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Beiträge veröffentlicht in März 2023

Bereitet zweites LNG-Terminal den Weg für Sandaufspülungen am Strand?

Hooksiel (16.3. 2023) – Die Sorgen um Flora und Fauna in der Jade durch den Betrieb von schwimmenden LNG-Terminalschiffen in Wilhelmshaven könnten sich schon bald erledigt haben. Der Hooksieler Ratsherr Dieter Schäfermeier (WPW) geht fest davon aus, dass der Uniper-Konzern als Betreiber des Flüssigerdgas-Terminals nahe des Hooksieler Strandes den Umbau der „Höegh Esperanza“ in Kürze auf den Weg bringen wird. 

Sandabbruch am Strand
Sturmfluten und Strömung nagen am Sandstrand von Hooksiel. Das Strandhaus 1 steht bei Flut bereits regelmäßig im Wasser. Foto: hol

Schäfermeier verwies auf der Jahreshauptversammlung des Seebadevereins Hooksiel am Mittwochabend auf Gespräche mit Uniper, Niedersachsens Umweltministerium Christian Meyer (Grüne) und der Firma Hasytec (Kiel). Hasytec setzt bei der Bekämpfung von Muscheln, Schnecken und Algen, die sich in Rohrleitungen festsetzen können, auf Ultraschall. Zur Erwärmung und damit zur Regasifizieung von tiefgekühltem Flüssigerdgas (minus 162 Grad) wird an Bord der „Höegh Esperanza“ Jadewasser genutzt, das durch ein Rohrsystem geleitet wird, das mit Chlor sauber gehalten wird. Das dabei entstehende Abwasser ist mit Bioziden belastet.

Schäfermeier hatte zusammen mit verschiedenen Umweltschutzorganisationen davor gewarnt, dass die Biozide Kleinstlebewesen und Pflanzen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer schädigen könnten. Das vergleichsweise kalte Abwasser würde Blasen bilden, in denen die Schadstoff-Konzentration vergleichsweise hoch wäre.

Zum Durchbruch bei den Überlegungen zur Nachrüstung der „Höegh Esperanza“ könnte das zweite Regasifizierungsschiff sein, die FSRU „Excelsior“, die im Herbst ebenfalls am in Wilhelmshaven festmachen soll. Das Schiff kommt ohne Chlor aus. Bekanntlich plant das Unternehmen TES ebenfalls den Import von LNG. 

Die Arbeiten an einem zweien LNG-Terminal sollen demnächst beginnen. Sie könnten nach Ansicht von Schäfermeier eine Chance sein, Sand am Hooksieler Badestrand aufzuspülen. Eine entsprechende Zusage habe im vergangenen Jahr der damalige Umweltminister Olaf Lies (SPD) dem Wangerländer Rat gemacht. Im Zuge von laufenden Baggerarbeiten in der Nachbarschaft wäre der Aufwand für Sandaufspülungen überschaubar. „Nach meiner Kostenberechnung würde die notwendige Aufspülung sonst rund 12 bis 14 Millionen Euro kosten“, sagte Schäfermeier. „Das kann ja niemand bezahlen.“ 

Vorschlag: Neuer Strand mit Dünen und Lagune

Sturmfluten und Strömung haben seit Jahrzehnten am Hooksieler Strand genagt. Das Strandhaus 1 am Hauptbadestrand steht bei Flut schon jetzt im Wasser. Alt-Bürgermeister Dietrich Gabbey bezweifelte vor diesem Hintergrund, ob es sinnvoll sei, den zusätzlichen Sand dort anzuspülen, wo er ohnehin wieder abgetragen werde. Sinnvoller sei es, an einer schon vorhandenen Landzunge in Höhe des Hundestrandes einen neuen Hauptstrand, möglichst mit Dünen und Badelagune, anzulegen. Ein solcher Strand wäre ein Alleinstellungsmerkmal und damit ein guter Grund für einen Hooksiel Urlaub. 

Bei der Finanzierung eines solchen Vorhabens müssten das Land und möglicherweise auch die neuen Industriebetriebe auf dem Voslapper Groden der Gemeinde Wangerland beziehungsweise der Wangerland Touristik GmbH unter die Arme greifen, forderte Seebadevereins-Vorsitzender Erwin Abels.

Grüne Ministerin gegen pauschales Verbot von Schleppnetz-Fischerei

Hooksiel/Hannover (16. 3. 2023) – Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) trifft sich morgen in Neuharlingersiel mit Vertretern der Küstenfischerei. Sie will mit dem Landesfischereiverband Weser-Ems über das von der EU-Kommission im Februar vorgeschlagene Maßnahmenpaket „Verbesserung der Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Fischerei- und Aquakultursektors der EU“ sprechen.

Kutter im Außenhafen
Der Hooksieler Außenhafen dient vielen Küstenfischern als Schutzhafen. Foto: Dietmar Bökhaus

Ziel der Maßnahmen ist der Schutz und die Wiederherstellung von Meeres-Ökosystemen. Der Aktionsplan sieht in einem ersten Schritt vor, schon ab April 2024 die grundberührende Schleppnetzfischerei in FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat) zu verbieten, die dem Schutz bestimmter Meeresboden-Lebensraumtypen dienen. Schrittweise soll nach dem Vorschlag der Kommission das Verbot bis 2030 auf alle Schutzgebiete in der Nordsee ausgedehnt werden. Von diesen Regeln wäre dann der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer vollständig betroffen, bestätigt das Landwirtschaftsministerium auf Anfrage von „Hooksiel-life“.

Die Fischer in Niedersachsen und Schleswig-Holstein laufen sei Wochen gegen die EU-Pläne Sturm. Besonders die Krabbenfischer wären hart betroffen. Mit einem Verbot der Grundnetzfischerei drohe ihnen spätestens 2030 das Aus, hatten auch die Hooksieler Krabbenfischer in dieser Woche gewarnt und Widerstand angekündigt. 

Entscheidung noch vor der Sommerpause?

Über die EU-Vorschläge werde der EU-Rat für Landwirtschaft und Fischerei am kommenden Montag in Brüssel beraten. Es seien noch Abstimmungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten erforderlich, bevor die Pläne in der Ratsarbeitsgruppe voraussichtlich vor der Sommerpause im Rat angenommen werden sollen, heißt es aus Hannover. Landwirtschaftsministerin Staudte sei es deshalb ein persönliches Anliegen, mit Vertretern der Küstenfischerei zu sprechen. 

Die EU-Kommission will nach eigenem Bekunden den Übergang zu nachhaltigeren Fangmethoden beschleunigen. Die Krabbenfischer halten dem entgegen, dass viel von ihnen schon jetzt mit dem MSC-Standard zertifiziert nachhaltig fischen. Zudem würde ihr leichtes Fanggeschirr, das auf Rollen über den Grund gleite, keine Schäden am Meeresboden anrichten. 

Die Auswirkungen der Grundschleppnetzen auf den Meeresboden hängen nach Ansicht von Ministerin Staudte von der Art des Meeresbodens, der Störungsempfindlichkeit seiner Lebensgemeinschaften, der Art der Schleppnetzfischerei und der Intensität der Fischerei ab. Die Auswirkungen ließen sich nicht pauschal beurteilen. „Ob die betreffende Fischerei mit den Schutzzielen vereinbar ist, bedarf zwingend einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten“, so das Ministerium.

Forscher untersuchen Auswirkungen auf Meeresböden

Für Klarheit soll ein mit Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) und der Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen finanziertes dreijähriges Forschungsprojekt unter Federführung des Thünen-Instituts für Seefischerei sorgen, das die Auswirkungen der Krabbenfischerei auf Habitate und Lebensgemeinschaften im Küstenmeer untersucht. „Die Ergebnisse dieses Projektes sollen eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Bewertung des Einflusses der Garnelenfischerei liefern und werden zeitnah veröffentlicht“, verspricht die Ministerin.

Staudte setzt auf Gespräche mit Fischern

Pauschale Verbote jeglicher grundberührender Schleppnetzfischerei in den Schutzgebieten des niedersächsischen Küstenmeeres hätten scherwiegende sozioökonomische Auswirkungen, weiß man auch in Hannover. Grundsätzlich sei es aber sinnvoll, die Fischerei auf nachhaltigere Fangmethoden umzustellen, ist die Ministerin überzeugt. „Es muss jedoch in die Entwicklung von Alternativen investiert werden, damit die Küstenfischerei in Niedersachsen nicht ihre ökonomische Grundlage verliert.“

Das Ziel der EU-Kommission, den Fischereisektor widerstandsfähiger zu machen, ist nach Überzeugung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums mit einem pauschalen Verbot in Schutzgebieten nicht erreichbar. „Es braucht eine differenzierte Lösung für das Wattenmeer“, so Miriam Staudte: „Hierzu sind nun Gespräche notwendig.“

Landkreis gibt Katastrophenalarm: Gilftgaswolke über Friesland

Friesland (15. 03. 2023) – Der Landkreis Friesland hat heute um 13.17 Uhr Katastrophenalarm ausgelöst. Der Grund: Beim Quellbad in Varel-Dangast ist eine Chlorgaswolke ausgetreten, die sich nach Einschätzung des Landkreises bis nach Wilhelmshaven ausbreiten könnte.

Alle Bürger werden aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten.

Auslöser für den Schadstoffunfall war nach ersten Informationen der Polizei ein Fehler beim Befüllen des Chlortankes. Dabei sei gegen 11.30 Uhr Schwefelsäure statt Chlor in einen Tank gefüllt worden. „Infolge einer chemischen Reaktion explodierte der Tank“, so die Polizei.

Im Bad seien zum Zeitpunkt des Störfalls keine Gäste gewesen. Personen seien nicht verletzt wordedie n. Ein Großaufgebot der Feuerwehren sei ausgerückt, um das Feuer zu löschen. Wie lange Wolke mit giftigen Gasen gefährlich sein kann, blieb zunächst ungewiss.

Meerwasser-Hallenwellenbad bleibt mindestens bis zum Juni geschlossen

Hooksiel/Horumersiel (14. 3. 2023) – Die Hallenbäder im Wangerland werden wieder geöffnet. Wie die gemeindeeigene Wangerland Touristik GmbH (WTG) heute mitteilt, wird die Friesland-Therme in Horumersiel ab Montag, 3. April, für den Badebetrieb freigegeben. Das Meerwasser-Hallenwellenbad in Hooksiel lädt allerdings voraussichtlich erst im Juni wieder zum Badevergnügen ein.

Die WTG hatte mit Blick auf die explodierenden Energiepreise beide Bäder Mitte November vergangenen Jahres geschlossen. Offizielles Ziel damals: Wiedereröffnung Ende März. Inzwischen sind die Energiepreise gesunken. Dass das Bad in Hooksiel dennoch weitere zwei bis drei Monate geschlossen bleiben soll, begründet die WTG mit Sanierungsmaßnahmen, die während der Revisionsarbeiten in den vergangenen Wochen identifiziert worden seien.

Meerwasser-hallenwellenbades
Das Meerwasser-Hallenwellenbad Hooksiel bleibt mindestens bis Juni geschlossen. Foto: WTG

WTG-Mitarbeiter hatten die Schließungsphase im Hallenwellenbad Hooksiel ebenso wie in der Friesland-Therme in Horumersiel für unterschiedliche Revisionsarbeiten genutzt. Über den Zustand des Bades in Hooksiel seien zudem zusätzlich vertiefende Gutachten zum baulichen Zustand des Gebäudes erstellt worden. Zeitgleich habe man mit ersten Sanierungsarbeiten begonnen.

Leimbinder müssen saniert werden

Eine dieser Maßnahmen, so die WTG in einer Presseerklärung, sei die Sanierung der Leimbinder, die besonders wichtig für die Statik des Gebäudes seien. Das sei ein wichtigen Faktor für den Erhalt des Meerwasser-Hallenwellenbades. Die Beseitigung der zum Teil erst in der Schließphase identifizierten Mängel sei der Grund dafür, dass das Bad nicht wie geplant wiedereröffnet werden könne.

„Zum aktuellen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass eine Wiedereröffnung im Juni möglich sein wird“, sagt Armin Kanning, Geschäftsführer der Wangerland Touristik. „Wir bedauern sehr, dass die angepeilte Eröffnung zum Saisonbeginn nicht klappen wird. Anderseits sind wir froh darüber, dass die Arbeiten die aktuell getätigt werden, vorerst einen generellen Weiterbetrieb des Bades in Hooksiel ermöglichen werden.“ 

Zum Hintergrund: Im Herbst hatten Gutachter nach flüchtiger Untersuchung des über 40 Jahre alten Bades Mängel und mögliche Schäden am Gebäude befürchtet, deren Beseitigung einen zweistelligen Millionenbetrag kosten könnte. Ein Teil der Befürchtungen konnten nach genauerer Betrachtung in der Revision ausgeräumt oder zumindest abgeschwächt werden. Die Hoffnung, dass sich im Rahmen eines parallel ausgeschriebenen Interessen-Bekundungsverfahrens ein privater Investor findet, der sich an den Sanierungskosten beteiligt, haben sich allerdings auch nicht erfüllt.

Friesland-Therme wird mit Wasser gefüllt

In der Friesland-Therme in Horumersiel wurden in den vergangenen Wohen neben den normalen Revisionsarbeiten Malerarbeiten durchgeführt, defekte Fliesen ersetzt, das Lüftungssystem intensiv gereinigt und das Dach des Gebäudes in Stand gesetzt. „Aktuell wird das Wasser wieder in die Becken gelassen und die Pumpen werden wieder in Gang gebracht“, so die WTG. 

Ab dem 3. April sollen zunächst die Schwimmhalle und der innen liegende Saunabereich wieder genutzt werden können. Das Freibad und die Außensaunen, werden wie üblich zur Sommersaison freigegeben. Informationen zu den Öffnungszeiten unter wangerland.de 

Krabbenfischer fürchten um ihre Existenzgrundlage

Hooksieler Fischer
Mit einem Kreuz am Alten Hafen machen die Hooksieler Krabbenfischer auf ihre Sorgen aufmerksam: (von links) Jörg Peters, Sven Kaiser, Nils Schröder und Sebastian Dreyer. Foto: hol

Hooksiel (14. 3. 2023) – Bei den Fischern schrillen die Alarmglocken. Nachdem die EU-Kommission den Vorschlag gemacht hat, die Fischerei mit Grundnetzen in sämtlichen Schutzgebieten der Nordsee ab 2030 zu verbieten, fürchten sie um ihre Existenz. Seit heute stehen an allen Fischereihäfen an der Nordseeküste mahnende Kreuze, die auf das drohende Ende der traditionellen Küstenfischerei in Deutschland hinweisen.

„Wir wollen nicht zum Bauernopfer der grünen Energie werden“, sagt Krabbenfischer Nils Schröder, der heute zusammen mit seinem Mitarbeiter Sebastian Dreyer sowie den Krabbenfischern Jörg Peters und Sven Kaiser am Alten Hafen in Hooksiel ein schwarzes Kreuz aufgestellt hat. „Wir wollen in einem ersten Schritt die Öffentlichkeit sensibilisieren“, sagt Schröder. Als zweiter Schritt ist eine Großdemonstration aller Küstenfischer am 23. März vor Büsum geplant – pünktlich zur Agrarministerkonferenz mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sollen in Sichtweite des Konferenz-Hotels möglichst alle deutschen Kutter liegen. 

Özdemir habe die EU-Pläne ausdrücklich begrüßt, sagt Schröder. Aus ökologischen Gründen. Dabei würden die leichten Netze der Krabbenfischer gar keinen Schaden am Meeresboden der Nordsee verursachen. Besonders dramatisch aus Sicht der Fischer: Der EU-Aktionsplan sieht schon ab März 2024 Einschränkungen für Teile des Nationalparks Wattenmeer vor. „Wenn das wie geplant umgesetzt wird, gibt es ab 2030 keine deutschen Krabbenfischer mehr.“

Die Fischer sehen sich als Opfer der Industrialisierung der Nordsee. Immer mehr Windparks auf hoher See, Kabeltrassen, Pipelines. „Dafür werden Ausgleichsflächen benötigt“, befürchten die Fischer. Und dafür sollen dann die Fischereizonen eingeschränkt werden. Das Problem: Zumindest für die deutschen Krabbenfischer, die traditionell mit kleinen Booten auf See gehen, gibt es keine alternativen Fanggründe. 

Am Jadebusen gibt es nur noch vier Krabbenfischer, Hooksiel, Horumersiel und Varel in See stechen. Allerdings würde das Aus der Krabbenfischerei auch erhebliche Folgen für den Tourismus an der deutschen Nordseeküste haben, ist Schröder überzeugt. „Stellen Sie sich mal Greetsiel, Neuharlingersiel oder auch Büsum ohne Krabbenfischer vor …“. Und auch Hooksiel wäre ohne seine Fischer um eine Attraktion ärmer. 

Tempo 30? Verkehrsbehörde zählt Autos in Hooksiel

Hooksiel (13. 3. 2023) – Um die Ostertage werden am Pakenser Altendeich die Autos gezählt. Das hat die Straßenverkehrsbehörde beim Landkreis Friesland gegenüber der Gemeinde Wangerland in Aussicht gestellt. Die Erkenntnisse über die Verkehrsbelastung sollen Grundlage für die Bewertung eines Antrags bilden, die Höchstgeschwindigkeit auf der Gemeindestraße vom Verkehrskreisel (Höhe Tankstelle) bis zum Ortskern auf 30 km/h zu begrenzen.

Tempo-20-Hooksiel
Der Pakenser Altendeich mündet in eine Temp0-20-Zone im Ortskern von Hooksiel. Mit Tempo 30 wäre auch die Zufahrtsstraße sicherer zu befahren. Foto: hol

Einen entsprechenden Antrag hatte der Hooksieler Werner Doyen kürzlich bei Gemeinde und Landkreis eingereicht. Wie der für Ordnungsfragen zuständige Abteilungsleiter im Rathaus, Markus Gellert, gegenüber „Hooksiel-life“ sagte, unterstütze die Gemeinde den Vorstoß. Zuständig ist aber die Verkehrsbehörde beim Kreis – und die wiederum ist an die Straßenverkehrsordnung (StVO), eine Bundesverordnung, gebunden.

Doyen verweist auf das hohe Verkehrsaufkommen auf dem Pakenser Altendeich, insbesondere während der Urlaubssaison. Tempo 30 würde nach seiner Überzeugung die Verkehrssicherheit erhöhen sowie den Verkehrslärm und den Schadstoffausstoß der Autos verringern. An der Straße gebe es eine Reihe von Gefährdungspotenzialen: Zahlreiche Grundstückseinfahrten, Altenwohnungen und einen nur einseitig angelegten, viel zu schmalen Rad- und Fußweg. Die Funktion einer Durchgangsstraße habe der Pakenser Altendeich schon seit dem Bau der Ortsumgehung nicht mehr. 

Mehr Sicherheit für Radfahrer

Der Antrag dürfte wesentlich größere Erfolgsaussichten haben als vergleichbare Vorstöße in der Vergangenheit. Zum einen pochen inzwischen bundesweit Hunderte von Kommunen darauf, dass der Bundesgesetzgeber ihnen die Befugnis überträgt, innerörtliche Tempo-30-Zonen nach eigenem Ermessen anordnen zu können. Die StVO lässt das nur sehr eingeschränkt zu. Zum anderen hat der Landkreis Friesland sich mit einem Radwegkonzept auf die Fahnen geschrieben, das Radwegenetz im Landkreis auszubauen, Radwege zu verbreitern und die Sicherheit der Radler zu erhöhen. 

Würde die vorhandene verkehrsberuhigte Zone vom Hooksieler Ortskern bis zum Verkehrskreisel erweitert, würde der Pakenser Altendeich die Voraussetzungen für so genannte gemischte Verkehre, gegebenenfalls sogar für eine Fahrradstraße erfüllen. Radfahrer könnten die Hauptfahrbahn nutzen, Autofahrer müssten entsprechend Rücksicht nehmen. Der Charme einer solchen Lösung: Die aufwendige Verbreitung des vorhandenen Radweges wäre entbehrlich. 

Digitale Technik öffnet Campern den Weg zu ihren Stellplätzen in Hooksiel

Saisonarbeiter am Campingplatz Hooksiel
WTG-Mitarbeiter bereiten den Campingplatz Hooksiel für die Saison vor. Von links: Thomas Hinrichs, der stellvertretende Platzleiter Harald Badberg, Platzleiter Dieter Luikenga und Frank Postler. Foto: hol

Hooksiel (11. 3. 2023) – Himmlisch, diese Ruhe. Der Blick vom Deich aus gleitet über den Hooksieler Strand, über einige Spaziergänger und Boßler auf dem Deichverteidigungsweg hinüber zum Campingplatz. Direkt dahinter plätschert das Wasser in der Jade.

Campingplatz? Noch ist davon nicht viel zu sehen. Die rund 20 Hektar große Fläche, auf der außer der Rezeption nur einige Service- und Sanitärgebäude stehen, ist noch verlassen. Plattenwege gliedern das Areal. Sie ermöglichen den Campern, die Ende März den Platz in Beschlag nehmen werden, die Zufahrt zu ihren Stellplätzen.

Insgesamt sind es 1500 Parzellen, die die Wangerland Touristik GmbH (WTG) in Hooksiel bewirtschaftet. Damit gehört der Campingplatz zu den größten seiner Art in Deutschland – und er liegt, ebenso wie der zweite Großcampingplatz der WTG in Schillig, „außendeichs“, also direkt am Wasser. Beste Voraussetzungen für ein Naturerlebnis pur.

,,Die Campingplätze sind für uns eine wichtige Einnahmequelle“, sagt Larissa Strangmann, Marketingchefin der WTG. Aber vor der Einnahme steht die Arbeit. Jedes Jahr im März müssen die Campingplätze auf- und im Herbst wieder abgebaut werden. „Wir müssen alles abbauen, was im Winter bei einer Sturmflut weggerissen werde könnte und den Deich beschädigen würde“, sagt Campingplatz-Leiter Dieter Luikenga im Gespräch mit „Hooksiel-life“. „Der Deichband, der für die Sicherheit der Deiche zuständig ist, nimmt das sehr genau.“

Seit dem 1. März wird wieder aufgebaut. Die großen Holzbohlen, die die Gebäude geschützt haben, werden entfernt, Bäume geschnitten, Mülleimer montiert, Heizungen und Wasserleitungen kontrolliert, Räume gestrichen, die Stromanschlüsse samt Ver- und Entsorgung an den Stellplätzen aktiviert. Natürlich kommt auch die Seehundskulptur vor dem Eingang der Rezeption wieder auf ihren Platz.

Für viele Saisongäste ist der Campingplatz Hooksiel das zweite Zuhause

Hier und dort werden Betonplatten aufgenommen. Die Betonplatten sind das Markenzeichen der Saisoncamper, die ihre 850 Wohnwagen von April bis Oktober auf dem Platz stehen lassen und sich hier häuslich einrichten – samt Windschutz, Bodenplatte fürs Vorzelt und einer Terrasse aus Betonplatten. Wenn ein Saisoncamper seinen Platz aufgibt, muss er die Platten entfernen oder, auf Wunsch, von WTG-Mitarbeitern entfernen lassen. Der Platz selbst ist schnell wieder belegt. „Zu diese Saison haben 40 Saisoncamper ihre Plätze aufgegeben“, sagt Luikenga. „Aber wir konnten sie mühelos von der Warteliste neu vergeben.

Ein Saisoncampingplatz ist mit 750 Euro ist im Vergleich zu den Preisen für Tagesstellplätzen (27 Euro) vergleichsweise günstig. Vor allem für Camper aus der Region, die dann im Sommer etliche Wochen in Hooksiel verbringen. „Viele unserer Stammgäste kommen aus Wilhelmshaven oder auch aus Oldenburg oder dem Emsland“, schildert der stellvertretende Platzleiter Harald Badberg, der schon seit 17 Jahren in Hooksiel arbeitet. „Wenn die Saison beginnt, ist das wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Das ist schon sehr familiär hier.“

Malerarbeiten am Strand
Für frische Farbe im Strandhaus 1 sorgen Heike Badberg (hinten) und Meike Leerhoff. Foto: hol

Zu den alten Bekannten gehören auch viele Anhänger der Freikörperkultur. 400 Stellplätze auf dem Platz, durch Grünanlagen etwas abgetrennt, sind FKK-Campern vorbehalten. Das Mit- und Nebeneinander sei völlig problemlos, schildert Badberg, auch wenn hin und wieder einmal ein Textilcamper einen Blick in den Nudistenbereich werfe. Auf Spanner-Vorwürfe, die sich vor Jahren gegen einen Mitarbeiter richteten, habe man längst reagiert, so Luikenga: „Für das Sanitärgebäude im FKK-Bereich setzen wir nur noch weibliche Reinigungskräfte ein – und Handys sind strikt verboten.“

Stellplatz-Buchungen laufen ausnahmslos online

Ein Großteil der praktischen Arbeiten beim Campingplatz-Aufbau in Hooksiel erledigen fünf Saisonkräfte, die die WTG jeweils von März bis November beschäftigt. Hinzu kommen ab April vier Reinigungskräfte. Insgesamt werden die Camper in der Saison von 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut, schildert Luikenga. Der Aufwand für dem Empfang der Gäste und das Abkassieren der Platzgebühren ist dank moderner Technik überschaubar. „Die Buchung und die Bezahlung der Stellplätze läuft ausnahmslos online“, schildert Larissa Strangmann. „Gäste suchen sich im Internet einen freien Patz für ihren Wohnwagen oder einen Stellplatz fürs Wohnmobil und buchen ihn mit der Bezahlung.“

Duschen am Campingplatz
Die Saison kann bald beginnen: Jens Onken (links) und Maik Haag sorgen dafür, dass die Camper sich nach einer Wattwanderung vernünftig die Füße abspülen können. Foto: hol

Das klappe reibungslos, bestätigt Luikenga. Und wenn tatsächlich mal ein Gast mal Schwierigkeiten mit dem Internet hat, werde ihm natürlich analog geholfen. Aber der Megatrend Digitalisierung verändert auch den Camperalltag – nicht nur durch den kostenlosen WLan-Empfang auf dem Platz und am Strand. Die Schranke am Platzeingang „erkennt“ die KFZ-Zeichen und öffnet sich für Mieter automatisch, egal wann sie zum Platz kommen.

Wichtig ist das vor allem für Wohnmobilisten. Für sie gibt es neben dem „klassischen“ Camping-Bereich ein Areal mit weiteren 61 Stellplätzen. Auch hier laufen die Vorarbeiten für die Saison – ebenso am Zeltplatz, dem Bolzareal und in den verschiedenen Strandbereichen – dem Hundestrand, dem FKK-Bereich, dem Textilstrand. Schilder werden aufgestellt, Wege kontrolliert, Sandfänge ausgebessert.

Vor Saisonbeginn muss noch frischer Sand an den Strand

„Glücklicherweise hatten wir diesen Winter nicht einen richtigen Sturm“, sagt Luikenga. Im Vorjahr noch waren Unmengen von Teek aus dem Meer angespült worden, der dann beseitigt werden musste. Dennoch sind am Hauptstrand, nahe des Strandhauses 1, deutlich Sandabbrüche zu erkennen. Die Jade holt sich im Winter den Sand, auf dem sich die Urlauber im Sommer sonnen wollen. Also muss neuer Sand her. Das Fuhrunternehmen ist schon beauftragt. Der Termin steht aber noch nicht fest. Klar ist jedoch: Eine ganze Nacht lang werden Lastwagen frischen Sand an den Hooksieler Strand fahren, um das Badevergnügen 2023 zu sichern.

Sandabbruch am Strand
Deutlich erkennbar: Am Hauptstrand am Strandhaus 1 fehlen nach dem Winter erhebliche Mengen Sand. Der wird demnächst in einer groß angelegten Aktion wieder angefüllt. Foto: hol

Larissa Strangmann bittet um Verständnis: „Wir lassen den Sand möglichst spät kommen, damit wir nicht doch noch vor der Saison von einer Sturmflut erwischt werden.“ Ähnlich sei das mit dem Wasser, das erst am 15. März angestellt wird. „Viele Spaziergänger vermissen im Winter die Toiletten am Strand. Aber uns würden die Leitungen einfrieren.“ Und mit dem Wasser kommen dann auch die Strandkörbe, die ein stückweit den Charme eines Nordseestrandes ausmachen.

Campen an der Nordsee in Hooksiel ist schön. Auch in diesem Jahr, wo der Deich entlang der Bäderstraße erhöht wird und wo im Sichtfeld der Urlauber ein LNG-Frachter liegt, der aus ökologischer Sicht nicht den besten Ruf genießt? Schreckt das die Urlauber nicht ab? 

„Die Erhöhung des Deiches ist ein spannendes Thema. Schließlich hat das auch etwas mit dem Klimawandel zu tun“, sagt Larissa Strangmann. „Und der Import von Flüssigerdgas in Wilhelmshaven bewahrt uns vor einer Energiekrise.“ Die Marketing-Frau der WTG weiß, dass es auch darauf ankommt, wie man welche Geschichte erzählt, wenn man das Produkt Camping verkaufen will. Und es klappt: Über Ostern und Pfingsten ist der Platz bereits ausgebucht. 

Die Saisoncamper, die am 30. März, einem Donnerstag, schon in der Nacht vor dem Campingplatzes Schlange stehen werden, braucht sie ohnehin nicht zu überzeugen. Die Schranke öffnet um 7 Uhr. Der Aufbau beginnt. Mit der Ruhe ist es dann vorbei am Campingplatz Hooksiel. Aber Ruhe ist halt nicht alles – auch nicht bei einem Urlaub an der Nordsee. 

Großteil des Personals liegt flach: Kindergarten-Gruppe geschlossen

Hooksiel (10. 3. 2023) – Die Corona-Pandemie ist offiziell abgesagt. Aber es gibt jede Menge von Infektionen, an denen Menschen erkranken können. Betroffen ist aktuell der Kindergarten Hooksiel. Wieder einmal. Nachdem die Einrichtung bereits Ende im vergangenen Jahres für einige Wochen ihr Betreuungsangebot einschränken und tageweise auch ganz geschlossen werden musste, ist jetzt erneut eine von fünf Gruppen geschlossen.

Zum Leidwesen der Kinder, zum Leidwesen der zum Teil berufstätigen Eltern, zum Leidwesen aber auch der Gemeindeverwaltung. „Wir versuchen natürlich mit aller Macht, solche Situationen zu verhindert“, beteuert Markus Gellert, für die sozialen Einrichtungen der Gemeinde zuständiger Abteilungsleiter, gegenüber „Hooksiel-life“. „Aber wenn neun bis zehn von 17 Erzieherinnen und Betreuerinnen allein in Hooksiel krank sind, dann haben wir keine andere Wahl.“

Markus Gellert hat für Montag noch Hoffnung

Bereits seit Dienstag ist die Seestern-Gruppe im Kindergarten Hooksiel geschlossen. Mit den Elternvertretern habe man sich darauf verständigt, dass die Betroffnen stets möglichst früh über notwendige Schließungen oder Teilschließungen unterrichtet werden, sagt Gellert. Daran habe man sich auch aktuell gehalten – und dabei auch die Befürchtung ausgesprochen, dass auch am kommenden Montag die Gruppe noch geschlossen sein könnte. „Stand heute habe ich aber wieder etwas Hoffnung, dass wir Montag wieder öffnen können“, macht Gellert Mut.

Gellert bittet die von Schließungen betroffenen Eltern um Verständnis. Aufgrund des hohen Krankenstandes in allen Kindertagesstätten der Gemeinde sei es aktuell nicht möglich, zusätzliche Krankheits-Vertretungen nach Hooksiel zu entsenden. Im Gegenteil: Nach einer erst in der Nacht zum Freitag akut gewordenen Erkrankung einer Mitarbeiterin habe auch der Kindergarten in Waddewarden am Freitag schließen müssen.

Nach Ende der Maskenpflicht greifen Infektionen um sich

Selbstverständlich gebe es reguläre Vertretungskräfte. Darüber hinaus greife man auch noch auf so genannte „Quick-Kräfte“ zurück, die entsprechend qualifiziert sind, aber bei dringendem Personalbedarf einspringen. Manchmal mehr oder weniger aus dem Stand. Aktuell aber, so Gellert, reiche all das nicht aus. „Die Leute haben während der Corona-Zeit alle Masken getragen. Offenbar sind sie jetzt dafür besonders krankheitsanfällig“, befürchtet Gellert. „Grippe, Scharlach, Magen-Darm-Infekte, auch Corona – wir haben alles dabei.“

„Warum werden die Kinder der Seestern-Gruppe bei solchen Personalengpässen nicht einfach auf die anderen vier Gruppen verteilt?“ fragt eine betroffene, alleinerziehende Mutter. Derart pragmatische Lösungen sieht das niedersächsische Kindertagesstätten-Gesetz nicht vor. Im Gesetz werden Personal- und Betreuungsschlüssel festgelegt, die eine qualitativ hochwertige Erziehung der Kinder gewährleisten. Grippewellen oder der Fachkräftemangel, der einer Aufstockung des Personals Grenzen setzt, sind im Gesetz nicht vorgesehen. 

Für Rettungsaktionen im Watt ist in der Regel das Land zuständig

Wangerland/Hannover (9. 3. 2023) – Alarm im Watt. Menschen in Not. Immer wieder werden Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Wangerland an die Strände von Hooksiel oder Schillig gerufen. Häufig befreien sie im Verbund mit anderen Rettungsorganisationen Menschen aus dem Schlick und sorgen dafür, dass diese wieder sicher an Land kommen.

Watt vor hooksil
Immer wieder retten Feuerwehrleute der Gemeinde in Not geratene Menschen aus dem Watt. Formal zuständig ist allerdings das Land Niedersachsen. Foto: Bildwerfer Fotografie

Dabei sind längst nicht in jedem Fall die gemeindlichen Feuerwehren für den Rettungseinsatz zuständig. Das geht der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Wangerländer Landtagsabgeordneten Katharina Jensen (CDU) hervor.

„Oft ist unklar, wo die Zuständigkeiten für die Freiwilligen Feuerwehrleute enden, wie es mit dem Versicherungsschutz aussieht und wer Kostenträger für Ausrüstung und Einsätze ist“, sagt Jensen. 

Die Antwort der Landesregierung schafft jetzt ein wenige Klarheit. Laut Innenministerium grenzt das Gemeindegebiet vom Festland aus an die Mittlere Tide-Hochwasserlinie. Bei dem Wattbereich seewärts dieser Linie handele es sich dagegen regelmäßig um so genanntes „ursprüngliches gemeindefreies Gebiet“, da dieser Bereich in der Regel nie durch Hoheitsakt samt Grenzbestimmung einer Gemeinde zugewiesen wurde. 

„Das bedeutet für die Gemeinde- und Kreisfeuerwehren in Friesland, dass sie im Bereich der Nordsee seewärts im Wattbereich für das Gebiet zwischen der mittleren Tide-Hochwasserlinie und der 12-Meilen-Zone nicht zuständig sind, es sei denn, dass das Gebiet wurde einer bestimmten Gemeinde zugewiesen“, sagt Jensen. Für den seewärtigen Bereich sei nach dem Niedersächsischen Brandschutzgesetz daher das Land für den abwehrenden Brandschutz und Hilfeleistungen zuständig. Die Feuerwehren vor Ort werden sicher auch künftig ausrücken, wenn es darum geht, Menschen zu retten. Aber, so Jensen: „Das betrifft ganz praktisch Kosten- und Versicherungsfragen bei Einsätzen in diesem Gebiet.“ 

Auch bessere Wasserqualität verändert Lebensbedingungen im Watt

Hooksiel/Wilhelmshaven (9. 3. 2023) – Ein Team von Forschenden, unter ihnen die Senckenberg-Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Ingrid Kröncke und Dr. Anja Singer aus Wilhelmshaven, hat eine signifikante Abnahme in der Häufigkeit, der Biomasse und der räumlichen Verbreitung von charakteristischen Wattenmeer-Arten im ost-friesischen Wattenmeer festgestellt. Betroffen sind unter anderem Schnecken, Muscheln, Krebsen und Würmer. 

Das Team verglich einen umfangreichen Datensatz aus dem Jahr 2018 von etwa 500 Messstationen mit einem historischen Datensatz aus den 1980er Jahren. Den Artenwandel im Wattenmeer führen die Wissenschaftler in ihrer im Fachjournal „Frontiers in Marine Science“ erschienenen Studie auf eine verringerte Nährstoffbelastung und Auswirkungen des Meeresspiegel-Anstiegs auf die Lebensgemeinschaften im Wattboden zurück.

„Die in den 1980er Jahren noch dominante Gemeine Wattschnecke, der Bäumchenröhrenwurm oder die Sandklaffmuschel haben in ihrer Häufigkeit um mehr als 80 Prozent abgenommen“, erklärt Erstautorin Dr. Anja Singer von Senckenberg am Meer und der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. In der breit angelegten Langzeitstudie wurde die Artenzusammensetzung und deren Veränderung im Watt untersucht – und dabei eindeutlicher Wandel in der Häufigkeit, der Biomasse und der räumlichen Verbreitung zahlreicher Charakterarten festgestellt.

Biomasse hat sich deutlich verringert


Die Zahl der insgesamt gefundenen Arten sei seit den 1980er Jahren im Untersuchungsgebiet zwar fast konstant geblieben – die zahlenmäßige und räumliche Verbreitung sowie der Anteil der Biomasse zahlreicher Arten habe sich aber deutlich geändert. In den 1980er Jahren wurden 90 Arten, 2018 noch 81 Arten identifiziert. „Viel signifikanter ist die Abnahme der Gesamt-Individuenzahl der Arten pro Quadratmeter: Hier gab es einen gemittelten Rückgang um circa 31 Prozent. Die Gesamtbiomasse verringerte sich sogar um circa 45 Prozent im Vergleich zu den 1980er Jahren“, erläutert Prof. Ingrid Kröncke von Senckenberg am Meer und der Universität Oldenburg“, so die Forscher. Die Biomasse der in den 1980er Jahren vorherrschenden Arten (Gemeine Wattschnecke, Bäumchenröhrenwurm, Schlickkrebs) seien hingegen um über 80 Prozent zurückgegangen.

Insbesondere die Zahl der Wattschnecke sowie verschiedener Muschelarten, die sich von an der Sedimentoberfläche wachsenden kleinen Algen ernähren, sei sehr stakt zurückgegangen. Das zeige sich dann auch in der Gesamtbiomasse und Häufigkeit dieser Arten. 

Grund für die Abnahme ist Überzeugung des Forscher-Teams ein vermindertes Nahrungsangebot. „Seit den 1980er Jahren gelten strengere Anforderungen für die Landwirtschaft und für kommunale Kläranlagen, wodurch weniger Nährstoffe in die Flüsse, wie die Elbe, die Weser oder den Rhein gelangen – und damit auch in unser Untersuchungsgebiet.“ 

Weniger Algenblüten auch geringere Nährstoffbelastung

Die verringerte Nährstoffbelastung habe zu einem deutlichen Rückgang von Algenblüten geführt – der Nahrungsquelle der genannten Tiere, erklärt Ingrid Kröncke: „Was für die Wattschnecke vielleicht von Nachteil ist, ist für andere Organismen aber ein deutlicher Gewinn: Die bessere Wasserqualität wirkt sich beispielsweise positiv auf Seegraswiesen und Austernriffe aus. Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen, dass sich Seegrasbestände im deutschen Wattenmeer bis 2018 erholt haben und zeigen eine Ausdehnung der gemischten Muschel- und Austernbänke!“

Auch die Biomasse des Wattwurms stieg um etwa 75 Prozent an. „Wir erklären diese Zunahme mit einer durch den Meeresspiegelanstieg bedingten höheren Sandanreicherung auf den Watten, besonders im westlichen Bereich des ostfriesischen Wattenmeeres. Darüber hinaus führen durch den Meeresspiegelanstieg bedingte höhere Strömungsgeschwindigkeiten zugleich zu einer Abnahme des Schlickgehalts in den Sedimenten“, so Anja Singer: „Eine Synergie dieser beiden Prozesse, Sandanreicherung und Abnahme des Schlickgehalts, bietet bessere Lebensbedingungen für den Wattwurm und andere Arten.“

Räuberische Felsenkrabbe erobert das Wattenmeer

Die Gesamtzahl der invasiven Arten erhöhte sich laut der neuen Studie von zwei auf sechs Arten. Ein Grund: Der klimabedingte Anstieg der Meeresoberflächen-Temperaturen um circa zwei Grad Celsius seit den 1980er Jahren. Zu den „Gewinnern“ zählt die Amerikanische Schwertmuschel, die man nun etwa 80 Prozent häufiger vorfinde. 2018 neu erfasste invasiven Arten sind die Amerikanische Pantoffelschnecke, die Pazifische Auster, die Zwergbrandungsmusche und die räuberisch lebende Felsenkrabbe – sie gelten als tolerant gegenüber höheren Temperaturen.

„Unsere Ergebnisse zeigen deutliche Veränderungen in den Lebensgemeinschaften im Wattsediment, die erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Nahrungsnetz im Wattenmeer haben werden: Die im Wattboden lebenden Arten stellen eine wichtige Nahrungsquelle für junge Plattfische und brütende und rastende Vogelarten dar“, fast fasst Anja Singer zusammen. „Durch den fortschreitenden Anstieg des Meeresspiegels und der Temperatur wird das Ökosystem des Wattenmeeres mit gravierenden ökologischen und biologischen Veränderungen in der Zukunft konfrontiert sein.“