Friesland (4. 11. 2024) – Die Friesland Kliniken GmbH steckt wie sehr viele Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft in einer Finanzkrise. Ihr Träger, der Landkreis Friesland, muss die zur GmbH gehörenden Krankenhäuser in Sanderbusch und Varel mit Zuschüssen in Millionen-Höhe stützen, um Zahlungsfähigkeit der GmbH zu erhalten.
Telemedizin wurde nicht angenommen
Heute hat der Kreistag in nicht-öffentlicher Sitzung mehrheitlich einen Beschluss gefasst, um das Defizit zu begrenzen. Zum 1. Dezember werde die Zentrale Notfallambulanz (ZNA) im St.-Johannes-Hospital in Varel geschlossen, teilte der Landkreis im Nachgang der Beschlussfassung mit. Man habe auf seit Monaten geringe Fallzahlen reagiert. So hätten zum Bespiel von Juni bis Oktober nur sechs Patienten das Angebot der Telemedizin, einer Ferndiagnose übers Internet, in Anspruch genommen, die abends und nachts sowie an Wochenenden und Feiertage die Betreuung durch Fachärzte vor Ort ersetzen sollte.
Geburtshilfe nicht betroffen
Wie der Krankenhaus-Träger betont, bleibe unabhängig von der Schließung der ZNA die Rund-um-die-Uhr-Versorgung im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe in Varel erhalten. „Das bedeutet, dass Fälle hier weiterhin jederzeit angenommen werden, und zwar fußläufige Patientinnen und Patienten ebenso wie Rettungsfahrzeuge“, heißt es in der Mitteilung
Der bisherige, schon eingeschränkte Betrieb der ZNA Varel verursache einen Gesamtkostenbedarf von geschätzt 690.035 Euro. Für einen annähernd kostendeckenden Betrieb wären 91 Patienten am Tag mit einer Mindest-Notfallpauschale von 30 Euro notwendig gewesen. „Nach aktuellem Stand ist das tatsächliche Patientenaufkommen hiervon weit entfernt. Eine positive Entwicklung zeichnet sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht ab“, so der Landkreis. Aufgrund der auch tagsüber sehr geringen Fallzahlen lägen die Kosten fürs Personal und den Einsatz der Telemedizin deutlich über den Erlösen.
Das in der ZNA beschäftigte Personal werde künftig in anderen Abteilungen der Friesland Kliniken eingesetzt. Die interdisziplinäre Notaufnahme am Standort Sanderbusch ist weiterhin 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche für alle Patientinnen und Patienten sowie für den Rettungsdienst erreichbar. Erneut bewerten werde man die Situation der Notaufnahmen, sobald das beauftragte Sanierungsgutachten für die Friesland Kliniken sowie eine Machbarkeitsstudie zur Zusammenarbeit mit der Klinikum Wilhelmshaven gGmbH vorliegen.
Friesland/Wilhelmshaven (22. 8. 2024) – Die Alarmglocken schrillen. Und das schon seit Jahren. Die stationäre Gesundheitsversorgung ist im Umbruch. Zum Teil ökonomisch unabdingbar, zum Teil politisch gewollt, zum Teil aber auch von Verantwortlichen vor Ort selbst verschuldet. Für Hooksiel bedeutet das: Es ist mehr als fraglich, ob es in Zukunft noch drei Krankenhäuser in weniger als 20 Kilometer Entfernung mit einem Großteil der Versorgungsleistungen geben wird.
Die Stadt Wilhelmshaven muss ihr Klinikum mit immer neuen Millionen-Summen unterstützen, damit es die Löhne und Gehälter der rund 1500 Mitarbeiter zahlen kann. Hinzu kommt eine brach liegende Baugrube als Symbol für einen gescheiterten Klinik-Neubau. Auch die „Friesland-Kliniken“ mit ihren Standorten Sanderbusch und Varel geraten zunehmend unter Druck.
Neuer Anlauf für Kooperation
Vor diesem Hintergrund werden die Stimmen lauter, die eine Zusammenarbeit bis hin zur gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung der Krankenhäuser der Region fordern. Wieder einmal. Schon mehrfach sind entsprechende Initiativen in der Vergangenheit im Sande verlaufen – zu stark waren offenkundig das Kirchturm-, Besitzstands- und Konkurrenzdenken in den Kliniken und bei deren Trägern.
Vor dem Hintergrund von Reformplänen der Bundesregierung, Hilfezusagen vom Land Niedersachsen und immer dramatischer werdenden roten Zahlen in den Büchern der Krankenhäuser jetzt ein neuer Anlauf: So hat der Kreistag des Landkreises Friesland sich in einer Sondersitzung an diesem Mittwoch für „eine mögliche Zusammenarbeit der Klinikum Wilhelmshaven gGmbH und der Friesland Kliniken gGmbH in einer noch zu bestimmenden Rechtsform unter gemeinsamer kommunaler Trägerschaft“ ausgesprochen.
Machbarkeitsstudie
Ob es dazu kommen wird? Abwarten. Klar ist, dass vor einem Zusammenschluss noch etliche Fragen geklärt werden müssen. Und das dauert. Zunächst soll eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben werden. Der Kreistag stellte für ein entsprechendes Gutachten bis zu 100.000 Euro bereit – geknüpft an die Erwartung, dass die Stadt Wilhelmshaven die gleiche Summe zur Verfügung stellt. Zur Vorbereitung der Vergabe des Auftrags für die Studie soll eine Arbeitsgruppe installiert werden, der drei Kreistagsmitglieder – Axel Homfeldt (CDU/Schortens), Sina Beckmann (Bündnis 90/Die Grünen/Jever) sowie Sören Mandel (SPD/Varel) – angehören.
Aktuell seien die medizinische Versorgung in Friesland und auch die Arbeitsplätze in den Friesland Kliniken sicher, hieß es im Kreistag. Aber vor dem Hintergrund der Krankenhausreform des Bundes sowie des Krankenhaus-Finanzierungsgesetzes sei es sinnvoll, so Frieslands Landrat Sven Ambrosy (SPD), zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der „Friesland Kliniken“, wenn Krankenhausträger in der Region – also die Landkreise Friesland und Wittmund sowie die Stadt Wilhelmshaven – in einen Dialog treten, wie die medizinische Versorgung langfristig und vor Ort sichergestellt werden kann.
Ressourcen bündeln
Das Sozialministerium in Hannover hatte zuletzt seine Unterstützung für eine Machbarkeitsstudie zugesagt, in der unter anderem Standortoptionen für eine umfassende Versorgung der Region, eine bestmögliche Ressourcen-Bündelung, der Investitionsbedarf und die Zukunftsfähigkeit im Rahmen einer SWOT-Analyse und eines Kostenvergleichs bewertet werden. Dabei sollen sowohl die Standorte Varel und Sanderbusch sowie das Neubauprojekt in Wilhelmshaven berücksichtigt werden.
Ausgelöst worden war die aktuelle Debatte über eine Klinik-Fusion durch einen Vorstoß der Win@WBV-Fraktion im Wilhelmshavener Stadtrat vor einigen Wochen. Die Dringlichkeit des Themas unterstreicht der rasant steigende Zuschussbedarf des dortigen Klinikums. Die Stadt soll laut Medienberichten seiner Tochter weitere über 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Insgesamt würde die Summe damit auf deutlich über 100 Millionen klettern.
Wichtiger Faktor für Wohnstandort
„Wir sind davon überzeugt, dass eine engere Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Klinik-Fusion der richtige Weg ist“, betont Thies Fischer, stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU-Friesland aus dem Wangerland. Als „fahrlässig“ stufen Fischer und sein Mitstreiter Kai Ulferts Stimmen aus Friesland ein, die den Hilferufe aus Wilhelmshaven als „Sommerloch-Diskussion“ abtuen wollten. Es gehe schließlich um „die langfristige Sicherstellung der medizinischen Versorgung in unserer Region“, so die CDU-Vertreter: „Da muss sich endlich etwas tun!“ Fischer (23 Jahre) und Ulferts (25) betonen, das die Region gerade von der jüngeren Generation als ein gemeinsamer Wohnstandort wahrgenommen werde.
Ähnlich sieht es auch die Wittmunder CDU-Bundestagsabgeordnete Anne Janssen (links im Bild; Foto: Tobias Koch): „Die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit ernsthaft auszuloten, ist endlich der Schritt in die richtige Richtung! Eine große Strukturreform der Krankenhäuser wird kommen und gemeinsam haben die beiden Häuser die besten Chancen, sich auf zukunftsfähige Beine zu stellen.“
Der Teufel steckt im Detail
Oberstes Ziel einer engeren Zusammenarbeit der Kliniken wäre die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ihres Betriebs in kommunaler Hand. Für Privatisierungs-Vorschläge, wie etwa von der FDP in Wilhelmshaven gefordert, gibt es aktuell keine Mehrheiten.
Mediziner sprechen sich seit Jahren dafür aus, Doppelstrukturen in den Krankenhäusern abzuschaffen und Ressourcen zu bündeln. So könnten Kosten gespart und möglicherweise auch noch die Qualität der Behandlung verbessert werden. Wie die Erfahrungen aus den zurück liegenden (erfolgreichen) Fusionen der katholischen Krankenhäuser St.-Willehad-Hospital (Wilhelmshaven) und St.-Johannes-Hospital (Varel) mit den jeweiligen kommunalen Kliniken gezeigt haben, gibt es dabei jedoch viele konfliktträchtige Details, die jetzt in der geplanten Machbarkeitsstudie beleuchtet und entschieden werden müssten.