Radwege zu schmal, schlecht ausgeschildert und gefährlich

Hooksiel/Friesland (12. 2. 2023) – Eine Vielzahl von Fahrradwegen im Landkreis Friesland müssen ausgebaut, neu beschildert oder verkehrssicher gemacht werden. Entsprechenden Handlungsbedarf haben vom Kreis bestellte Gutachter auch in Hooksiel und Umgebung festgestellt. Ob und wann die Schwachstellen im Radwegenetz angepackt werden, steht allerdings in den Sternen.

Radweg-Schilder in Hooksiel
Radknotenpunkt Hooksiel: Leider sind nicht alle ausgeschilderten Wege in einem baulichen Zustand, dass man sie gern befahren würde. Foto: hol

Philipp Herzog und Robin Frömmer vom Stadt- und Verkehrs-Planungsbüro Kaulen (Aachen) haben in diesen Tagen den Entwurf des „Integrierten Radverkehrskonzeptes“ für den Landkreis Friesland vorgestellt, in dem fast zwei Jahre Vorarbeit steckt. Mit Blick darauf, dass der Radverkehr mit schnellen E-Bikes und Lastenrädern ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende (weg vom Auto) sein kann, haben sich die Fachleute 459 Kilometer Radwege im Kreis angesehen, von denen 136 Kilometer entlang von Kreisstraßen verlaufen. Kleinere Radverbindungen in den einzelnen Orten blieben dabei außen vor. Der Anspruch des Konzepts: Den Bestand an Radwegen erfassen, deren Qualität bewerten und Vorschläge für ein alltagstaugliches Radweg-Basisnetz und so genannte Rad-Vorrangrouten (Fahrradstraßen) erarbeiten. 

Mit betrachtet wurden Verkehrsknotenpunkte, an denen Fußgänger, Radfahrer, Bus und gegebenenfalls Bahn, Car-Sharring- sowie Taxis-Stationen aufeinander treffen. Wichtig auch – gerade angesichts der steigenden Zahl von hochwertigen Fahrrädern – die Rad-Abstellanlagen. Frömmer: „Es gibt da schon positive Beispiele, aber auch noch viele Felgenkiller.“ Unter Felgenkillern versteht man Fahrradständer, in die lediglich die Vorderräder eingestellt und angeschlossen werden können. Fällt das Rad, nimmt die Felge Schaden. 

Aus ihren Erkenntnissen haben die Gutachter Maßnahmenlisten für alle friesischen Kommunen erarbeitet. Die einzelnen Verbesserungsvorschläge werden nach Priorität sortiert und mit Kostenschätzungen hinterlegt. Höchste Dringlichkeit hat die Beseitigung von Gefahrenstellen, kurzfristig angegangen werden sollten zum Beispiel Mängeln an Schulwegen oder an Querungsstellen. Häufig geht es nur um eine Beschilderung, oft aber auch um bauliche Maßnahmen. 

Als großen Schwachpunkt im Raum Hooksiel haben die Gutachter die Radweglücke entlang der Landesstraße 812 von Waddewarden nach Schmidtshörn zur L 810 ausgemacht. Wann die Lücke geschlossen wird, liegt aber nicht in der Hand des Landkreises. Der Radweg müsste vom Land Niedersachsen gebaut werden.

Schlecht beschildert, nicht benutzerfreundlich und im Bereich des Übergangs über die Bäderstraße sogar gefährlich ist nach Ansicht der Fachleute der Radweg von der Viethstraße kommend entlang der zweien Deichlinie bis zum Campingplatz Hooksiel und weiter in Richtung Horumersiel. Die Querung müsste auf jeden Fall besser ausgeschildert werden. Für Radler mit Kinder-Anhänger oder Lastenrädern derzeit kaum zu passieren sind die Schaf-Schutzgatter am Deich. 

Handlungsbedarf gibt es auch im Bereich der Ortsdurchfahrt vom Kreisel kommend in Richtung Wilhelmshaven. Der Radweg am Pakenser Altendeich (ebenso wie der entlang der Bäderstraße) ist viel zu schmal, die Oberfläche zum Teil marode und die Beschilderung im weiteren Verlauf mangelhaft. Ein brauchbarer Radweg sollte mindestens 2,5 Meter breit sein, Radvorrangrouten 3,5 Meter.

Mischverkehr auf den Straßen empfehlen die Gutachter nur, wenn die Radfahrer Vorrang haben oder der Autoverkehr maximal Tempo 30 fahren darf. Insofern, so Frömmer, sei der Radweg durch den Ort über Friesenstraße, am ZOB vorbei in die Nee Straat bis zum Alten Hafen zwar okay, aber längst nicht optimal. Die Gutachter empfehlen hier, auf der Radvorrangroute, eine „Fahrradstraße“ auszuweisen, auf der Radler Vorrang und auch Vorfahrt hätten.

Die Beratung des „Radverkehrskonzeptes“ in den politischen Gremien des Landkreises läuft in den nächsten Tagen an. Dabei geht um viel Geld. Auf bis zu 90 Millionen Euro haben die Gutachter die reinen Baukosten für die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen veranschlagt – ohne Planungs- und Grunderwerbskosten. Dennoch, so versicherte Landrad Sven Ambrosy bei der Präsentation des Konzeptes, werde die Kreisverwaltung die Umsetzung sehr ernst nehmen, zumal die Kosten sich über eine Reihe von Jahren verteilen, hohe Förderzuschüsse möglich und einige Projekte auch schon auf den Weg gebracht sind. Für dieses Jahr etwa plant der Landkreis unter anderem den Baubeginn für den Radweg von Waddewarden nach Sillenstede. 

„Tempo 30“ in ganzen Orten nach aktueller Rechtslage kaum möglich

Hooksiel (7. 2. 2023) – Die Idee ist so einfach wie einleuchtend: Die Gemeinde Wangerland weist alle Ortslagen als Tempo-30-Zonen aus und hätte mit diesem Tempolimit sowohl etwas für den Klimaschutz als auch für die Sicherheit getan. Schnell, sinnvoll, unbürokratisch? So tickt Deutschland noch lange nicht. Trotz der viel besungenen neuen „Deutschland-Geschwindigkeit“ bei Infrastruktur-Projekten.

Tempo 30 Hooksiel
Aktuell gibt es bereits eine „Tempo-30-Zone“ im Kern von Hooksiel. Die Geschwindigkeit-Beschränkung auf den gesamten Ort auszudehnen, ist rechtlich derzeit kaum möglich. Foto hol

Für verkehrsregelnde Maßnahme ist stets die Verkehrsbehörde zuständig. „Also für das Gebiet der Gemeinde Wangerland der Landkreis Friesland“, heißt es aus dem Kreishaus in Jever auf Anfrage von „Hooksiel-life“. Das gilt für das Ausweisen von Geschwindigkeits-Beschränkungen für bestimmte Strecken ebenso wie für „Tempo-30-Zonen.

Rechtsgrundlage ist jeweils die Straßenverkehr-Ordnung (StVO), eine Bundesrechtsverordnung, die nur durch den Bund im Einvernehmen mit den Ländern in Form des Bundesrates geändert werden kann. Nach der StVO, so erläutert die Verkehrsbehörde beim Landkreis, ist eine Geschwindigkeits-Beschränkung immer dann möglich, wenn eine so genannte„qualifizierte Gefahrenlage“ vorliegt.

Ob und wo die vorliegt, stellte die Verkehrsbehörde unter Beteiligung der Polizei und des Straßenbaulastträgers (Bund, Land oder Kommune) fest. Dabei seien dann die konkreten örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen wie etwa die Unfallhäufigkeit, Verkehrserhebungen oder andere Beobachtungen, die für eine Absenkung der zulässigen Geschwindigkeit sprechen könnten. Ausnahme von dieser Regel gebe es innerorts etwa vor Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Hier müsse die „qualifizierte Gefahrenlage“ nicht extra geprüft werden. 

Etwas komplizierter ist es noch, Tempo-30-Zonen auszuweisen. Die Voraussetzungen für „Tempo-30-Zonen“ sind in der StVO und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften geregelt. Sie sind grundsätzlich nur innerorts zulässig. Auf Vorfahrtsstraßen ebenso wie auf Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen sind „Tempo-30-Zonen“ niemals zulässig.

Die StVO (Paragraph 45) weist einen langen Katalog von Gründen aus, die die Verkehrsbehörden im Einvernehmen mit den Kommunen ermächtigen, „Tempo-30-Zonen“ etwa in Wohngebieten jenseits der Hauptverkehrsstraßen einzurichten. Der Klimaschutz gehört nicht dazu.

Sehr wohl aber der Schutz der „Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“. Insbesondere in Kurorten und „Erholungsorten von besonderer Bedeutung“. Also zum Beispiel in Hooksiel, Horumersiel und Schillig? Klar ist aber, dass innerhalb einer Tempo-30-Zone generell die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt und es dort keine Ampeln geben darf – mit Ausnahme von Fußgängerampeln. 

Die Verkehrsbehörde des Landkreises Friesland unterstreicht die Bedeutung der so genannten „flächenhafte Verkehrsplanung“ der Gemeinde bzw. Stadt für die Ausweisung von „Tempo-30-Zonen“. Mit dieser Planung werde das Vorfahrtstraßennetz definiert. Hierbei ist die Polizei zu beteiligen. Die Verkehrsbehörde übernehme letztlich die formelle Prüfung, ob alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.

Was bedeutet das für den Vorschlag: Generell Tempo 30 in allen Ortslagen im Wangerland? Nach aktueller Rechtslage wäre das nicht zulässig. Andererseits könnten wohl deutlich mehr und großflächigere Tempo-30-Zonen im Gemeindegebiet ausgewiesen werden, wenn die Gemeinde im Verbund mit Verkehrsbehörde und Polizei den Mut dazu hätte, die Vorfahrtsregelungen entsprechend zu ändern.