässig. Andererseits könnten wohl deutlich mehr und großflächigere Tempo-30-Zonen im Gemeindegebiet ausgewiesen werden, wenn die Gemeinde im Verbund mit Verkehrsbehörde und Polizei den Mut dazu hätte, die Vorfahrtsregelungen entsprechend zu ändern.