Vor 60 Jahren: In 92 Sekunden zum größten Erfolg der Hooksieler Wehr

Feuerwehr 1963
Die Hooksieler Feuerwehrmannschaft, die vor 60 Jahren den Bezirkswettbewerb gewann: (von links) Fritz Nispel, Herbert Gruben, Franz Cordsen, Meinolf Cohn, Heino Reiners, Helmut Janßen, Theo Janßen, davor Ernst Joosten und Fritz Kirchhoff. 

Hooksiel (1. 10. 2023) – „Adenauer und Erhard einig über außenpolitischen Kurs“ titelt die Oldenburger Nordwest-Zeitung am 16. September 1963. Weitere Themen im überregionalen Teil der Montagsausgabe: „Schon wieder Fünflinge in Amerika“ und „Platzverweis für Helmut Rahn“. Rahn ging damals in der gerade gegründeten Fußball-Bundesliga für den Meidericher SpV auf Torejagd.

Was macht die Zeitungsausgabe aus Hooksieler Sicht so spannend? Zur Antwort führt ein Foto auf Seite 4 mit einem Hinweis auf den Bezirkswettbewerb der Feuerwehren im Oldenburger Land, das auf einen Bericht im Lokalteil verweist. Zu der Großveranstaltung an den Weser-Ems-Hallen waren 42 Feuerwehr-Mannschaften geladen. Darunter ein Team der Freiwilligen Feuerwehr Hooksiel, angeführt vom Maschinisten Ernst Joosten.

Großes Glück bei der Auslosung

Und, Was schon damals als Sensation galt: Die Hooksieler Mannschaft wurde vor Wiefelstede und Langförden Bezirksmeister. „Das hat bis heute niemand mehr geschafft“, sagt Meinolf Cohn (86), der damals als schnellster Läufer zu dem neunköpfigen Team gehörte. Je zwei Feuerwehrleute bildeten den Wasser-, den Schlauch- und den Angriffs-Truppe. Hinzu kamen der Maschinist, ein Melder und ein Gruppenführer.

Die Aufgabe, die es zu bewältigen galt: So schnell wie möglich eine über 100 Meter lange Schlauchleitung von der Wasserversorgung durch ein Sichthindernis hindurch zum Angriffspunkt zu legen. Dort mussten vier auf Böcken platzierte Kanister heruntergespritzt werden. 

„Wir hatten schon riesiges Glück bei der Auslosung“, erinnert sich Meinolf Cohn, der heute noch in der Altersabteilung der Hooksieler Wehr aktiv ist. „Für das Zusammenkoppeln der Schläuche traf das Los genau die Kameraden, die das am besten konnten.“

Intensives Training zahlt sich aus

Aber der bis heute einmalige Erfolg für die Hooksieler Wehr war keineswegs nur Glückssache. Im Gegenteil. „Wir haben im Vorfeld hart trainiert“, sagt Meinolf Cohn. „Der Sieg war der Beleg dafür, dass man nur etwas erreichen kann, wenn man sich richtig anstrengt.“

Rund vier Wochen lang traf sich die Hooksieler Mannschaft täglich um 17 Uhr an der Pakenser Straße, rollte Schläuche aus, kuppelte die Verbindungen zusammen, probte den Wasserangriff und, und, und. Dass Landwirt Cohn für das Training sogar das Melken seiner Kühe um eine Stunde verschob, zeigt, wie ernst die Akteure das Unterfangen nahmen. Belohnt wurden sie mit dem wohl größten sportlichen Erfolg der Freiwilligen Feuerwehr Hooksiel überhaupt. 

Forderung nach moderner Ausrüstung

Der Wettkampfrichter stoppte genau 92 Sekunden. Bezirksmeister. Zeugen des Ereignisses vor fast genau 60 Jahren waren in Oldenburg neben vielen Anhängern der Wehren und sonstigen Zuschauern auch sämtliche Landräte, Kreisdirektoren und Bürgermeister der Region. Denn die Feuerwehren wollten über den sportlichen Vergleich auch eine politische Botschaft senden: „Feuerwehr für moderne Ausrüstung!“. 

Diese Forderung unterstützen auch die Hooksieler. In ihrem damaligen Feuerwehrgerätehaus in der Lange Straße (heute Künstlerhaus), stand ein grünes Löschfahrzeug, Baujahr 1943, das in den letzen Monaten des zweiten Weltkrieges immer wieder zu Einsätzen zu Bränden in Wilhelmshaven ausrücken musste. Genau hier entstand das Erinnerungsfoto der Siegermannschaft. Auf dem Bild ist der Wagen allerdings rot. „Wie die das auf dem Foto hinbekommen haben, weiß ich auch nicht“, räumt Meinolf Cohn ein. 

Vor 400 Jahren: Jeverländer setzen in Altgarmssiel 150 Dragoner fest

Wangerland (15. 5. 2023) – Genau vor 400 Jahren, am 17. Mai 1623, wurde auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Wangerland eine bemerkenswerte Schlacht geschlagen. Einer Schar Jeverländern gelang es, in Altgarmssiel eine 500 Mann starke Dragoner-Truppe des Grafen Ernst von Mansfeld zu vertreiben. Dabei wurden 150 Feinde festgesetzt.

Die Schlacht bei Altgarmssiel, bis heute weitgehend in Vergessenheit geraten, war ein Schauplatz im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Historiker sehen in den drei Kriegs-Jahrzehnten vier aufeinander folgende Kriege. Auslöser war der „Prager Fenstersturz“ (1618), Endpunkt der „Westfälische Frieden“ (1648) zu Münster. Bei dem Konflikt, der als Religionskrieg begannt, ging es um die Vorherrschaft im Herzen Europas. 

Rüstung
So oder ähnlich könnte die Beute ausgesehen haben, die die Jeverländer bei der Schlacht in Altgarmssiel am 17. Mai 1623 gemacht haben. Foto: pexels-pixsbay

Unter anderem standen sich der Habsburger Kaiser samt Katholischer Liga und eine Protestantische Union gegenüber. Nahezu alle europäischen Mächte waren phasenweise in die Auseinandersetzungen verwickelt, bei denen allein in Deutschland nach Schätzungen von Historikern drei bis neun Millionen von seinerzeit 15 bis 20 Millionen Einwohnern starben. Politikwissenschaftler vergleichen in der Rückschau die damalige religiös-politischen Wirren mit der Gemengelage im Krieg in Syrien. Die verschiedenen Truppen zogen wie Heuschrecken durchs Land, plünderten und malträtierten die Bevölkerung, die zudem unter der Pest und anderen Seuchen litt. 

Plünderungen und Vergewaltigungen auch in Hooksiel

Im Mai 1623 hatten rund 500 Dragoner des Grafen Ernst von Mansfeld die damals unabhängige Herrlichkeit Knip- und Innhausen annektiert. In Mitleidenschaft gezogen wurden nach Darstellung des 2018 verstorbenen Journalisten Klaus Dede (Nordenham) damals auch Hooksiel, Horumersiel und Altgarmssiel. Die Soldateska soll etliche Häuser geplündert und Frauen vergewaltigt haben.

Mansfeld war ein privater Kriegsunternehmer, der Söldner anwarb, die er zwischen 1620 und 1626 (aus wirtschaftlichen Gründen) für die Protestantische Union gegen den habsburgischen Kaiser und dessen Verbündete (Spanien, Bayern und die Katholische Liga) ins Feld führte. Die Mansfelder waren nach Niederlagen in der Pfalz Richtung Norden gezogen und hatten die Grafschaft Ostfriesland besetzt. Von hieraus rückten sie nach der Darstellung des 1965 verstorbenen Sillensteder Pastors Carl Woebcken („Jeverland – Gewesenes und Gebliebenes“, Heft 8 der Mitteilungen des Jeverländischen Altertums und Heimatvereins) am 16. Mai 1623 in Altgarmssiel ein. 

Erfolgreicher Widerstand gegen Söldnerheer

Altgarmssiel
Heute finden sich in Altgarmssiel (Gemeinde Wangerland) keine Hinweise mehr auf die erfolgreiche Schlacht der Jeverländer gegen die Maisfelder Dragoner vor 400 Jahren. Foto: hol

„Im Jeverland organisierte man sofort den Widerstand“, schreibt Dede. Einer Truppe von 1500 Bewaffneten gelang es am 17. Mai 1923, die Dragoner in Altgarmssiel einzuschließen. Altgarmssiel – heute eine eher unscheinbare Ortschaft zwischen Hohenkirchen und Carolinensiel – war damals ein wichtiger Umschlagplatz an der Mündung des Tettenser Tiefs in die Harlebucht, die seinerzeit noch nicht eingedeicht war.

Mansfelder und Jeverländer sollen sich zunächst gegenüber gestanden haben. Die Verhandlungen der Unterhändler hätten in einen heftigen Wortwechsel gemündet, schreibt Woebcken. Einer der Dragoner habe sich bedroht gefühlt, einen Schuss abgegeben und dadurch einen der Jeverländer getötet. „Wutentbrannt stürzten die Landsleute des Getöteten auf die Eingedrungenen und überwältigten sie“, schreibt Woebcken und weiter: „Der feindliche Oberst schlug sich durch, zwei Hauptleute und 150 Dragoner gaben sich gefangen, 60 Pferde und eine Menge Ausrüstungsgegenstände wurden erbeutet.“

Anton Günther sicherte sich Herrlichkeit Kniphausen

Die Gefangenen wurden nach Jever gebracht, als Unterpfand für die Verhandlungen mit Mansfeld. Der Heerführer erhielt letztlich seine Söldner und die Pferde und zusätzlich noch 12.000 Taler. Dafür musste er sich verpflichten, die Herrschaft Jever, die damals schon zur Grafschaft Oldenburg gehörte, künftig ungeschoren zu lassen und die Herrlichkeit Kniphausen zu räumen, die im November 1623 dann vom Oldenburger Graf Anton Günther annektiert wurde. 

Die Mansfelder Truppen rückten am 8. August 1624 aus den Gemeinden Fedderwarden, Accum und Sengwarden ab. Anton Günther, lutherisch und kaisertreu zugleich, verfolgte in den Kriegswirren eine strikte Neutralitätslinie, die er durch großzügige Geschenke an alle Seiten absicherte. In der Herrlichkeit Kniphausen stand der Landesherr dann vor dem Problem, wie er, der Protestant, mit seinen neuen Untertanen, alles Calvinisten, umgehen sollte. 

Ein bis heute sichtbares Relikt jener Tage ist evangelisch-reformierte Kirchengemeinde in Accum. An die erfolgreiche Schlacht der Jeverländer in Altgarmssiel erinnert heute kaum noch etwas – nicht einmal eine Gedenktafel am damaligen Schauplatz.

Für die Unterstützung bei der Recherche für diese Artele dankt „Hooksiel-Life“ der „Geschichtswerktstatt Wangerland e. V.“

Begegnung mit der eigenen Jugend in Hooksiel nach über 60 Jahren

Hooksiel (25. 4. 2023) – Für Gerda Mulder war es eine Begegnung mit ihrer Vergangenheit. Die Seniorin, die seit etlichen Jahrzehnten in den Niederlanden lebt, feierte jetzt ihren 80. Geburtstag in Hooksiel. Mit 14 Familienangehörigen besuchte sie für zwei Tage ihren Geburtsort Hooksiel.

Als Überraschung für die Jubilarin hatte ihr Sohn Gerard einen kleinen Vortrag über den Ort und seine Geschichte durch den Hooksieler Matthias Suckert organisiert. Anhand historischer Fotos und Episoden aus der Ortsgeschichte wurden bei der Jubilarin Erinnerungen an ihre Jugendtage geweckt.

Gerda Mulder wurde am 1943 als Gerda Brand in Hooksiel geboren. Ihre Eltern waren Martha und Gerd Brand, die in der Lange Straße 46 wohnten. Gerda hatte drei Brüder – Karl-Herrmann, Manfred und Hans, der deutlich älter war als seine Geschwister. Die Brüder arbeiteten alle in der Garage von Hans Mewes ins Schmidtshörn. Die Großeltern Marie und Heinrich Oetken waren Inhaber der Stellmacherei am Alten Hafen.

Gerda Brand ging in Hooksiel zur Schule. Im Anschluss arbeitete sie 1957/1958 in der Bäckerei Ulfers am Hooksieler Hafen. 

Familie Brand
In der Mitte: Gerda Brand als kleines Mädchen mit ihren Eltern und zwei ihrer Brüd Fotos: privat

Der Niederländer Gerrit Mulder, Jahrgang 1937, war Muschelfischer bei der Firma Gerjets. Er lag 1958/59 mit seinem Boot im Hafen von Hooksiel. Eigner des Fischerbootes war der Niederländer Lichtendahl. „Die Fischer kehrten regelmäßig beim Cafe am Hafen ein“, schildert der Sohn von Gerda Mulder, Gerard Mulder. Er spricht wie auch die anderen Familienangehörigen sehr gut Deutsch. Sein Eltern Gerda und Gerrit lernten sich 1958 am Hafen auf der Straße vor dem Cafe kennen. Die Begegnung war der Beginn einer Liebe. Das Paar zog in die Niederlande und heiratete dort.

Bäckerei Ulfers
In der Bäckerei Ulfers am Alten Hafen hat Gerda Brand als Mädchen gearbeitet. Foto: Suckert

Die Rückkehr nach Hooksiel sei als Geschenk an seine Mutter und bei der ganzen Familie sehr gut angekommen, schildert Gerard Mulder: „Wir haben es genossen.“

Bei der Feier der Familie Mulder aus den Niederlanden stellte Matthias Suckert im „Packhaus“ anhand von Fotos das alte Hooksiel vor. Foto: privat

Vor 75 Jahren „Eisnotdienst“ für ostfriesische Inseln


Friesland (24.2.2023 ) – Ende Februar 1948: Anhaltend starker Frost, steife östliche Winde. Die Schifffahrt kommt zum Erliegen. Starkes Treibeis gefährdet die Versorgung der ostfriesischen Insel Langeoog. Die Inselgemeinde bittet die Seenotretter der DGzRS um Hilfe Die dreiköpfige Besatzung des Motorrettungsbootes „Langeoog“ ist ab sofort im „Eisnotdienst“, häufig vom Tagesanbruch bis zum Dunkelwerden. Teilweise ist das Boot bei stürmischem Ostwind und Frost durch Treibeis so stark behindert, dass es zwölf Stunden für den Weg zum Festland und zurück benötigte. Nicht selten wird die Vereisung durch überkommendes Wasser auch für die Seenotretter selbst zur Gefahr. 

DGzRS im Eiseinsatz
Eine ähnliche Eissituation wie 1948 wenige Jahre später: Die Seenotretter transportieren mit dem Motorrettungsboot „Langeoog“ Proviant für die vom Eis eingeschlossenen Insulaner.
Bildvermerk: DGzRS-Archiv/H. Gleitsmann

Im Jahresbericht der DGzRS von 1948 wird berichtet, dass die Seenotretter „Post, Milch und Personen“ beförderten. Etwa am 25. Februar: Die „Langeoog“ läuft um 8 Uhr aus dem Hafen aus, transportiert insgesamt 142 Personen ans Festland und kehrt um 16 Uhr auf die Station zurück. Einen Tag später werden noch einmal 42 Personen, Post und Milch zwischen Langeoog und Bensersiel befördert.

Auch die Insel Wangerooge war durch die Frostperiode in der zweiten Hälfte des Februars in „Eisnot“ gekommen, so dass die DGzRS-Station mit dem Motorrettungsboot „Lübeck“ einen Notdienst einrichtet. In achtstündiger Fahrt werden am 23. Februar bei frischem Ostwind, mäßig bis grober See und klarem kalten Wetter 21 Fahrgäste, neun Sack Post und Proviant, unter anderem sechs Zentner Zucker, transportiert. Am 25. Februar sind es neben Proviant auch 29 Fahrgäste und circa 300 Kilogramm Post, die von Wangerooge nach Wilhelmshaven gebracht wurden.


Hinzu kommt die klassische Seenotrettung: Am 27. Februar lotst die „Lübeck“ den Motorsegler „Auguste“ (Heimathafen Brake) von See durchs Eis in den Wangerooger Hafen. Am Nachmittag dann wieder Eisnotdienst. Doch die „Lübeck“ kann Carolinensiel nicht erreichen. Der Wasserstand ist zu niedrig. Die Fahrgäste müssen auf halber Strecke in ein kleines Boot umsteigen, von dem wiederum andere Fahrgäste nach Wangerooge gebracht werden.

Gabbey: Industrie beeinträchtigt touristische Entwicklung Hooksiels

Hooksiel (17. 1. 2023) – Irgendwie hängt alles mit allem zusammen, wenn man die Entwicklung des Wangerlandes und speziell von Hooksiel in den vergangenen Jahrzehnten betrachtet. Und das verzwickte Zusammenspiel von Weichenstellungen in der Vergangenheit und aktuellen kommunalen Fragen und Problemen wird besonders spannend, wenn es von jemanden erläutert wird, der die Entwicklung lange aus der ersten Reihe verfolg und mitgestaltet hat. Dietrich Gabbey (81), von 1976 bis 2011 für die SPD in Gemeinderat und Kreistag sowie von 1986 bis 1996 Bürgermeister der Gemeinde Wangerland, war zu Gast beim „Männerkreis Pakens-Hooksiel“ der ev-luth. Kirchengemeinde.

Dietrich Gabbey und Hermann Ulfers
Männerkreis-Sprecher Herbert Ulfers (rechts) dankte Alt-Bürgermeister Dietrich Gabbey für dessen informativen Vortrag über die Entwicklung von Hooksiel. Foto: hol

Ausgangspunkt seiner Betrachtungen war die Eindeichung des Voslapper Grodens vor 50 Jahren (1971 bis 1974) mit ihren Auswirkungen auf Hooksiel. Mit einer eingedeichten Fläche von über 1600 Hektar gilt das Vorhaben als größtes Landgewinnungsprojekt Deutschlands. Das Ziel: Flächen für Industrieansiedlungen an der Jade schaffen. In Hooksiel entstand dabei unter anderem der neue Seedeich, der Außenhafen samt Seeschleuse und 300 Hektar neue Fläche einschließlich dem Hooksmeer.

Vielen Hooksielern war schon damals klar, dass die Industrialisierung in unmittelbarer Nachbarschaft den Sielort verändern wird. Zum 1. Juli 1972 hatte Hooksiel sich der Gemeinde Wangerland angeschlossen. Wie Gabbey schilderte, gab es seinerzeit durchaus konkrete Überlegungen, die damals noch selbstständigen Gemeinden Hooksiel und Waddewarden mit Sengwarden, Fedderwarden und Sillenstede zu einer friesischen Großgemeinde zu fusionieren. Die Pläne scheiterten, so Gabbey, weil der damalige Wilhelmshavener Oberstadtdirektor Gerhard Eickmeier der „cleverere Verhandlungsführer“ war und Pastor Jacobs aus Sengwarden im Kreistag ebenfalls für den Anschluss an die Jadestadt warb. 

Erst mit der kommunalen Gebietsreform kam Wilhelmshaven in den Besitz der künftigen Industrieflächen. „Wer weiß, wie die Entwicklung gelaufen wäre, wenn es zur Großgemeinde mit Rathaus in Hooksiel gekommen wäre“, fragte Gabbey. So blieben die Hooksieler Zaungast der auch vom Land vorangetriebenen Industrieansiedlungen.

Konkreter Anlass für Widerstand der Bürger und eine Klagedrohung der Gemeinde Wangerland war dann die geplante Ansiedlung des ICI-Chemiewerkes (heute Vynova). Kurz vor dem 1. Spatenstich für das Werk habe er mit dem CDU-Ratsherrn Klaus-Peter Koch eine Stunde lang mit der damaligen Wirtschaftsministerin Birgit Breuel (CDU) im Kabinett Albrecht über die Bedenken der Wangerländer sprechen können – und einen Deal ausgehandelt, der später von der Gemeinde und vom Land abgesegnet wurde.

„Allen war klar, dass die touristische Entwicklung Hooksiels durch die Industrialisierung beeinträchtigt würde“, sagte Gabbey. „Und mit Blick auf die Klagen stellte sich für Frau Breuel die Frage, wie sich ein Einvernehmen mit dem Wangerland herstellen lässt.“

Das Verhandlungsergebnis: Zwischen Gemeindegrenze und Industrie wurde auf 16 Meter Höhe eine südliche Schutzzone aufgespült, auf der heute ein Wäldchen steht. Zweitens: Hooksiel erhielt ein Hallenwellenbad. „Zehn Millionen D-Mark kamen vom Land, zwei Millionen vom Landkreis. Weitere Fördermittel vom Bund. Am Ende hatten wir sogar vier Millionen D-Mark zu viel …“ erinnerte sich Gabbey, der heute mit der Bürgerinitiative Hooksiel für den Erhalt des in die Jahre gekommenen Bades kämpft. „Die Beeinträchtigungen durch die Industrie sind nicht geringer geworden. Im Gegenteil.“ 

Hooksiel benötige das Bad als touristische Attraktion so dringend wie eh und je. Zumal die Industrialisierung Wilhelmshavens mit mehreren geplanten LNG-Terminals, Wasserstoff-Elektrolyse und Eisenschwamm-Produktion für die Stahlindustrie richtig Fahrt aufnimmt. „Im Vergleich zu1972 verschlimmert sich die Lage deutlich“, so Gabbey. Ihm sei wichtig, dass angesichts der vielen energiepolitischen Notwendigkeiten die Nachteile für die kommunalen Nachbarn nicht aus dem Blick geraten. Dafür erwarte er Unterstützung für die Gemeinde jenseits vorhandener Fördertöpfe.

Als ein Beispiel für dringend nötige Hilfe verwies der Sozialdemokrat auf den Hooksieler Badestrandes. In Höhe des Strandhauses 1, dem Hauptstrand, sei über die Jahre ein gut 800 Meter breiter Sandsaum weggespült worden. Bemühungen, den Strand durch eine Mole zu sichern, seien gescheitert. Gabbey bezweifelt, dass Sandaufspülungen allein das Problem lösen würden.

Aber einige Hundert Meter entfernt, in Höhe von Strandhaus 2, hat sich nach den Beobachtungen des Hooksielers eine neue andzunge gebildet. „Wenn man dort zusätzlichen Sand aufspülen würde, könnte hier der neue Hauptstrand entstehen“, ist Gabbey überzeugt. Ein Strand, der sogar noch dichter am Dorf läge. Allerdings müsste wohl ein neues Service- und Sanitärgebäude gebaut werden, damit die Gäste den Strand annehmen. Eine weitere Idee: Die Wohnmobil-Wurt nahe des Campingplatzes könnte zu einem Ganzjahres-Stellplatz werden. Da die Gemeinde die nötigen Investitionsmittel nicht hat, müsste das Geld, daran ließ Gabbey keinen Zweifel, zum Beispiel aus Hannover kommen.

Pastor Stefan Grünefeld und Männerkreis-Sprecher Herbert Ulfers hatten gut ein Dutzend Teilnehmer zu der Runde begrüßt, die sich einmal monatlich im Walter-Spitta-Haus trifft. Grünefeld, frisch gekürter Vorsitzender des Gemeindekirchenrates der neu gegründeten ev.-luth. Kirchengemeinde Wangerland skizzierte den geplanten Weg zur Großgemeinde, zu der sich seit Anfang des Jahres sieben ev.-luth. Kirchengemeinden zusammengeschlossen haben. Da es in der Gemeinde in zwei Jahren vermutlich nur noch zwei Pastoren geben werde, sei das eine „große Herausforderung“, so Grünefeld. Ulfers reagierte pragmatisch: „Da wir der einzige Männerkreis in der Gemeinde sind, können wir uns in Männerkreis Wangerland umbenennen.“