Wangerland (12. 7. 2023) – Die Gemeinde Wangerland hat einen unabhängigen Sachverständigen damit beauftragt, sich die Gründe für die Kostenexplosion beim Neubau des „Thalasso Meeres Spa“ anzusehen. Wie die Spitzen der Gemeinde und der gemeindeeigenen Wangerland Touristik GmbH (WTG) heute in einer Pressekonferenz bestätigten, werden sich die Rechnungen für den Gesundheitstempel in Horumersiel auf voraussichtlich 23 Millionen Euro summieren.
Wie WTG-Prokurist Ralf Ewen sagte, werde eine Endabrechnung aber nicht vor September vorliegen. Das Gutachten des Sachverständigen werde erst deutlich später erwartet. Der Ersatzbau für das einstige Kurmittelhaus in Horumersiel war beim Baustart 2019 noch mit 8,8 Millionen Euro veranschlagt worden. „Dann kamen die Corona-, Ukraine- und die Energiepreiskrise“, erinnerte WTG-Geschäftsführer Armin Kanning. Die Preise für Baustoffe explodierten, der Zeitplan für die Fertigstellung lief komplett aus dem Ruder. Vor drei Wochen, am 21. Juni, wurde das „Thalasso Meeres Spa“ offiziell eröffnet – obwohl auch heute noch Restarbeiten zu erledigen sind.
Verletzter Frau geht es gut
„Wir gehen davon aus, dass in zwei Wochen die letzten Arbeiten abgeschlossen sein werden“, sagte Kanning. Den Termin für die Eröffnung habe er gesetzt, damit ein gewisser Zeitdruck für die Handwerker entsteht, betont der WTG-Geschäftsführer. „Hätten wir einen Termin im September genommen, hätte es am Tag der Eröffnung vermutlich auch nicht anders ausgesehen.“ Wie die WTG beteuert, geht es einer Frau, der am Eröffnungstag eine nur provisorisch fixierte Türzage auf den Kopf gefallen war, wieder gut.
Unabhängig von den Einschränkungen hat das „Thalasso Meeres Spa“ inzwischen seinen Betrieb aufgenommen. Die Rezeption ist täglich für Terminbuchungen geöffnet. Die Anwendungen, so Kanning, würden jeweils freitags, samstags und sonntags vorgenommen. Ein Hoffnungsschimmer für Gemeinde und WTG: „Die Rückmeldung der Nutzer sind sehr gut“, sagte Bürgermeister Mario Szlezak. „Das stimmt uns zuversichtlich. Wir sollten nicht zu schwarz sehen.“
Politik will für Transparenz sorgen
Auf den mittel- bis langfristigen Erfolg des Thalasso-Zentrums setzen auch die Fraktionsvorsitzenden im Rat der Gemeinde Wangerland, der zugleich Gesellschafter der WTG ist. „Die Entwicklung hat uns überrollt“, räumt Alice Brandenburg-Bienek (CDU) ein. Nach der ersten Kostensteigerung von 8,8 auf geschätzt 17 Millionen Euro habe man sämtliche Alternativen geprüft. Das Projekt sei aber schon so weit fortgeschritten gewesen, dass es kein Zurück mehr gegeben habe.
Einig sind sich Brandenburg-Bienek, Reiner Tammen (Grüne), Holger Ulfers (SPD) und Dieter Schäfermeier (Unabhängige) aber, dass man das Projekt niemals angefasst hätte, wenn die Kosten in Höhe von 23 Millionen Euro von vornherein bekannt gewesen wären. Als erste Konsequenz habe man Anfang dieses Jahres mit Schäfermeier ein Ratsmitglied eingesetzt, das genauen Einblick in die Rechnungsunterlagen erhalten sollte. Man sei aber weiterhin überzeugt, so die Politiker, dass das „Thalasso Meeres Spa“ das Wangerland und das touristische Angebot in der Gemeinde stärken könne. Ulfers: „Das Projekt hat uns aber mit den Themen, die wir in der Gemeinde umsetzen wollen, um Jahre zurückgeworfen.“
Die Bestellung eines unabhängigen Gutachters sei kein Zeichen des Misstrauens von Seiten des Rates in Richtung WTG, betonte Alice Brandenburg-Bienek. Man sei aber den Bürgern gegenüber zur Transparenz verpflichtet. „Wir suchen keinen Schuldigen“, so Tammen. „Wir suchen nach Lösungen.“
Millionen-Kredit von der Gemeinde
In weiteren Fördermitteln von außen wird die Lösung der Finanzierungsprobleme nicht liegen. „Wir haben schon den höchst möglichen Fördersatz bekommen“, sagte Kanning. An den ursprünglichen Kosten von 8,8 Millionen Euro hatten sich das Land Niedersachsen mit 3 Millionen und der Landkreis Friesland mit 0,5 Millionen Euro beteiligt. Die Steigerung auf zwischenzeitlich 17 Millionen Euro wäre dank eines weiteren Zuschusses aus einem Corona-Fördertopf in Höhe von 5,7 Millionen Euro noch verkraftbar gewesen.
Zur Finanzierung der aktuellen Kostenschätzung muss jetzt die Gemeinde Wangerland in die Bresche springen, die bislang lediglich mit 0,5 Millionen Euro beteiligt war. Wie Kämmerer Arthur Wichmann sagte, habe die Gemeinde jetzt einen Kredit über 4,3 Millionen Euro aufnehmen und an ihre Tochter weiterleiten müssen. „Wir gehen davon aus, dass die WTG den Kredit an uns zurückzahlt“, so der Kämmerer. Dennoch müsse auch die Gemeinde ihren Sparkurs fortsetzen.
Eine weitere Konsequenz aus der Misere: Bei der Wangerland Touristik GmbH komme jetzt jede Ausgabe auf den Prüfstand, sagte Bürgermeister Mario Szlezak (Foto). Dazu gehöre aus seiner Sicht auch der Betrieb der Schwimmbäder und der Verkauf von nicht benötigten Immobilien. „Notfalls wird alles auf den Kopf gestellt.“
Droht Schließung von Bädern?
Wie WTG-Chef Kanning betonte, gibt es aber derzeit keine Pläne, etwa das Meerwasser-Hallenwellenbad in Hooksiel zu schließen oder das Hooksieler Gästehaus zu verkaufen. Überlegungen in diese Richtung hatten schon in der Vergangenheit erhebliche Widerstände bis hin zu Bürgerbegehren ausgelöst. „Aus meiner Sicht geht es nicht nur darum, Kosten zu sparen, wo es geht“, so Kanning. „Wir müssen auch überlegen, wo wir höhere Einnahmen erzielen können – und dann zügig Beschlüsse dazu fassen.“
Ob die WTG die Kredite für den Bau das „Thalasso Meeres Spa“ – der Zinssatz soll um 3,5 Prozent liegen – jemals zurückzahlen kann, dürfte auch vom Erfolg des Gesundheitszentrums abhängen. Mit derzeit lediglich zwölf Mitarbeitern befinde sich die Einrichtung noch in der Aufbauphase, so Kanning.
Nach Darstellung von Ewen ist man bei der WTG in der ursprünglichen Planung davon ausgegangen, dass nach drei Jahren die Betriebskosten (Personal, Energie, Versicherungen, Verbrauchsmaterialen etc.) des „Thalassa Meeres Spa“ bei rund 1,5 Millionen Euro im Jahr liegen werden. Dem könnten – nach heutiger Schätzung – Einnahmen von rund 2,5 Millionen Euro gegenüber stehen. Alice Brandenburg-Bienek: „Daran sehen wir: Das Thalassa muss laufen – und wir müssen das Thema positiv verkaufen.“
Geld auf falsches Konto überwiesen
Positiv auf die Gesamtrechnung könnten sich zwei andere Faktoren auswirken.. Wie Kanning sagte, sei die WTG in der Bauphase einem Rechnungsbetrug aufgesessen. Betrügern war es offenbar gelungen, durch das Abgreifen von digitalen Kontodaten eine Überweisung einer Rechnung in Höhe von rund 350.000 Euro auf ihr Konto umzuleiten. „Das Geld ist weitgehend gesichert“, so Kanning. Es sei aber trotzdem für die WTG nicht ganz einfach, wieder an ihr Geld zu kommen. Das Verfahren laufe bereits ein halbes Jahr.
Unklar ist auch noch die Höhe des Architekten-Honorars, das an der Höhe der Baukosten orientiert. Wie Ralf Ewen sagte, seien aber längst nicht alle Kostensteigerungen der letzten Jahre relevant für die Berechnung des Honorars des Bauleiters. Die Auseinandersetzung darüber laufe noch.