Vor 75 Jahren „Eisnotdienst“ für ostfriesische Inseln


Friesland (24.2.2023 ) – Ende Februar 1948: Anhaltend starker Frost, steife östliche Winde. Die Schifffahrt kommt zum Erliegen. Starkes Treibeis gefährdet die Versorgung der ostfriesischen Insel Langeoog. Die Inselgemeinde bittet die Seenotretter der DGzRS um Hilfe Die dreiköpfige Besatzung des Motorrettungsbootes „Langeoog“ ist ab sofort im „Eisnotdienst“, häufig vom Tagesanbruch bis zum Dunkelwerden. Teilweise ist das Boot bei stürmischem Ostwind und Frost durch Treibeis so stark behindert, dass es zwölf Stunden für den Weg zum Festland und zurück benötigte. Nicht selten wird die Vereisung durch überkommendes Wasser auch für die Seenotretter selbst zur Gefahr. 

DGzRS im Eiseinsatz
Eine ähnliche Eissituation wie 1948 wenige Jahre später: Die Seenotretter transportieren mit dem Motorrettungsboot „Langeoog“ Proviant für die vom Eis eingeschlossenen Insulaner.
Bildvermerk: DGzRS-Archiv/H. Gleitsmann

Im Jahresbericht der DGzRS von 1948 wird berichtet, dass die Seenotretter „Post, Milch und Personen“ beförderten. Etwa am 25. Februar: Die „Langeoog“ läuft um 8 Uhr aus dem Hafen aus, transportiert insgesamt 142 Personen ans Festland und kehrt um 16 Uhr auf die Station zurück. Einen Tag später werden noch einmal 42 Personen, Post und Milch zwischen Langeoog und Bensersiel befördert.

Auch die Insel Wangerooge war durch die Frostperiode in der zweiten Hälfte des Februars in „Eisnot“ gekommen, so dass die DGzRS-Station mit dem Motorrettungsboot „Lübeck“ einen Notdienst einrichtet. In achtstündiger Fahrt werden am 23. Februar bei frischem Ostwind, mäßig bis grober See und klarem kalten Wetter 21 Fahrgäste, neun Sack Post und Proviant, unter anderem sechs Zentner Zucker, transportiert. Am 25. Februar sind es neben Proviant auch 29 Fahrgäste und circa 300 Kilogramm Post, die von Wangerooge nach Wilhelmshaven gebracht wurden.


Hinzu kommt die klassische Seenotrettung: Am 27. Februar lotst die „Lübeck“ den Motorsegler „Auguste“ (Heimathafen Brake) von See durchs Eis in den Wangerooger Hafen. Am Nachmittag dann wieder Eisnotdienst. Doch die „Lübeck“ kann Carolinensiel nicht erreichen. Der Wasserstand ist zu niedrig. Die Fahrgäste müssen auf halber Strecke in ein kleines Boot umsteigen, von dem wiederum andere Fahrgäste nach Wangerooge gebracht werden.

Gabbey: Industrie beeinträchtigt touristische Entwicklung Hooksiels

Hooksiel (17. 1. 2023) – Irgendwie hängt alles mit allem zusammen, wenn man die Entwicklung des Wangerlandes und speziell von Hooksiel in den vergangenen Jahrzehnten betrachtet. Und das verzwickte Zusammenspiel von Weichenstellungen in der Vergangenheit und aktuellen kommunalen Fragen und Problemen wird besonders spannend, wenn es von jemanden erläutert wird, der die Entwicklung lange aus der ersten Reihe verfolg und mitgestaltet hat. Dietrich Gabbey (81), von 1976 bis 2011 für die SPD in Gemeinderat und Kreistag sowie von 1986 bis 1996 Bürgermeister der Gemeinde Wangerland, war zu Gast beim „Männerkreis Pakens-Hooksiel“ der ev-luth. Kirchengemeinde.

Dietrich Gabbey und Hermann Ulfers
Männerkreis-Sprecher Herbert Ulfers (rechts) dankte Alt-Bürgermeister Dietrich Gabbey für dessen informativen Vortrag über die Entwicklung von Hooksiel. Foto: hol

Ausgangspunkt seiner Betrachtungen war die Eindeichung des Voslapper Grodens vor 50 Jahren (1971 bis 1974) mit ihren Auswirkungen auf Hooksiel. Mit einer eingedeichten Fläche von über 1600 Hektar gilt das Vorhaben als größtes Landgewinnungsprojekt Deutschlands. Das Ziel: Flächen für Industrieansiedlungen an der Jade schaffen. In Hooksiel entstand dabei unter anderem der neue Seedeich, der Außenhafen samt Seeschleuse und 300 Hektar neue Fläche einschließlich dem Hooksmeer.

Vielen Hooksielern war schon damals klar, dass die Industrialisierung in unmittelbarer Nachbarschaft den Sielort verändern wird. Zum 1. Juli 1972 hatte Hooksiel sich der Gemeinde Wangerland angeschlossen. Wie Gabbey schilderte, gab es seinerzeit durchaus konkrete Überlegungen, die damals noch selbstständigen Gemeinden Hooksiel und Waddewarden mit Sengwarden, Fedderwarden und Sillenstede zu einer friesischen Großgemeinde zu fusionieren. Die Pläne scheiterten, so Gabbey, weil der damalige Wilhelmshavener Oberstadtdirektor Gerhard Eickmeier der „cleverere Verhandlungsführer“ war und Pastor Jacobs aus Sengwarden im Kreistag ebenfalls für den Anschluss an die Jadestadt warb. 

Erst mit der kommunalen Gebietsreform kam Wilhelmshaven in den Besitz der künftigen Industrieflächen. „Wer weiß, wie die Entwicklung gelaufen wäre, wenn es zur Großgemeinde mit Rathaus in Hooksiel gekommen wäre“, fragte Gabbey. So blieben die Hooksieler Zaungast der auch vom Land vorangetriebenen Industrieansiedlungen.

Konkreter Anlass für Widerstand der Bürger und eine Klagedrohung der Gemeinde Wangerland war dann die geplante Ansiedlung des ICI-Chemiewerkes (heute Vynova). Kurz vor dem 1. Spatenstich für das Werk habe er mit dem CDU-Ratsherrn Klaus-Peter Koch eine Stunde lang mit der damaligen Wirtschaftsministerin Birgit Breuel (CDU) im Kabinett Albrecht über die Bedenken der Wangerländer sprechen können – und einen Deal ausgehandelt, der später von der Gemeinde und vom Land abgesegnet wurde.

„Allen war klar, dass die touristische Entwicklung Hooksiels durch die Industrialisierung beeinträchtigt würde“, sagte Gabbey. „Und mit Blick auf die Klagen stellte sich für Frau Breuel die Frage, wie sich ein Einvernehmen mit dem Wangerland herstellen lässt.“

Das Verhandlungsergebnis: Zwischen Gemeindegrenze und Industrie wurde auf 16 Meter Höhe eine südliche Schutzzone aufgespült, auf der heute ein Wäldchen steht. Zweitens: Hooksiel erhielt ein Hallenwellenbad. „Zehn Millionen D-Mark kamen vom Land, zwei Millionen vom Landkreis. Weitere Fördermittel vom Bund. Am Ende hatten wir sogar vier Millionen D-Mark zu viel …“ erinnerte sich Gabbey, der heute mit der Bürgerinitiative Hooksiel für den Erhalt des in die Jahre gekommenen Bades kämpft. „Die Beeinträchtigungen durch die Industrie sind nicht geringer geworden. Im Gegenteil.“ 

Hooksiel benötige das Bad als touristische Attraktion so dringend wie eh und je. Zumal die Industrialisierung Wilhelmshavens mit mehreren geplanten LNG-Terminals, Wasserstoff-Elektrolyse und Eisenschwamm-Produktion für die Stahlindustrie richtig Fahrt aufnimmt. „Im Vergleich zu1972 verschlimmert sich die Lage deutlich“, so Gabbey. Ihm sei wichtig, dass angesichts der vielen energiepolitischen Notwendigkeiten die Nachteile für die kommunalen Nachbarn nicht aus dem Blick geraten. Dafür erwarte er Unterstützung für die Gemeinde jenseits vorhandener Fördertöpfe.

Als ein Beispiel für dringend nötige Hilfe verwies der Sozialdemokrat auf den Hooksieler Badestrandes. In Höhe des Strandhauses 1, dem Hauptstrand, sei über die Jahre ein gut 800 Meter breiter Sandsaum weggespült worden. Bemühungen, den Strand durch eine Mole zu sichern, seien gescheitert. Gabbey bezweifelt, dass Sandaufspülungen allein das Problem lösen würden.

Aber einige Hundert Meter entfernt, in Höhe von Strandhaus 2, hat sich nach den Beobachtungen des Hooksielers eine neue andzunge gebildet. „Wenn man dort zusätzlichen Sand aufspülen würde, könnte hier der neue Hauptstrand entstehen“, ist Gabbey überzeugt. Ein Strand, der sogar noch dichter am Dorf läge. Allerdings müsste wohl ein neues Service- und Sanitärgebäude gebaut werden, damit die Gäste den Strand annehmen. Eine weitere Idee: Die Wohnmobil-Wurt nahe des Campingplatzes könnte zu einem Ganzjahres-Stellplatz werden. Da die Gemeinde die nötigen Investitionsmittel nicht hat, müsste das Geld, daran ließ Gabbey keinen Zweifel, zum Beispiel aus Hannover kommen.

Pastor Stefan Grünefeld und Männerkreis-Sprecher Herbert Ulfers hatten gut ein Dutzend Teilnehmer zu der Runde begrüßt, die sich einmal monatlich im Walter-Spitta-Haus trifft. Grünefeld, frisch gekürter Vorsitzender des Gemeindekirchenrates der neu gegründeten ev.-luth. Kirchengemeinde Wangerland skizzierte den geplanten Weg zur Großgemeinde, zu der sich seit Anfang des Jahres sieben ev.-luth. Kirchengemeinden zusammengeschlossen haben. Da es in der Gemeinde in zwei Jahren vermutlich nur noch zwei Pastoren geben werde, sei das eine „große Herausforderung“, so Grünefeld. Ulfers reagierte pragmatisch: „Da wir der einzige Männerkreis in der Gemeinde sind, können wir uns in Männerkreis Wangerland umbenennen.“