Wangerland/Harlesiel (30. 4. 2024) – Die Folgen der Klimakrise stellen den Küstenschutz vor große Herausforderungen. Beispiele dafür nannten Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) im Rahmen eines Ortstermins in Harlesiel (Landkreis Wittmund).
An der niedersächsischen Küste leben rund 1,1 Millionen Menschen. Die Sturmfluten im Winter hätten gezeigt, dass noch mehr für den Schutz der Küste getan werden müsse, so Meyer. „Der beschleunigte Meeresspiegelanstieg wird den Handlungsdruck zukünftig noch erhöhen. Der tiefliegende Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum in Niedersachsens Norden kann nur durch einen wirksamen Küstenschutz dauerhaft gesichert werden.“
Das Land intensiviere mit dem Bund in 2024 die Rekordsumme von über 80 Millionen Euro in den Küstenschutz auf dem Festland und den Inseln. Man orientiere sich am Vorsorgeprinzip. „Das Vorsorgemaß ging bisher von 50 Zentimetern Meeresspiegelanstieg in 100 Jahren aus“, so der Minister. „ Jetzt erhöhen wir viele Deiche vorsorglich schon um das Klimamaß von 100 Zentimetern, was zu erheblich höheren Kosten im Küstenschutz führt.“
Viele Bauprojekte
Für die Folgejahre seien daher bereits über 43 Millionen Euro für die Umsetzung der oft mit großem Aufwand verbundenen Schutzprojekte vorgesehen. Der Küstenschutz wird aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes finanziert (70% Bundes- und 30% Landesanteil). Die Verwendung der Küstenschutzmittel erfolgt auf Grundlage der Generalplanung Küstenschutz, der Bedarfsanmeldungen und unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der einzelnen Vorhaben.
Für Bauprojekte im Bereich der 22 Hauptdeichverbände sind in diesem Jahr rund 51,5 Millionen Euro eingeplant. Insgesamt werden in den Verbandsgebieten zwischen Dollart und Elbe Mittel für die Umsetzung oder Planung von über hundert Einzelprojekten zur Verfügung gestellt, darunter die laufende Verstärkung der Seedeiche in Hooksiel und am Voslapper Groden. Die für landeseigene Vorarbeiten sowie Vorhaben auf dem Festland vorgesehenen Mittel belaufen sich auf knapp 12,9 Millionen Euro. Weitere 15,7 Millionen Euro investieren Land und Bund in den Schutz der Ostfriesischen Inseln.
Große Sandverluste
„Der erhöhte Mittelbedarf auf den Inseln ist eine unmittelbare Folge der jetzt abgeschlossenen, im Vergleich zum Winter 22/23 turbulenten Sturmflutsaison“, sagte Prof. Frank Thorenz, Leiter der für den Schutz der Ostfriesischen Inseln zuständigen NLWKN-Betriebsstelle Norden. „Die jüngste Sturmflutsaison hat auf mehreren Inseln zu Sandverlusten und Dünenabbrüchen geführt, die wir durch gezielte naturbasierte Maßnahmen in den kommenden Monaten ausgleichen werden, um den Schutz der Inseln sicherzustellen“.
Auch auf Wangerooge kam es durch die Stürme zu Sandverlusten: An der Harlehörndüne sind im mittleren und südlichen Teil der Düne Erosionen am seeseitig gelegenen Verschleißkörper aufgetreten. Dieser war zuletzt 2017 neu errichtet worden. Er soll auf einer Länge von einem Kilometer mit knapp 90.000 Kubikmeter Sand verstärkt werden. An den Nordostdünen, die den unmittelbaren Sturmflutschutz für den östlichen Teil des Inseldorfes bilden, waren an dem zuletzt 2022 wiederhergestellten Verschleißkörper ebenfalls erhebliche Verluste aufgetreten. „Um die Substanz und Funktion der Schutzdüne zu sichern, ist ein Wiederaufbau des Verschleißkörpers auf einer Länge von fast 800 Metern erforderlich“, so Thorenz. „Hierfür werden knapp 52.000 Kubikmeter Sand benötigt.“
Fachkräftemangel
Eine weitere Herausforderung für den Küstenschutz sei der Fachkräftemangel. Die Umsetzung der Projekte im Küstenschutzprogramm erfordert nicht nur entsprechende finanzielle Mittel, sondern auch enorme personelle Ressourcen zur Planung und Vorbereitung. „Der Fachkräftemangel im Ingenieurbereich sei spürbar. „Engagierte Menschen für diese wichtigen, die Zukunft des Lebens hier an der Küste sichernden, sinnstiftenden Aufgaben zu gewinnen wird zunehmend wichtig“, so die Küstenschützer. Der NLWKN biete zum Beispiel mit Stipendien für die Studiengänge Bau- und Umweltingenieurwesen entsprechende Anreize.